16.05.2014

Einlagenverlust im Schneeballsystem: Zur Berechnung der Forderung eines geschädigten Anlegers

Der BGH hat zur Berechnung der Forderung eines Anlegers, der seine Einlage in einem in Form eines Schneeballsystems betriebenen Einlagenpool verloren hat, Stellung genommen. Er hat dabei die Belastung des Anlegers mit Nebenkosten oder der vertraglich vereinbarten Verlustbeteiligung verneint.

BGH 10.4.2014, IX ZR 176/13
Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-GmbH (Schuldnerin), das am 1.7.2005 eröffnet worden ist. Die Schuldnerin bot seit 1992 nach Maßgabe ihrer AGB Beteiligungen an einem Einlagenpool ("Managed Account") an, welche die Anleger am Erfolg oder Nichterfolg der von ihr, der Schuldnerin, betriebenen Optionsgeschäfte teilhaben lassen sollten. Sie erwirtschaftete bis 1997 hohe Verluste, die sie jedoch verschwieg.

Ihre auf gefälschten Kontoauszügen und Saldenbestätigungen beruhenden Jahresabschlüsse sowie die Kontoauszüge und Abrechnungen, welche die Anleger erhielten, wiesen tatsächlich nicht erzielte Gewinne aus. Die Schuldnerin verwandte die Einlagen im Wesentlichen dazu, Scheingewinne an schon vorhandene Anleger auszuzahlen und sonstige Rückzahlungen zu leisten sowie die eigenen Geschäftskosten zu decken. Optionsgeschäfte betrieb sie seit 1997 allenfalls in - bezogen auf die Einlagen - geringem Umfang.

Die Klägerin hatte sich seit dem 1.4.1997 mit Einlagen i.H.v. insgesamt rd. 15.000 € (ohne Agio) beteiligt. Am 29.12.2000 wurden ihr rd. 12.800 € ausgezahlt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldete sie unter Angabe ihrer "Vertragsnummer" eine als "Hauptforderung/letzter Kontostand" bezeichnete Forderung von rd. 17.400 € zur Tabelle an. Der Beklagte bestritt die Forderung.

Die Klägerin macht nunmehr die Differenz zwischen den Einlagen und der Auszahlung als Insolvenzforderung geltend. Sie beantragte, eine Forderung von rd. 2.500 € zur Tabelle festzustellen. Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass sich die Klägerin die vertraglich vereinbarten Verwaltungsprovisionen sowie die im Zeitraum ihrer Beteiligung erwirtschafteten Handelsverluste von anteilig rd. 3.000 € anrechnen lassen muss. Mit der Auszahlung von 12.800 € habe sie bereits mehr erhalten, als ihr danach zustehe.

Das AG hat die beantragte Feststellung getroffen. Die Beru-fung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.

Die Gründe:
Die Revision meint zu Unrecht, das betrügerische Verhalten der Schuldnerin habe bei der Prüfung des Umfangs der vertraglichen Ansprüche der Klägerin außer Betracht zu bleiben. Die zweckwidrige Verwendung der eingesammelten Gelder erfüllt nicht nur den Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB), sondern stellt auch eine Vertragspflichtverletzung gegenüber jedem einzelnen Anleger dar, dem versprochen worden war, dass seine Einlage zur Erhöhung der Gewinnchancen mit den Einlagen der anderen Anleger gepoolt werden würde. Gleiches gilt für das betrügerische Einwerben neuer Verträge zur Fortführung des "Schneeballsystems", welches (auch) dazu diente, scheinbar erzielte Gewinne auszuzahlen und so die bereits vorhandenen Anleger von der Kündigung ihrer Verträge abzuhalten.

Die Revision beanstandet weiter, dass die Sichtweise des Senats die Anleger besser stelle, als sie stünden, wenn die Schuldnerin sich vertragsgemäß verhalten hätte. Diese hätten gerade keinen vertraglichen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Einlagenpool keinerlei Verlust erzielt. Die Verluste, welche der Beklagte anteilig anrechnen wolle, seien tatsächlich entstanden und wären wohl auch bei vertragsgerechtem Verhalten der Schuldnerin entstanden. Auch diese Argumentation greift zu kurz. Bei vertragsgerechtem Verhalten der Schuldnerin hätte die Klägerin ihre Einlage wahrscheinlich vollständig verloren. Gegenstand des Vertrages war jedoch die Chance, durch Optionsgeschäfte Gewinne zu erzielen. Um diese Chance ist die Klägerin gebracht worden, weil die versprochenen Geschäfte überwiegend gar nicht erst getätigt worden sind. Dann ist kein Grund ersichtlich, warum sie mit Nebenkosten oder der vertraglich vereinbarten Verlustbeteiligung belastet werden sollte.

Die Revision rügt schließlich die ihrer Ansicht nach zufälligen Ergebnisse. Die tatsächlichen Verluste würden nach der Lösung des Berufungsgerichts über die Senkung der Quote gleichmäßig auf alle Anleger umgelegt, auch auf diejenigen, die sich zu einer Zeit beteiligt hätten, als gar keine Geschäfte mehr getätigt wurden und keine anrechenbaren Verluste mehr entstanden seien. Für einen solchen "Solidarausgleich" gebe es keine Grundlage. Dies trifft nicht zu. Jeder Anleger, dessen Vertrag die Schuldnerin durch die zweckwidrige Verwendung seiner Einlage oder der Einlage anderer Anleger, die dem Einlagenpool zuzuführen gewesen wäre, verletzt hat, hat nach der Lösung des Senats Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage abzgl. der Rückzahlungen, welche die Schuldnerin vor der Eröffnung noch geleistet hat. Es kommt also nur auf die Vertragsverletzung an, die in der "Veruntreuung" der für den Pool bestimmten Gelder liegt. Keinem der hiervon betroffenen Anleger hätte die Schuldnerin bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens Verwaltungsgebühren abverlangen oder Verluste zuweisen können. Ob mehr oder weniger Geld "veruntreut" wurde, weil die Geschäftstätigkeit der Schuldnerin zum Erliegen kam, spielt für die Frage des Vertragbruchs keine Rolle.

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