Bonitätsinformationssystem: Dreijährige Löschfrist nach Begleichung notleidender Forderung rechtmäßig
OLG Dresden v 1.7.2025 - 4 U 177/25
Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Löschung von Einträgen über erledigte Forderungen, die Berichtigung ihres Score-Wertes, Unterlassung der erneuten Speicherung von Daten über die erledigten Forderungen sowie Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin ist Verbraucherin. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft und betreibt eine Wirtschaftsauskunftei in Form eines Bonitätsinformationssystems, das auf der Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen aufbaut. Diese Daten sollen insbesondere Kreditgeber vor Verlusten im Kreditgeschäft mit potenziellen Kreditnehmern schützen. Bei Auskünften über potenzielle Vertragspartner ihrer Kunden bildet die Beklagte für ihre Vertragspartner aufgrund der über Dritte gespeicherten Daten einen Score-Wert, der etwas über die Bonität aussagen soll.
Von den in erster Instanz streitgegenständlichen Daten über drei Forderungen ist eine zwischenzeitlich infolge des Ablaufs des Drei-Jahres-Zeitraums gelöscht worden. Im Streit stehen nun noch folgende Forderungen:
1. Die Forderung zum Erledigungsdatum 17.9.2022 mit der Forderungsnummer 6000000000RI000000003 (Zahlung durch die Klägerin fünf Jahre und fünf Monate nach deren Titulierung) Meldung der Erledigung durch die Vertragspartnerin "R..." an die Beklagte am 16.9.2022.
2. Die Forderung zum Erledigungsdatum 3.10.2022 mit der Forderungsnummer 5000000004 (Zahlung durch die Klägerin acht Jahre und zehn Monate nach fristloser Kündigung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses durch die Vertragspartnerin "e..."), Meldung der Erledigung durch die Vertragspartnerin am 3.10.2022.
Das LG wies die Klage im Wesentlichen ab. Die dreijährige Speicherfrist für Zahlungsstörungen sei nach Abwägung aller Interessen im Ergebnis angemessen. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Löschung der aufgeführten Daten gem. Art. 17 DSGVO. Diese Daten wurden zunächst im Rahmen eines berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DSGVO verarbeitet. Das Speichern der Daten für die Dauer von drei Jahren nach Erledigung der Zahlungsstörung ist erforderlich (Art. 17 Abs. 1 Buchst. a, d DSGVO) und die berechtigten Gründe der Beklagten für die Datenverarbeitung und -speicherung überwiegen vorliegend das Interesse der Klägerin an einer schnelleren Löschung (Art. 17 Abs. 1 Buchst. c DSGVO).
Die dreijährige Speicherung der Daten nach Tilgung der Forderungen ist notwendig i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO. Dabei erscheint diese Frist sowohl unter allgemeinen Gesichtspunkten rechtmäßig als auch im Rahmen der Abwägung der konkreten Interessen im Einzelfall. Besondere Gründe, die vorliegend eine Verkürzung der Speicherfrist gebieten würden, liegen nicht vor.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben viele Jahre benötigt hat, um sich von den Kreditverbindlichkeiten zu befreien, bei denen sie sich deutlich übernommen hatte, wobei auch dies nur unter Inanspruchnahme einer privaten Schuldnerberatung und durch das jahrelange Hinauszögern der Begleichung einiger Forderungen gelang. Angesichts ihrer langjährigen Zahlungsschwierigkeiten kann ihr Interesse an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit das Informationsinteresse der Wirtschaft erst nach einem Zeitraum überwiegen, nach welchem anzunehmen ist, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse stabilisiert haben. Dieser Zeitraum ist vorliegend mit drei Jahren als angemessen anzusehen.
Zu keiner anderen Beurteilung führen die von der Klägerin angeführten Regelungen des § 882e ZPO, § 3 Abs. 1 InsBekV oder Art. 3 Abs. 1 GG. Für die von der Klägerin angenommene Analogie zur Regelung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO betreffend das Schuldnerverzeichnis fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Beklagte unterhält kein öffentlich für Jedermann zugängliches Register. Vielmehr ist der Kreis der informationsberechtigten Personen um ein Vielfaches kleiner und in jedem konkreten Einzelfall einer Informationsabfrage von einem berechtigten Interesse getragen.
§ 3 Abs. 1 InsBekV enthält ebenfalls keine vergleichbare gesetzliche Regelung, die eine Löschung der von der Beklagten im hiesigen Fall erhobenen Daten erforderlich machen würde. Ein Fall der Speicherung von Informationen über eine Restschuldbefreiung liegt nicht vor. Die streitgegenständlichen Negativeinträge beruhen auf Einmeldungen von Kunden der Beklagten, die Gläubiger der Klägerin waren. Eine verallgemeinerungsfähige gesetzgeberische Wertung auch für solche Fälle lässt sich § 3 InsBekV nicht entnehmen.
