Betriebsschließung durch Corona kein Versicherungsfall
OLG Frankfurt a.M. 16.6.2025 - 12 U 145/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Freizeitstättenbetrieb mit Indoor- und Outdoorangeboten. Sie hatte 2005 beim Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Versichert wurde ein Betriebsschließungsrisiko wegen auftretender Infektionsgefahren. Am 3.3.2020 erhielt die Klägerin einen Nachtrag. Statt der zuvor vereinbarten Tagesentschädigung von 1.600 € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen wurde eine Tagesentschädigung von 2.000 € bis zu einer Dauer von 60 Schließungstagen vereinbart. Es folgte sodann eine tabellarische Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern in den AVB-BS. Darin war der SARS-Krankheitserreger als Auslöser für COVID 19 nicht aufgelistet.
Spätestens Mitte März 2020 veröffentlichte der Beklagte eine Information folgenden Inhalts auf seiner Internetseite:
"Das Coronavirus ist über die bestehende Betriebsschließungsversicherung der H. mitversichert ...
Am 1.2.2020 wurde das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit im Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Da wir u.a. Krankheiten nach §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes mitversichert haben, gilt eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Coronavirus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert. [...]"
Die Klägerin erhielt am 19.3.2020 von der Stadt eine Ordnungsverfügung, wonach ihr Betrieb ab dem 18.3.2020 komplett einzustellen sei. Seit dem 23.5.2020 ist das Coronavirus in §§ 6, 7 IfSG namentlich genannt. Der Versicherungsvertrag wurde durch den Beklagten mit Änderungskündigung vom 6.8. zum 12.11.2020 beendet. Mit Coronaschutzverordnung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30.10.2020, die am 2.11.2020 in Kraft trat, wurde unter § 10 Abs. 1 Nr. 3 angeordnet:
"Der Betrieb von Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen und ähnlichen Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) ist bis zum 30.11.2020 untersagt."
Am 2.11.2020 meldete die Klägerin dem Beklagten den Schadensfall (2. Lockdown). Mit Schreiben vom 6.11.2020 lehnte der Beklagte die Regulierung ab. Wegen der Schließung im Rahmen des ersten Lockdowns hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat den Schadensersatzanspruch i.H.v. 120.000 € abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Im Hinblick auf den 1. Lockdown besteht nach den zutreffenden Ausführungen des LG kein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung oder eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten.
Fraglich war bereits, inwieweit die damalige - fehlerhafte - Einschätzung des Beklagten, das Coronavirus sei am 1.2.2020 in das IfSG aufgenommen worden, als treuwidrig angesehen werden konnte, da die Erklärung des Beklagten die Tatsache, dass das Coronavirus ausweislich der vertraglich vereinbarten Bedingungen nicht mitversichert war, nicht beeinflusst oder verändert hatte (so auch OLG Hamm, Beschl. v. 27.3.2023 - 6 U 116/21). Jedenfalls dem Text auf der Website, der Mitte März 2020 veröffentlicht worden war, war ohne weiteres zu entnehmen, dass der Beklagte nur im Rahmen der Bedingungen, aus denen sich hier indessen gerade kein Versicherungsschutz ergab, Leistung erbringen wollte. (BGH, Beschl. v. 22.6.2022 - IV ZR 437/21).
Die Einwendung der Klägerin, dass der Zusatz "im Rahmen der Bedingungen" keine Einschränkung darstelle, teilte der Senat nicht. Denn dadurch hatte der Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nur im Rahmen der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbarten, dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen - nach denen hier nur die bei Vertragsschluss namentlich genannten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst waren - Versicherungsschutz gewährt werden sollte.
Im Hinblick auf den 2. Lockdown hat der BGH mit Urteil vom 26.1.2022 (IV ZR 144/21) entschieden, dass bei einer Bedingungslage mit einem im Klauselwerk aufgeführten Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen besteht, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem in dem Klauselwerk aufgeführten Katalog (hier gem. § 1 Ziffer 2 AVB-BS), der abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt. Die dortigen Ausführungen gelten vorliegend entsprechend, dem hiesigen Vertrag liegen im Wesentlichen vergleichbare Bedingungen mit einem entsprechenden Katalog zugrunde.
Dies hat der BGH in der Folgezeit auch für den 2. Lockdown bestätigt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.2023 - IV ZR 18/22). Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, waren nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin sich auf das Urteil des BGH vom 18.1.2023 (IV ZR 465/21) berufen hatte, betraf diese Entscheidung einen Versicherungsvertrag mit anderen Bedingungen.
