23.10.2012

EuGH bestätigt Rechtsprechung: Ausgleichsleistungen für Fluggäste auch bei erheblich verspäteten Flügen

Der EuGH hat seine Rechtsprechung, nach der Fluggäste bei erheblich verspäteten Flügen eine Ausgleichsleistung beanspruchen können, bestätigt. Erreichen die Fluggäste ihr Endziel drei Stunden oder mehr nach der geplanten Ankunft, können sie vom Luftfahrtunternehmen eine pauschale Ausgleichszahlung verlangen, es sei denn, die Verspätung ist auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen.

EuGH 23.10.2012, C-581/10 u.a.
Der Sachverhalt:
Das Unionsrecht sieht vor, dass Fluggäste im Fall einer Annullierung ihres Fluges eine pauschale Ausgleichszahlung erhalten können, die zwischen 250 und 600 beträgt. Im Urteil Sturgeon (19.11.2009 C-402/07 und C-432/07) hat der EuGH entschieden, dass die Fluggäste verspäteter Flüge den Fluggästen annullierter Flüge in Bezug auf ihren Anspruch auf Ausgleichsleistung gleichgestellt werden können. Erreichen sie ihr Endziel drei Stunden oder mehr nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit, können sie vom Luftfahrtunternehmen eine pauschale Ausgleichszahlung verlangen, es sei denn, die Verspätung ist auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen
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Das AG Köln und der High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) ersuchen um nähere Angaben zur Tragweite des Urteils Sturgeon. In der Rechtssache C-581/10 ist das deutsche Gericht mit einem Rechtsstreit befasst, in dem Fluggäste gegen das Luftfahrtunternehmen Lufthansa klagen, weil ihr Flug gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit um über 24 Stunden verspätet war. In der Rechtssache C-629/10 haben sich TUI Travel, British Airways, easyJet Airline und die International Air Transport Association (IATA) an die Gerichte des Vereinigten Königreichs gewandt, weil die Behörde für die Zivilluftfahrt sich weigert, ihrem Ersuchen stattzugeben, sie nicht zu Ausgleichszahlungen an Fluggäste verspäteter Flüge zu verpflichten.

Die Gründe:
Die im Urteil Sturgeon vorgenommene Auslegung des Unionsrechts wird bestätigt.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge in Bezug auf die Anwendung ihres Anspruchs auf Ausgleichsleistung als vergleichbar mit der Situation der Fluggäste anzusehen, deren Flug "in letzter Minute" annulliert wurde, da sie ähnliche Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen, nämlich einen Zeitverlust. Daher steht den Fluggästen verspäteter Flüge ebenfalls ein Ausgleichsanspruch zu, wenn sie aufgrund einer Verspätung ihres Fluges ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen.

Eine derartige Verspätung begründet nur dann keinen Ausgleichsanspruch der Fluggäste, wenn das Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären, also auf Umstände, die von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind.

Die Entscheidung, die Fluggäste verspäteter Flüge zu entschädigen, ist auch mit dem Übereinkommen von Montreal vereinbar. Die Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung an die Fluggäste verspäteter Flüge wird nicht vom Geltungsbereich dieses Übereinkommens erfasst und ergänzt die darin vorgesehene Entschädigungsregelung. Diese Pflicht ist auch mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar, der verlangt, dass den Fluggästen und den Luftfahrtunternehmen der jeweilige Umfang ihrer Rechte und Pflichten genau bekannt ist.

Die Ausgleichspflicht steht ferner mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang. Dies gilt umso mehr, als die Ausgleichspflicht nicht alle, sondern nur große Verspätungen betrifft. Zudem sind die Luftfahrtunternehmen nicht zu einer Ausgleichszahlung verpflichtet, wenn sie nachweisen können, dass die Annullierung oder die große Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht. Schließlich sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils auch nicht zeitlich zu begrenzen.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des EuGH veröffentlicht.
  • Um zur Pressemitteilung des EuGH zu kommen, klicken Sie hier.
EuGH PM Nr. 135 vom 23.10.2012
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