09.06.2011

BVerfG-Vorlage: Verzinsung von Kartell-Geldbußen verfassungswidrig?

Die im Gesetz vorgesehene Verzinsung einer Kartell-Geldbuße verfehlt den Gesetzeszweck, weil sie einen Bußgeldschuldner geradezu auffordert, Einspruch einzulegen, um sich dann durch ein gerichtliches Urteil zinsfrei zu einer Geldbuße verurteilen zu lassen. Außerdem hält das OLG Düsseldorf die geltende Regelung für verfassungswidrig, da sie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.

OLG Düsseldorf 30.5.2011, V-1 Kart 1/11 (OWi)
Der Sachverhalt:
Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 2005 gegen 16 Versicherungsunternehmen sowie deren Vorstände und einige leitende Mitarbeiter wegen unzulässiger Kartellabsprachen Bußgelder i.H.v. rund 150 Mio. € verhängt. Gegen die im vorliegenden Fall betroffene Versicherung war ein Bußgeld i.H.v. 6 Mio. € verhängt worden. Die Unternehmen hatten zwischen Juli 1999 und März 2003 wettbewerbsbeschränkende Absprachen für die Versicherungssparten der industriellen Sachversicherungen und Transportversicherungen getroffen.

Nachdem das Unternehmen zunächst Einspruch gegen die Bescheide des Bundeskartellamtes eingelegt und das Bußgeldverfahren bereits begonnen hatte, nahm der Versicherer seinen Einspruch im Jahr 2009 zurück. Daraufhin forderte das Bundeskartellamt nach Zahlung der festgesetzten Geldbuße für die Zeit von April 2005 bis Juli 2009 Zinsen i.H.v. 1,7 Mio €. Die Behörde stützte sich hierbei auf § 81 Abs. 6 GWB, der vorsieht, dass in einem Kartell-Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides zu verzinsen sind. Damit soll vermieden werden, dass Einsprüche nur deshalb eingelegt werden, um die Zahlung einer Geldbuße zu verzögern und sich so einen ungerechtfertigten Zinsvorteil zu verschaffen.

Das OLG hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG mit der Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die im Gesetz vorgesehene Verzinsung einer Kartell-Geldbuße verfassungswidrig ist.

Die Gründe:
Der Senat hält die Zinsbestimmung für verfassungswidrig und sieht einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

So greift die Zinspflicht nur für Bußgelder in Kartell-Bußgeldverfahren. Geldbußen aus anderen Rechtsbereichen, wie etwa dem Straßenverkehrs-, Umwelt- oder Datenschutzrecht, werden hingegen nicht verzinst. Außerdem gilt die Zinspflicht nur für juristische Personen. Einzelkaufleute sowie handelnde Personen (etwa Vorstände und Geschäftsführer) müssen keine Zinsen auf verhängte Bußgelder zahlen.

Darüber hinaus ist eine Verzinsung nur dann vorgesehen, wenn die Kartell-Geldbuße in einem Bußgeldbescheid festgesetzt wird. Werden Unternehmen hingegen durch ein gerichtliches Urteil zu einer Geldbuße verurteilt, entfällt die Zinspflicht. Infolgedessen wird der Gesetzeszweck verfehlt, weil die geltende Regelung einen Bußgeldschuldner geradezu auffordert, Einspruch einzulegen, um sich dann durch ein gerichtliches Urteil zinsfrei zu einer Geldbuße verurteilen zu lassen.

Hintergrund:
Vor dem OLG Düsseldorf sind parallel gelagerte Verfahren anhängig, in denen das Bundeskartellamt gegen weitere 14 Industrieversicherer Zinsen i.H.v. insgesamt mehr als 25 Mio. € festgesetzt hat. Diese Verfahren sind bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls ausgesetzt worden.

OLG Düsseldorf PM vom 7.6.2011
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