28.06.2012

EuG setzt Zwangsgeld gegen Microsoft geringfügig herab

Das EuG hat im Wesentlichen die Entscheidung der EU-Kommission, mit der ein Zwangsgeld gegen Microsoft verhängt wurde, weil sie ihren Wettbewerbern nicht zu angemessenen Bedingungen Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen gestattet hat, bestätigt. Allerdings wurde das Zwangsgeld von 899 auf 860 Mio. € herabgesetzt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Kommission Microsoft erlaubt hatte, bis zum 17.9.2007 den Vertrieb von "Open Source"-Produkten zu beschränken.

EuG 27.6.2012, T-167/08
Der Sachverhalt:
Im März 2004 erließ die EU-Kommission eine Entscheidung, in der festgestellt wurde, dass Microsoft durch zwei verschiedene Verhaltensweisen ihre beherrschende Stellung missbraucht hatte, und verhängte daher gegen Microsoft eine Geldbuße von über 497 Mio. €. Das Vorgehen, um das allein es hier geht, bestand in der Weigerung von Microsoft, ihren Wettbewerbern von Oktober 1998 bis zum März 2004 bestimmte "Interoperabilitätsinformationen" zur Verfügung zu stellen und deren Nutzung für die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten zu gestatten, die mit Microsoft-Produkten auf dem Markt der Betriebssysteme für Arbeitsgruppenserver konkurrierten.

Die Kommission gab Microsoft daraufhin auf, Zugang zu diesen Informationen zu gewähren und deren Nutzung zu angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen zu gestatten. Zur Überwachung der Einhaltung der Entscheidung wurde ein unabhängiger Überwachungsbeauftragter eingesetzt. Die Kommission und Microsoft nahmen zudem einen Dialog auf, um einen Mechanismus zur Offenlegung der Interoperabilitätsinformationen zu schaffen. Da die Kommission feststellte, dass Microsoft innerhalb der Frist, die in der Entscheidung von 2004 gesetzt worden war, keine vollständige Fassung der Interoperabilitätsinformationen vorgelegt hatte und dass die Vergütungssätze, die Microsoft für den Zugang zu diesen Informationen verlangte, unangemessen waren, erließ sie mehrere Entscheidungen, mit denen Zwangsgelder gegen Microsoft verhängt wurden.

Mit Entscheidung von Juli 2006 verhängte die Kommission ein Zwangsgeld von 280,5 Mio., da Microsoft im Zeitraum von Dezember 2005 bis Juni 2006 nicht der Entscheidung von 2004 nachgekommen war. In einem Urteil vom 17.9.2007 bestätigte das EuG im Wesentlichen die Entscheidung von 2004. Den Artikel der Entscheidung, der sich auf den unabhängigen Überwachungsbeauftragten bezog, hob das Gericht jedoch teilweise auf. Mit Entscheidung von April 2008 wurde für den Zeitraum von Juni 2006 bis Oktober 2007 ein neues Zwangsgeld i.H.v. 899 Mio. € gegen Microsoft verhängt, weil die von Microsoft für den Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen vorgeschlagenen Vergütungssätze nicht angemessen seien.

Das EuG wies die Klage, mit der Microsoft beantragte hatte, diese Entscheidung für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, das Zwangsgeld aufzuheben oder herabzusetzen, ganz überwiegend ab, setzt das Zwangsgeld jedoch auf 860 Mio. € herab.

Die Gründe:
Die Argumente, die Microsoft für die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung angeführt hat, waren zurückzuweisen.

Microsoft war unter Berücksichtigung der von ihr und der Kommission ausgearbeiteten Preisfindungsgrundsätze in der Lage, zu beurteilen, ob die Vergütungssätze, die sie bis Oktober 2007 für den Zugang zu den Interoperabilitätsinformationen forderte, im Sinne der Entscheidung von 2004 angemessen waren. Das bei der Prüfung der Angemessenheit der von Microsoft geforderten Vergütungssätze herangezogene Kriterium des innovativen Charakters der betreffenden Technologien ist ein geeigneter Indikator dafür, ob diese Sätze den eigenständigen Wert einer Technologie widerspiegeln und nicht ihren strategischen Wert.

In diesem Zusammenhang ist die Kommission berechtigt, den innovativen Charakter dieser Technologien unter Bezugnahme auf dessen Bestandteile zu untersuchen, nämlich die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit, zumal Microsoft nicht geltend gemacht hat, dass es undenkbar sei, die den betreffenden Technologien zugrunde liegende erfinderische Tätigkeit in einem anderen Kontext zu beurteilen als dem der Erteilung eines Patents. Es soll ausgeschlossen werden, dass Microsoft eine Vergütung erhält, die den strategischen Wert der Interoperabilitätsinformationen widerspiegelt, was die Entscheidung von 2004 verbietet. Ferner ist es Microsoft nicht gelungen, die Feststellung der Kommission zu widerlegen, dass 166 der 173 zu den Interoperabilitätsinformationen gehörenden Technologien nicht innovativ waren.

Allerdings war es geboten, die Höhe des Zwangsgelds zu überprüfen, um ein Schreiben der Kommission von Juni 2005 zu berücksichtigen, in dem Microsoft das Recht zugestanden wird, den Vertrieb der Produkte, die ihre "Open Source"-Wettbewerber auf Basis der weder unter ein Patent fallenden noch innovativen Interoperabilitätsinformationen entwickelt hatten, bis zur Verkündung des Urteils in der Rechtssache T-201/04, d.h. bis zum 17.9.2007, zu beschränken. Denn damit hatte die Kommission im Hinblick auf den anhängigen Rechtsstreit akzeptiert, dass Microsoft zeitweise eine Praxis anwendet, die zur Aufrechterhaltung einer Situation führen kann, die mit der Entscheidung von 2004 beseitigt werden sollte.

Dem musste im Rahmen der Frage, wie schwer das geahndete Verhalten wiegt und in welcher Höhe somit das Zwangsgeld festzusetzen ist, Rechnung getragen werden. In diesem Zusammenhang war festzustellen, dass die im Schreiben von Juni 2005 eingeräumte Befugnis nur einen geringen Teil der Auswirkungen des geahndeten Verhaltens mit sich gebracht hätte, so dass die Höhe des gegen Microsoft verhängten Zwangsgelds auf 860 Mio. € festzusetzen war.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier (in englischer Sprache).

EuGH PM Nr. 89 vom 27.6.2012
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