Darlegungslast für Schenkungsanfechtung von Zahlungen aufgrund eines angeblichen Scheinarbeitsverhältnisses
LAG Mainz v. 10.6.2025 - 6 SLa 126/24
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten im Rahmen einer Insolvenzanfechtung über die Rückzahlung von Entgelt zur Insolvenzmasse, für das der Kläger sich auf das Vorliegen unentgeltlicher Leistungen infolge eines Scheinarbeitsverhältnisses beruft.
Das ArbG gab der Klage statt. Bereits der Arbeitsvertrag vom 1.3.2003 sei angesichts einer vereinbarten Tätigkeit von acht Stunden täglich bei 5 ½ Arbeitstagen pro Woche und einer Vergütung von ca. 3 € pro Stunde und damit vorliegendem starken Missverhältnis zwischen Arbeitswert und Lohnhöhe allein zur Verschleierung einer Schenkung geschlossen worden, was die Annahme rechtfertige, dass über die Jahre deutlich höhere Schenkungszahlungen vorgenommen worden seien.
Die Berufung gegen das Urteil war erfolgreich.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO auf Rückgewähr der von der Schuldnerin an die Beklagte für März 2015 bis Juli 2018 gezahlten Vergütung, da zwar die vierjährige Anfechtungsfrist des § 134 Abs. 1 InsO gewahrt ist, es sich bei diesen Leistungen aber nicht um unentgeltliche i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO handelt. Auf die Berufung der Beklagten war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die an die Beklagte erbrachten Leistungen stellen keine unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO dar. Eine Leistung ist im Zwei-Personen-Verhältnis i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließt. Die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO. Dies betrifft auch Fälle sog. "verschleierter Schenkungen", bei denen ein - entgeltliches - Rechtsgeschäft nur zum Schein abgeschlossen wurde, um die Freigebigkeit zu verdecken. Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt oder nur zum Schein geschlossen wird, hängt davon ab, ob die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen.
Wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäfts nach § 117 Abs. 1 BGB beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast. Dies gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt. Dem entspricht, dass den anfechtenden Insolvenzverwalter die primäre Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO trifft.
Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger der ihm obliegenden primären Darlegungslast für das Vorliegen eines Scheingeschäfts nicht nachgekommen. Als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts führt der Kläger an, in den ihm überlassenen Unterlagen der Schuldnerin keine schriftlichen Belege für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gefunden zu haben, die dafür sprechen könnten, dass die Beklagte für die Schuldnerin eine Gegenleistung für die an sie ausgekehrten Zahlungen erbracht hat. Hierbei verkennt der Kläger zunächst, dass das Vorliegen des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 1.3.2003, dessen Kündigung nicht ersichtlich ist, für sich genommen jedenfalls nicht dagegen spricht, dass die Beklagte für die Schuldnerin eine Arbeitsleistung erbracht hat. Entgegen der Auffassung des ArbG steht dem nicht entgegen, dass in § 1 Abs. 8 Satz 2 AV eine regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden täglich bei einer 5½‑Tage-Woche vereinbart ist, obgleich der vereinbarte Bruttomonatslohn nur bei 600 € lag. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren nachvollziehbar dargelegt, dass der von den Vertragsparteien verwendete Formularvertrag ursprünglich für eine Vollzeittätigkeit als Produktionshilfe vorgesehen war und die Vertragspartner offenbar den auf der zweiten Seite vorgesehenen Arbeitszeitumfang versehentlich nicht auf ihren tatsächlichen Arbeitsumfang als Bürohilfe während ihres Studiums - jeweils drei bis vier Stunden an zwei bis drei Tagen pro Woche - angepasst hatten.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast trifft, weil der Kläger alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat, ohne seiner primären Darlegungslast genügen zu können, hat die Beklagte entsprechende Darlegungen erbracht, die das Vorliegen eines Scheingeschäfts ausschließen.
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Die Parteien streiten im Rahmen einer Insolvenzanfechtung über die Rückzahlung von Entgelt zur Insolvenzmasse, für das der Kläger sich auf das Vorliegen unentgeltlicher Leistungen infolge eines Scheinarbeitsverhältnisses beruft.
