03.07.2013

Einseitiger Widerruf der Erledigungserklärung nach Anschließung durch Beklagten nur bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes

Ein einseitiger Widerruf der Erledigungserklärung ist nach der Anschließung durch den Beklagten nur möglich, wenn ein Restitutionsgrund besteht. Frei widerruflich ist eine Erledigungserklärung, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen hat.

BGH 14.5.2013, II ZR 262/08
Der Sachverhalt:
Auf die Klage der Kläger zu 3) und 4) erklärte das LG die Wahl von Dr. B. zum Aufsichtsrat der Beklagten in der Hauptversammlung 2006 für nichtig, weil Fragen der Kläger nicht ausreichend beantwortet worden seien. Das OLG wies die Berufung ungeachtet eines nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils gefassten, ebenfalls angefochtenen Bestätigungsbeschlusses der Hauptversammlung 2007 zurück. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Berufungsurteil richtet sich die Beschwerde der Beklagten.

Der BGH setzte das Beschwerdeverfahren im Hinblick auf das Verfahren, das den Bestätigungsbeschluss der Hauptversammlung 2007 betrifft, aus. LG und OLG wiesen die Anfechtungsklagen gegen den Bestätigungsbeschluss ab, der BGH wies die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Berufungsurteil zurück. Daraufhin erklärten alle Kläger die Hauptsache für erledigt. Die Beklagte stimmte den Erledigungserklärungen zu.

Vor einer Entscheidung des Senats über die Kosten widerriefen zunächst die Kläger zu 3) und 4), anschließend auch der Kläger zu 2) ihre Erledigungserklärung, der Kläger zu 1) erklärte die Anfechtung seiner Erledigungserklärung. Den Widerruf der Erledigungserklärung stützen die Kläger zu 3) und 4) darauf, dass in diesem Verfahren und im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss vor dem OLG eine Restitutionsklage erhoben worden sei. Der Kläger zu 2) stützt ihn auf eine eigene Restitutionsklage im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss, der Kläger zu 1) stützt seine Anfechtung darauf, dass er sich als Streithelfer den Restitutionsklagen im Verfahren zum Bestätigungsbeschluss angeschlossen habe.

Als Restitutionsgrund wird geltend gemacht, dass Rechtsanwalt E. in einem anderen Verfahren eine Urkunde gefunden habe, nämlich einen Vermerk, wonach der Vorstand der B. LB am 15.5.2002 mit Mitarbeitern und Vorstandsmitgliedern der Beklagten darüber gesprochen habe, dass die Beklagte weiterhin bereit sei, eine gemeinsame Verwertung des Springer-Aktienpakets vorzunehmen. Durch das Auffinden der Urkunde sei bewiesen, dass Fragen der Aktionäre auf der Hauptversammlung 2007 unzutreffend beantwortet seien.

Der BGH setzte die Gerichtskosten fest.

Die Gründe:
Das Verfahren ist übereinstimmend für erledigt erklärt worden. Die Erledigungserklärungen konnten, nachdem die Beklagte jeweils zugestimmt hat, nicht mehr widerrufen oder angefochten werden. Nach der Anschließung durch den Beklagten kommt ein einseitiger Widerruf nur in Frage, wenn ein Restitutionsgrund besteht. Frei widerruflich ist eine Erledigungserklärung, solange sich der Beklagte ihr nicht angeschlossen hat. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung sind die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln auf Prozesshandlungen weder direkt noch entsprechend anwendbar. Prozesshandlungen können nur ausnahmsweise bei Vorliegen eines Restitutionsgrundes i.S.d. § 580 ZPO widerrufen werden oder soweit das Gesetz dies ausdrücklich gestattet, wie z.B. § 290 ZPO für das Geständnis. Das gilt auch für die Erledigungserklärung.

Das Auffinden der Urkunde ist für das vorliegende Verfahren kein Restitutionsgrund. § 580 Nr. 7b ZPO verlangt, dass die Urkunde eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Das ist mit dem Vermerk über eine Vorstandssitzung der B. LB unabhängig davon, ob er eine Zeugenaussage ersetzt und daher nicht die Qualität aufweist, die § 508 Nr. 7b ZPO von einer aufgefundenen Urkunde als Restitutionsgrund verlangt schon deshalb nicht der Fall, weil die Falschbeantwortung von Fragen zu den Springer-Aktien im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung erlangt hat. Wie die Kläger selbst vorgetragen haben, soll mit dem Vermerk eine unzutreffende Beantwortung von Fragen auf der Hauptversammlung 2007 belegt werden. Die Beschlüsse der Hauptversammlung 2007 waren Gegenstand des Verfahrens über den Bestätigungsbeschluss; die aufgefundene Urkunde kann daher allenfalls für das Verfahren zum Bestätigungsbeschluss Bedeutung erlangen.

Über das Verfahren zum Bestätigungsbeschluss erlangt die Urkunde auch nicht mittelbar für das vorliegende Verfahren zum Ausgangsbeschluss Bedeutung. Bedeutung für den Rechtsstreit über den Ausgangsbeschluss hat nur die Wirkung des Bestätigungsbeschlusses, die infolge der rechtskräftigen Abweisung der Anfechtungsklage gegen den Bestätigungsbeschluss eintrat, § 244 Abs. 1 S. 1 AktG. Diese materiell-rechtliche Bestätigungswirkung entfällt erst dann, wenn das Urteil über die Anfechtungsklage in dem Verfahren zum Bestätigungsbeschluss aufgehoben wird. Ob insoweit der Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO in Frage kommt, kann dahinstehen. Der Restitutionsgrund nach § 580 Nr. 6 ZPO setzt voraus, dass das Urteil, auf das die Entscheidung im vorliegenden Verfahren gestützt ist, also das Urteil im Verfahren über den Bestätigungsbeschluss rechtskräftig aufgehoben wird. Das ist jedenfalls bisher nicht erfolgt.

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