25.09.2023

Drag Queen" hat Unterlassungsanspruch gegenüber Instgram-Nutzer

Dass "Wegsperren" im Sinne eines Fernhaltens von Kindergärten zu verstehen sei, ist völlig abwegig. Die politische Botschaft, dass Drag Queens nichts in Kindergärten verloren haben, ist auch zu vertreten, ohne das "Wegsperren übergriffiger Transen" auf Instagram zu fordern. Der fliegende Gerichtsstand gilt grundsätzlich auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet.

LG Dortmund v. 1.9.2023 - 17 O 11/23
Der Sachverhalt:
Der Verfügungskläger wandte sich mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen folgende Äußerung des Klägers auf Instagram:

"Kann diese übergriffige Transe, die selbst nie eigene Kinder haben wird, mal irgendwer wegsperren bitte, damit sie sich nicht an anderer Leute Kinder vergeht!"

Diesen Beitrag hatte der Verfügungskläger erstmalig am 13.5.2023 wahrgenommen und am 22.5.2023 den Erlass der streitbefangenen einstweiligen Verfügung beantragt. Die Kammer hat die einstweilige Verfügung am 7.6.2023 antragsgemäß erlassen und angeordnet, dass der Verfügungsbeklagte die angegriffene Äußerung zu unterlassen hat.

Dagegen wandte sich der Verfügungsbeklagte mit seinem Widerspruch. Er war der Ansicht, die örtliche Zuständigkeit des LG Dortmund liege nicht vor, weil kein regionaler Bezug bestehe. Die sachliche Zuständigkeit liege zudem nicht vor, weil der Streitwert mit 10.000 € deutlich zu hoch angesetzt worden sei. In der Sache sei der Verfügungskläger gar nicht gemeint, sondern es werde durch die Formulierung "diese" Transe jemand anderes als der Verfügungskläger, nämlich die Drag Queen, die vorlesen sollte, gemeint. Der Verfügungsantrag sei zudem inhaltlich zu unbestimmt, weil die Handlung, die unterlassen werden soll, nicht erkennbar sei, so dass die Frage, welche Handlung zu unterlassen sei, ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden würde. Zudem fehle der materiell-rechtliche Anspruch, weil die Äußerung im Rahmen einer politischen Sachdiskussion von Art. 5 GG gedeckt sei. Ferne sei "Wegsperren" nach objektivem Empfängerhorizont nicht als Einsperren (ins Gefängnis) zu verstehen, sondern als Fernhalten der Dragqueen von Kindern.

Das LG hat die einstweilige Verfügung bestätigt.

Die Gründe:
Die sachliche Zuständigkeit lag vor, weil der Streitwert allein auf Grund der Bekanntheit und der Reichweite des Verfügungsklägers jedenfalls deutlich über der Streitwertgrenze von 5.000 € lag. Das LG Dortmund war auch unter dem Gesichtspunkt des "fliegenden" Gerichtsstandes aus § 32 ZPO örtlich zuständig.

Der fliegende Gerichtsstand gilt grundsätzlich auch bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Internet. Internetinhalte werden jedoch nicht verbreitet, sondern zum Abruf bereitgehalten, weshalb einschränkend ein hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk erforderlich ist. Danach muss die als rechtsverletzend beanstandete Internetveröffentlichung einen deutlichen Bezug zu dem Ort des angerufenen Gerichts in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen auf Grund einer Kenntnisnahme von der beanstandeten Veröffentlichung nach den Umständen des konkreten Falls an dem betreffenden Gerichtsort erheblich näher liegt, als dies auf Grund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die vom Betroffenen behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung auch an diesem Ort eintreten wird. Ergibt sich (wie vorliegend) weder auf Grund des Inhalts noch der Umstände der Veröffentlichung ein erkennbarer regionaler Bezug, ist eine bestimmungsgemäße Kenntnisnahme an jedem Ort in der Bundesrepublik gleichermaßen wahrscheinlich. In diesem Fall ist an jedem Gerichtsort ein Gerichtsstand begründet.

Der Antrag war auch begründet, weil Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch vorlagen. Der Verfügungsanspruch folgte aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, i.V.m. APR, weil die angegriffene Äußerung einen Eingriff in das APR des Klägers darstellte, der nicht von der Meinungsfreiheit des Beklagten gedeckt war. Der Kläger war auf Grundlage des maßgeblichen Empfängerhorizontes als Adressat der Äußerung auszumachen. Die Bezeichnung "übergriffige Transe, die sich an Kindern vergeht und weggesperrt werden solle" stellte auch einen Eingriff in das APR des Klägers dar. Dass "Wegsperren" im Sinne eines Fernhaltens von Kindergärten zu verstehen sei, war völlig abwegig und ergab sich aus dem Kontext noch nicht einmal im Ansatz.

Dieser Eingriff war nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wenn durch die Äußerung auch nicht der Kerngehalt des APR betroffen war, stand damit dennoch gleichzeitig fest, dass der Eingriff nur durch wichtige kollidierende Rechtsgüter anderer mit Verfassungsrang zu rechtfertigen war. So lag es hier aber nicht, weil die Meinungsfreiheit nur im Randbereich betroffen war. Daran änderte sich auch nichts dadurch, dass die Äußerungen im Rahmen einer politischen Diskussion getätigt worden war. Denn die politische Botschaft, dass Drag Queens nichts in Kindergärten verloren haben, ist auch zu vertreten, ohne das "Wegsperren übergriffiger Transen" zu fordern. Dass die beabsichtige politische Botschaft nur in dieser Formulierung eine entsprechende Reichweite erzielen könne, ist nicht vorgetragen und auch ansonsten nicht ersichtlich.

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