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Die Klägerin ist ein Freizeitstättenbetrieb mit Indoor- und Outdoorangeboten. Sie hatte 2005 beim Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Versichert wurde ein Betriebsschließungsrisiko wegen auftretender Infektionsgefahren. Am 3.3.2020 erhielt die Klägerin einen Nachtrag. Statt der zuvor vereinbarten Tagesentschädigung von 1.600 € bis zu einer Dauer von 30 Schließungstagen wurde eine Tagesentschädigung von 2.000 € bis zu einer Dauer von 60 Schließungstagen vereinbart. Es folgte sodann eine tabellarische Auflistung von Krankheiten und Krankheitserregern in den AVB-BS. Darin war der SARS-Krankheitserreger als Auslöser für COVID 19 nicht aufgelistet.
Spätestens Mitte März 2020 veröffentlichte der Beklagte eine Information folgenden Inhalts auf seiner Internetseite:
"Das Coronavirus ist über die bestehende Betriebsschließungsversicherung der H. mitversichert ...
Am 1.2.2020 wurde das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit im Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Da wir u.a. Krankheiten nach §§ 6 und 7 des Infektionsschutzgesetzes mitversichert haben, gilt eine Betriebsschließung durch eine Behörde aufgrund des Coronavirus im Rahmen unserer Bedingungen als mitversichert. [...]"
Die Klägerin erhielt am 19.3.2020 von der Stadt eine Ordnungsverfügung, wonach ihr Betrieb ab dem 18.3.2020 komplett einzustellen sei. Seit dem 23.5.2020 ist das Coronavirus in §§ 6, 7 IfSG namentlich genannt. Der Versicherungsvertrag wurde durch den Beklagten mit Änderungskündigung vom 6.8. zum 12.11.2020 beendet. Mit Coronaschutzverordnung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 30.10.2020, die am 2.11.2020 in Kraft trat, wurde unter § 10 Abs. 1 Nr. 3 angeordnet:
"Der Betrieb von Freizeitparks, Indoor-Spielplätzen und ähnlichen Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen) ist bis zum 30.11.2020 untersagt."
Am 2.11.2020 meldete die Klägerin dem Beklagten den Schadensfall (2. Lockdown). Mit Schreiben vom 6.11.2020 lehnte der Beklagte die Regulierung ab. Wegen der Schließung im Rahmen des ersten Lockdowns hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat den Schadensersatzanspruch i.H.v. 120.000 € abgewiesen. Das OLG hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.
Die Gründe:
Im Hinblick auf den 1. Lockdown besteht nach den zutreffenden Ausführungen des LG kein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Pflichtverletzung oder eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten.
Fraglich war bereits, inwieweit die damalige - fehlerhafte - Einschätzung des Beklagten, das Coronavirus sei am 1.2.2020 in das IfSG aufgenommen worden, als treuwidrig angesehen werden konnte, da die Erklärung des Beklagten die Tatsache, dass das Coronavirus ausweislich der vertraglich vereinbarten Bedingungen nicht mitversichert war, nicht beeinflusst oder verändert hatte (so auch OLG Hamm, Beschl. v. 27.3.2023 - 6 U 116/21). Jedenfalls dem Text auf der Website, der Mitte März 2020 veröffentlicht worden war, war ohne weiteres zu entnehmen, dass der Beklagte nur im Rahmen der Bedingungen, aus denen sich hier indessen gerade kein Versicherungsschutz ergab, Leistung erbringen wollte. (BGH, Beschl. v. 22.6.2022 - IV ZR 437/21).
Die Einwendung der Klägerin, dass der Zusatz "im Rahmen der Bedingungen" keine Einschränkung darstelle, teilte der Senat nicht. Denn dadurch hatte der Beklagte vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass nur im Rahmen der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbarten, dem Vertrag zugrunde liegenden Bedingungen - nach denen hier nur die bei Vertragsschluss namentlich genannten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger erfasst waren - Versicherungsschutz gewährt werden sollte.
Im Hinblick auf den 2. Lockdown hat der BGH mit Urteil vom 26.1.2022 (IV ZR 144/21) entschieden, dass bei einer Bedingungslage mit einem im Klauselwerk aufgeführten Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern Versicherungsschutz nur für Betriebsschließungen besteht, die zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern angeordnet werden. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger ergeben sich aus dem in dem Klauselwerk aufgeführten Katalog (hier gem. § 1 Ziffer 2 AVB-BS), der abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krankheitserreger SARS-CoV-2 aufführt. Die dortigen Ausführungen gelten vorliegend entsprechend, dem hiesigen Vertrag liegen im Wesentlichen vergleichbare Bedingungen mit einem entsprechenden Katalog zugrunde.
Dies hat der BGH in der Folgezeit auch für den 2. Lockdown bestätigt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.1.2023 - IV ZR 18/22). Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, waren nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin sich auf das Urteil des BGH vom 18.1.2023 (IV ZR 465/21) berufen hatte, betraf diese Entscheidung einen Versicherungsvertrag mit anderen Bedingungen.
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