Darlehensablösung durch neues Kreditinstitut: AGB zu gefordertem Entgelt für Ablösungsaufwand unwirksam
BGH v. 14.1.2025 - XI ZR 35/24
Der Sachverhalt:
Die klagende Bank fordert von der beklagten Sparkasse Entgelte zurück, die sie zur Abwicklung von zwei Treuhandaufträgen zur Ablösung grundpfandrechtlich besicherter Darlehen an die Beklagte gezahlt hat.
Die Klägerin fragte im Juni 2020 für die Darlehensnehmerin den Ablösungsbetrag des laufenden Darlehens bei der Beklagten ab. Diese kündigte daraufhin an, ein Entgelt i.H.v. 200 € in Rechnung zu stellen, sofern die Zahlung des Ablösungsbetrags unter Treuhandauflagen erfolgen werde. Nach längerem Schriftwechsel teilte die Klägerin der Beklagten schließlich mit, das geforderte Entgelt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu überweisen, um die weitere Abwicklung der Darlehensablösung nicht zu verzögern. In der Folgezeit wurde der Treuhandauftrag abgewickelt.
In vergleichbarer Weise tauschten sich die Parteien aufgrund einer Entgeltforderung der Beklagten i.H.v. 3.083 € für die Ablösung des Darlehens des Darlehensnehmers unter Treuhandauflagen aus. Auch diesen Betrag zahlte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an die Beklagte, die nach eigenem Vortrag in etwa 20% der Darlehensablösungen ein solches Entgelt verlangt. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Rückzahlung von insgesamt 3.283 € nebst Rechtshängigkeitszinsen.
AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin gab der BGH der Klage statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auf Erstattung der Entgelte zu, weil die streitige Entgeltregelung unwirksam ist und die Leistung der Entgelte demnach ohne Rechtsgrund erfolgte. Die Entgeltvereinbarung ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Rechtsfehlerhaft hat das LG angenommen, es handele sich bei der im Streit stehenden Vertragsbedingung nicht um eine AGB. Die somit Vertragsbestandteil gewordene Entgeltklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Das LG hat die streitige Entgeltklausel zu Unrecht als Preisabrede eingeordnet. Vielmehr handelt es sich um eine der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede, da die Beklagte damit den Aufwand für die Erfüllung einer eigenen gegenüber ihrem jeweiligen Darlehensnehmer bestehenden Pflicht auf die Klägerin abwälzt und die Tätigkeit im Verhältnis zur Klägerin im eigenen Interesse erbringt. Hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber eine Grundschuld zur Sicherung von dessen Ansprüchen bestellt, so steht ihm als Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsmittels zu, wenn der Darlehensgeber die Sicherheiten nicht mehr benötigt. Dabei kann der Darlehensnehmer frei wählen, ob er eine Löschungsbewilligung, eine löschungsfähige Quittung oder die Abtretung der Grundschuld an sich oder einen Dritten wünscht. Wird im Zusammenhang mit der Ablösung eines Darlehens zur Übertragung der Sicherheit ein Treuhandauftrag erteilt, ist dieser in der Regel lediglich Bestandteil der Erfüllung der Rückgewährpflicht des Darlehensgebers und Sicherungsnehmers und dient dessen Sicherungsinteressen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass er in diesem Rahmen zwangsläufig zu dem neuen Darlehensgeber in Kontakt tritt. Im Verhältnis zu diesem erbringt der bisherige Darlehensgeber seine Tätigkeit daher lediglich im eigenen Interesse, um seine gegenüber dem Darlehensnehmer bestehende Verpflichtung zu erfüllen.
Die damit als Preisnebenabrede einzuordnende Klausel hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines Entgelts im Interbankenverhältnis für die Abwicklung eines Treuhandauftrags zur Ablösung eines grundpfandrechtlich besicherten Darlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel weicht durch die Festlegung eines gesonderten Entgelts für die Erfüllung der die Beklagte gegenüber ihren Darlehensnehmern treffenden Pflicht zur Rückgewähr des Sicherungsmittels von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind Entgeltklauseln in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar, wenn Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene solche Tätigkeiten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen ist.