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Rechtsprechung:
Widerlegliche Vermutung der Maßgeblichkeit der Inanspruchnahme einer Wirtschaftsauskunftei für Entscheidung über Kreditgewährung
LG Bayreuth vom 29.04.2025 - 31 O 593/24
Nicolas Fischer, ZIP 2025, 1972
ZIP0082005
Beratermodul ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Löschung von Einträgen über erledigte Forderungen, die Berichtigung ihres Score-Wertes, Unterlassung der erneuten Speicherung von Daten über die erledigten Forderungen sowie Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin ist Verbraucherin. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft und betreibt eine Wirtschaftsauskunftei in Form eines Bonitätsinformationssystems, das auf der Sammlung, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von Wirtschaftsdaten natürlicher und juristischer Personen aufbaut. Diese Daten sollen insbesondere Kreditgeber vor Verlusten im Kreditgeschäft mit potenziellen Kreditnehmern schützen. Bei Auskünften über potenzielle Vertragspartner ihrer Kunden bildet die Beklagte für ihre Vertragspartner aufgrund der über Dritte gespeicherten Daten einen Score-Wert, der etwas über die Bonität aussagen soll.
Von den in erster Instanz streitgegenständlichen Daten über drei Forderungen ist eine zwischenzeitlich infolge des Ablaufs des Drei-Jahres-Zeitraums gelöscht worden. Im Streit stehen nun noch folgende Forderungen:
1. Die Forderung zum Erledigungsdatum 17.9.2022 mit der Forderungsnummer 6000000000RI000000003 (Zahlung durch die Klägerin fünf Jahre und fünf Monate nach deren Titulierung) Meldung der Erledigung durch die Vertragspartnerin "R..." an die Beklagte am 16.9.2022.
2. Die Forderung zum Erledigungsdatum 3.10.2022 mit der Forderungsnummer 5000000004 (Zahlung durch die Klägerin acht Jahre und zehn Monate nach fristloser Kündigung des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses durch die Vertragspartnerin "e..."), Meldung der Erledigung durch die Vertragspartnerin am 3.10.2022.
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Die dreijährige Speicherung der Daten nach Tilgung der Forderungen ist notwendig i.S.d. Art. 17 Abs. 1 Buchst. a DSGVO. Dabei erscheint diese Frist sowohl unter allgemeinen Gesichtspunkten rechtmäßig als auch im Rahmen der Abwägung der konkreten Interessen im Einzelfall. Besondere Gründe, die vorliegend eine Verkürzung der Speicherfrist gebieten würden, liegen nicht vor.
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach eigenen Angaben viele Jahre benötigt hat, um sich von den Kreditverbindlichkeiten zu befreien, bei denen sie sich deutlich übernommen hatte, wobei auch dies nur unter Inanspruchnahme einer privaten Schuldnerberatung und durch das jahrelange Hinauszögern der Begleichung einiger Forderungen gelang. Angesichts ihrer langjährigen Zahlungsschwierigkeiten kann ihr Interesse an wirtschaftlicher Handlungsfreiheit das Informationsinteresse der Wirtschaft erst nach einem Zeitraum überwiegen, nach welchem anzunehmen ist, dass sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse stabilisiert haben. Dieser Zeitraum ist vorliegend mit drei Jahren als angemessen anzusehen.
Zu keiner anderen Beurteilung führen die von der Klägerin angeführten Regelungen des § 882e ZPO, § 3 Abs. 1 InsBekV oder Art. 3 Abs. 1 GG. Für die von der Klägerin angenommene Analogie zur Regelung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO betreffend das Schuldnerverzeichnis fehlt es an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Beklagte unterhält kein öffentlich für Jedermann zugängliches Register. Vielmehr ist der Kreis der informationsberechtigten Personen um ein Vielfaches kleiner und in jedem konkreten Einzelfall einer Informationsabfrage von einem berechtigten Interesse getragen.
§ 3 Abs. 1 InsBekV enthält ebenfalls keine vergleichbare gesetzliche Regelung, die eine Löschung der von der Beklagten im hiesigen Fall erhobenen Daten erforderlich machen würde. Ein Fall der Speicherung von Informationen über eine Restschuldbefreiung liegt nicht vor. Die streitgegenständlichen Negativeinträge beruhen auf Einmeldungen von Kunden der Beklagten, die Gläubiger der Klägerin waren. Eine verallgemeinerungsfähige gesetzgeberische Wertung auch für solche Fälle lässt sich § 3 InsBekV nicht entnehmen.
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