Das ArbG gab der Klage statt. Bereits der Arbeitsvertrag vom 1.3.2003 sei angesichts einer vereinbarten Tätigkeit von acht Stunden täglich bei 5 ½ Arbeitstagen pro Woche und einer Vergütung von ca. 3 € pro Stunde und damit vorliegendem starken Missverhältnis zwischen Arbeitswert und Lohnhöhe allein zur Verschleierung einer Schenkung geschlossen worden, was die Annahme rechtfertige, dass über die Jahre deutlich höhere Schenkungszahlungen vorgenommen worden seien.
Die Berufung gegen das Urteil war erfolgreich.
Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch gem. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO auf Rückgewähr der von der Schuldnerin an die Beklagte für März 2015 bis Juli 2018 gezahlten Vergütung, da zwar die vierjährige Anfechtungsfrist des § 134 Abs. 1 InsO gewahrt ist, es sich bei diesen Leistungen aber nicht um unentgeltliche i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO handelt. Auf die Berufung der Beklagten war das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die an die Beklagte erbrachten Leistungen stellen keine unentgeltlichen Leistungen i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO dar. Eine Leistung ist im Zwei-Personen-Verhältnis i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO unentgeltlich, wenn ihr nach dem Inhalt des ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließt. Die bewusste Erfüllung einer nicht bestehenden Forderung ist eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO. Dies betrifft auch Fälle sog. "verschleierter Schenkungen", bei denen ein - entgeltliches - Rechtsgeschäft nur zum Schein abgeschlossen wurde, um die Freigebigkeit zu verdecken. Ob ein Rechtsgeschäft wirklich gewollt oder nur zum Schein geschlossen wird, hängt davon ab, ob die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen.
Wer sich auf die Nichtigkeit eines Geschäfts nach § 117 Abs. 1 BGB beruft, trägt für den Scheincharakter des Geschäfts die Beweislast. Dies gilt auch für die Behauptung, bei einem Arbeitsvertrag habe es sich um ein Scheingeschäft gehandelt. Dem entspricht, dass den anfechtenden Insolvenzverwalter die primäre Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unentgeltlichen Leistung i.S.d. § 134 InsO trifft.
Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger der ihm obliegenden primären Darlegungslast für das Vorliegen eines Scheingeschäfts nicht nachgekommen. Als Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Scheingeschäfts führt der Kläger an, in den ihm überlassenen Unterlagen der Schuldnerin keine schriftlichen Belege für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gefunden zu haben, die dafür sprechen könnten, dass die Beklagte für die Schuldnerin eine Gegenleistung für die an sie ausgekehrten Zahlungen erbracht hat. Hierbei verkennt der Kläger zunächst, dass das Vorliegen des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 1.3.2003, dessen Kündigung nicht ersichtlich ist, für sich genommen jedenfalls nicht dagegen spricht, dass die Beklagte für die Schuldnerin eine Arbeitsleistung erbracht hat. Entgegen der Auffassung des ArbG steht dem nicht entgegen, dass in § 1 Abs. 8 Satz 2 AV eine regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden täglich bei einer 5½‑Tage-Woche vereinbart ist, obgleich der vereinbarte Bruttomonatslohn nur bei 600 € lag. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren nachvollziehbar dargelegt, dass der von den Vertragsparteien verwendete Formularvertrag ursprünglich für eine Vollzeittätigkeit als Produktionshilfe vorgesehen war und die Vertragspartner offenbar den auf der zweiten Seite vorgesehenen Arbeitszeitumfang versehentlich nicht auf ihren tatsächlichen Arbeitsumfang als Bürohilfe während ihres Studiums - jeweils drei bis vier Stunden an zwei bis drei Tagen pro Woche - angepasst hatten.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast trifft, weil der Kläger alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft hat, ohne seiner primären Darlegungslast genügen zu können, hat die Beklagte entsprechende Darlegungen erbracht, die das Vorliegen eines Scheingeschäfts ausschließen.
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