Nach diesen Maßgaben ist die Klausel unwirksam. Wie bereits ausgeführt steht dem Darlehensnehmer, der dem Darlehensgeber eine Grundschuld zur Sicherung seiner Ansprüche bestellt hat, als Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu. Der damit verbundene Aufwand ist regelmäßig mit dem gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu zahlenden Zins abzugelten. Mit der streitigen Entgeltklausel wälzt die Beklagte Aufwand für die Erfüllung ihrer hiernach dem jeweiligen Darlehensnehmer gegenüber bestehenden Pflicht, der zudem bereits durch den von diesem zu entrichtenden Darlehenszins abgegolten ist, und damit für eine im Verhältnis zur Klägerin im eigenen Interesse liegende Tätigkeit auf diese ab. Die Abweichungen der Klausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Klägerin auch unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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AG und LG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin gab der BGH der Klage statt.
Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB auf Erstattung der Entgelte zu, weil die streitige Entgeltregelung unwirksam ist und die Leistung der Entgelte demnach ohne Rechtsgrund erfolgte. Die Entgeltvereinbarung ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Rechtsfehlerhaft hat das LG angenommen, es handele sich bei der im Streit stehenden Vertragsbedingung nicht um eine AGB. Die somit Vertragsbestandteil gewordene Entgeltklausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.
Das LG hat die streitige Entgeltklausel zu Unrecht als Preisabrede eingeordnet. Vielmehr handelt es sich um eine der Inhaltskontrolle unterliegende Preisnebenabrede, da die Beklagte damit den Aufwand für die Erfüllung einer eigenen gegenüber ihrem jeweiligen Darlehensnehmer bestehenden Pflicht auf die Klägerin abwälzt und die Tätigkeit im Verhältnis zur Klägerin im eigenen Interesse erbringt. Hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber eine Grundschuld zur Sicherung von dessen Ansprüchen bestellt, so steht ihm als Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsmittels zu, wenn der Darlehensgeber die Sicherheiten nicht mehr benötigt. Dabei kann der Darlehensnehmer frei wählen, ob er eine Löschungsbewilligung, eine löschungsfähige Quittung oder die Abtretung der Grundschuld an sich oder einen Dritten wünscht. Wird im Zusammenhang mit der Ablösung eines Darlehens zur Übertragung der Sicherheit ein Treuhandauftrag erteilt, ist dieser in der Regel lediglich Bestandteil der Erfüllung der Rückgewährpflicht des Darlehensgebers und Sicherungsnehmers und dient dessen Sicherungsinteressen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass er in diesem Rahmen zwangsläufig zu dem neuen Darlehensgeber in Kontakt tritt. Im Verhältnis zu diesem erbringt der bisherige Darlehensgeber seine Tätigkeit daher lediglich im eigenen Interesse, um seine gegenüber dem Darlehensnehmer bestehende Verpflichtung zu erfüllen.
Die damit als Preisnebenabrede einzuordnende Klausel hält der Inhaltskontrolle nicht stand. Sie ist vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines Entgelts im Interbankenverhältnis für die Abwicklung eines Treuhandauftrags zur Ablösung eines grundpfandrechtlich besicherten Darlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Klausel weicht durch die Festlegung eines gesonderten Entgelts für die Erfüllung der die Beklagte gegenüber ihren Darlehensnehmern treffenden Pflicht zur Rückgewähr des Sicherungsmittels von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind Entgeltklauseln in AGB mit wesentlichen Grundgedanken der Rechtsordnung unvereinbar, wenn Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt wird, zu denen der Verwender gesetzlich oder nebenvertraglich verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Denn es gehört zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene solche Tätigkeiten zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Ein Anspruch hierauf besteht nur, wenn dies im Gesetz ausnahmsweise besonders vorgesehen ist.
Nach diesen Maßgaben ist die Klausel unwirksam. Wie bereits ausgeführt steht dem Darlehensnehmer, der dem Darlehensgeber eine Grundschuld zur Sicherung seiner Ansprüche bestellt hat, als Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu. Der damit verbundene Aufwand ist regelmäßig mit dem gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu zahlenden Zins abzugelten. Mit der streitigen Entgeltklausel wälzt die Beklagte Aufwand für die Erfüllung ihrer hiernach dem jeweiligen Darlehensnehmer gegenüber bestehenden Pflicht, der zudem bereits durch den von diesem zu entrichtenden Darlehenszins abgegolten ist, und damit für eine im Verhältnis zur Klägerin im eigenen Interesse liegende Tätigkeit auf diese ab. Die Abweichungen der Klausel von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung benachteiligt die Klägerin auch unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.
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