24.05.2011

BVerfG bestätigt gerichtlich festgesetzte Entschädigung von ehemaligen T-Online-Aktionären

Rechtsträger von Unternehmen, so auch Aktiengesellschaften, können durch Aufnahme miteinander verschmolzen werden. In dem Verschmelzungsvertrag haben die beteiligten Rechtsträger u.a. das Umtauschverhältnis der Anteile des übertragenden in Anteile des übernehmenden Rechtsträgers festzulegen. Sind Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers der Auffassung, das Umtauschverhältnis sei zu niedrig bemessen, können sie von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen und auf Antrag im gerichtlichen Spruchverfahren bestimmen lassen.

BVerfG 26.4.2011, 1 BvR 2658/10
Der Sachverhalt:
Die elf Beschwerdeführer waren Aktionäre der T-Online International AG. Diese hatte nach ihrem Börsengang im Jahr 2000 Verluste erlitten. Während der Emissionskurs der Aktien bei 27 € pro Stück lag, sank der Aktienkurs in der Folgezeit und lag im Herbst 2004 bei unter 9 €. Erstmals im Geschäftsjahr 2004 erwirtschaftete das Unternehmen einen Überschuss. Im Jahr 2005 wurde T-Online auf ihre Muttergesellschaft, die Deutsche Telekom AG, verschmolzen. Das Umtauschverhältnis legten die Vertragspartner des Verschmelzungsvertrages aufgrund von Unternehmensbewertungen nach der Ertragswertmethode fest. So sollten die Aktionäre der T-Online für 25 eigene Aktien 13 Aktien der Telekom erhalten.

Nach Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister wandten sich die Beschwerdeführer im Spruchverfahren gegen die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses. Das LG erkannte daraufhin auf eine bare Zuzahlung von 1,15 € für jede Aktie der T-Online. Dabei legte es eine marktorientierte Ermittlung der Unternehmenswerte anhand der Börsenkurse zugrunde, nach der die Börsenwerte anhand der Durchschnittskurse drei Monate vor Bekanntgabe der Verschmelzung ermittelt werden. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer wies das OLG zurück. Auch die Verfassungsbeschwerde blieb vor dem BVerfG erfolglos.

Die Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde war nicht zur Entscheidung anzunehmen, da die Annahmevoraussetzungen nicht vorlagen, die Beschwerdeführer insbesondere nicht in ihren Verfassungsrechten verletzt waren.

Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG mit der Begründung beanstandeten, die angegriffenen Entscheidungen setzten sich über den Willen der Verschmelzungspartner zur Wertermittlung nach der Ertragswertmethode hinweg, war ihre Verfassungsbeschwerde schon nicht hinreichend begründet. Sie überging die naheliegende Frage, inwieweit die von den Fachgerichten auszulegenden und anzuwendenden Regeln des Umwandlungsgesetzes zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses eine eigenständige Bewertung durch die Fachgerichte voraussetzen.

Auch eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts war nicht ersichtlich. Die vom BVerfG für die Fallgestaltungen eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowie einer Eingliederung entwickelten Grundsätze lassen sich zwar auf den Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme übertragen. Demnach hat die Entschädigung eines Minderheitsaktionärs, der seine mitgliedschaftliche Stellung verliert, den "wahren" Wert des Anteilseigentums widerzuspiegeln. Allerdings gibt das GG keine bestimmte Methode zur Unternehmensbewertung vor.

Vielmehr ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Unternehmenswerte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, die hier in bedeutenden Aktienindizes notiert waren, anhand von Börsenwerten zu schätzen. Außerdem lässt sich weder dem GG noch der Rechtsprechung des BVerfG entnehmen, dass die Fachgerichte zur Bestimmung des Unternehmenswerts stets sämtliche denkbaren Methoden heranzuziehen und bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses die den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers günstigste zugrunde zu legen haben. Somit ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich - wie hier - ein Fachgericht mit sorgfältiger und ausführlicher Begründung für eine Bewertung der Unternehmen beider Rechtsträger anhand des Börsenwerts entscheidet, ohne sich dabei den Blick dafür zu verstellen, dass die Frage nach der vorzuziehenden Methode grundsätzlich von den jeweiligen Umständen des Falles abhängt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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BVerfG PM Nr. 36 vom 24.5.2011
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