05.09.2014

EuGH klärt den Schutzumfang für Opfer von durch Fahrzeuge verursachten Unfällen

Von einer Kfz-Haftpflichtversicherung müssen alle Unfälle gedeckt sein, die bei der Benutzung eines Fahrzeugs, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht, verursacht wurden. Ein Fahrmanöver, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, könnte unter den Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" fallen.

EuGH 4.9.2014, C-162/13
Der Sachverhalt:
Im August 2007 stieß in Slowenien ein Traktor mit Anhänger während des Einbringens von Heuballen auf den Dachboden einer Scheune bei einem Rückwärtsmanöver im Hof des Bauernhofs, mit dem der Anhänger in die Scheune gelenkt werden sollte, gegen die Leiter, auf der der Kläger stand und brachte diesen zu Fall. Der Kläger begehrte daraufhin von der Versicherungsgesellschaft, bei der der Traktoreigentümer einen Haftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, Zahlung von 15 944 € als Ersatz für seinen Nichtvermögensschaden.

Diese Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Kfz-Haftpflichtversicherungspolice den Schaden decke, der bei der Benutzung eines Traktors als Transportmittel entstanden sei, nicht aber jenen, der bei der Nutzung des Traktors als Arbeits- oder Antriebsmaschine verursacht worden sei. Der Oberste Gerichtshof in Slowenien, der mit dem Rechtsstreit im Revisionsverfahren befasst war, legte daraufhin dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob unter den in der Richtlinie 72/166/EWG verwendeten Begriff der "Benutzung eines Fahrzeugs" auch ein Manöver fällt, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren. Die Frage hat der EuGH nun beantwortet.

Die Gründe:
Von einer Kfz-Haftpflichtversicherung müssen alle Unfälle gedeckt sein, die bei der Benutzung eines Fahrzeugs, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht, verursacht wurden. Ein Manöver wie das im vorliegenden Fall, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, könnte somit unter den Begriff "Benutzung eines Fahrzeugs" fallen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

Die Definition des Begriffs "Fahrzeug" i.S.d. Richtlinie 72/166/EWG ist unabhängig vom Gebrauch, der vom jeweiligen Fahrzeug gemacht wird oder werden kann. Daher ändert die Tatsache, dass ein Traktor, der eventuell einen Anhänger führt, unter bestimmten Umständen als landwirtschaftliche Arbeitsmaschine benutzt werden kann, nichts an der Feststellung, dass ein solches Fahrzeug diesem Begriff "Fahrzeug" entspricht. Jedoch unterliegt ein Traktor mit Anhänger der Haftpflicht nur, wenn er seinen gewöhnlichen Standort im Gebiet eines Mitgliedstaats hat, der diese Art von Fahrzeug nicht von der Haftpflicht ausgenommen hat.

Ob das Manöver, das ein Traktor im Hof eines Bauernhofs ausführt, um seinen Anhänger in eine Scheune zu fahren, unter den Begriff der "Benutzung eines Fahrzeugs" zu subsumieren ist, darf nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden. Aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt nämlich, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten EU eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen.

Infolgedessen kann nicht angenommen werden, dass der Unionsgesetzgeber Personen, die durch einen Unfall geschädigt werden, der durch ein Fahrzeug bei dessen Benutzung verursacht wird, von diesem Schutz ausschließen wollte, sofern die Benutzung der gewöhnlichen Funktion dieses Fahrzeugs entspricht. Der Unfall, der zu dem konkreten Rechtsstreit geführt hatte, wurde von einem Fahrzeug verursacht, das rückwärts fuhr, um an eine bestimmte Stelle zu gelangen, und scheint somit durch eine Benutzung eines Fahrzeugs verursacht worden zu sein, die dessen gewöhnlicher Funktion entsprach. Das zu prüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichtes.

Hintergrund:
Eine Richtlinie 72/166/EWG sieht u.a. vor, dass jeder Mitgliedstaat alle zweckdienlichen Maßnahmen trifft, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.

Nach dem slowenischen Kfz-Haftpflichtgesetz hat der Eigentümer eines Fahrzeugs einen Vertrag über eine Haftpflichtversicherung für Schäden abzuschließen, die er Dritten bei der Benutzung des Fahrzeugs verursacht: Tod, Körperverletzung, Beeinträchtigung der Gesundheit oder Zerstörung und Beschädigung von Sachen; ausgenommen ist die Haftung für Schäden an Sachen, die er zum Transport übernommen hat.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM v. 4.9.2014
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