22.07.2025

EuGH-Vorlage: Pflicht zu Transparenzangaben nach dem Medienstaatsvertrag unionsrechtswidrig?

Das VG Berlin hat dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung europäischer Rechtsvorschriften (Digital Services Act und E-Commerce-Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Hintergrund ist, dass der von allen Bundesländern geschlossene Medienstaatsvertrag Anbieter von Internetdiensten, die eigene oder fremde Inhalte aggregieren, selektieren und allgemein zugänglich präsentieren (sog. Medienintermediäre), zu Transparenzangaben verpflichtet, d.h. sie müssen bestimmte Informationen leicht wahrnehmbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten.

VG Berlin v. 10.7.2025 - VG 32 K 222/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Anbieterin eines großen Audio-Streamingdienstes, u.a. mit einem umfangreichen Podcast-Angebot. Sie hat ihren Hauptsitz in einem anderen EU-Staat. Nach dem Medienstaatsvertrag müssen Anbieter solcher Vermittlungsdienste zur Sicherung der Meinungsvielfalt bestimmte Informationen leicht wahrnehmbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten. Dazu zählen u.a. die zentralen Kriterien einer Aggregation, Selektion und Präsentation von Inhalten und ihre Gewichtung einschließlich Informationen über die Funktionsweise der eingesetzten Algorithmen in verständlicher Sprache.

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg beanstandete die von der Klägerin auf ihrer Internetseite und in ihren Apps vorgehaltenen Transparenzangaben als unzureichend und forderte sie zur Ergänzung auf. Hiergegen beantragte die Klägerin erfolgreich vorläufigen Rechtsschutz. Das VG sah die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung als offen an. Die Kammer hatte Zweifel an der Vereinbarkeit der maßgeblichen Vorschriften des Medienstaatsvertrags (§ 93 i.V.m. § 1 Abs. 8 MStV) mit dem Unionsrecht, insbesondere dem in der E-Commerce-Richtlinie verankerten Herkunftslandprinzip. Dieses verbietet es grundsätzlich, einem Dienst der Informationsgesellschaft, der diesen Dienst in einem anderen EU-Mitgliedstaat als demjenigen erbringen möchte, in dem er niedergelassen ist, bestimmte zusätzliche Anforderungen - wie etwa die Verfügbarhaltung von Transparenzangaben - aufzuerlegen. Angesichts des offenen Ausgangs im Hauptsacheverfahren komme dem Interesse der Antragstellerin, vorerst keine weiteren Transparenzangaben vorzuhalten, größeres Gewicht zu, da anderenfalls durch eine Veröffentlichung der Angaben möglicherweise unumkehrbare Zustände geschaffen würden.

Im Hauptsacheverfahren macht die Klägerin weiterhin geltend, die im Medienstaatsvertrag geregelte Pflicht zu Transparenzangaben finde in ihrem Fall keine Anwendung, weil sie gegen den Digital Services Act und die E-Commerce-Richtlinie verstoße.

Das VG hat das Klageverfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung des Digital Services Acts und der E-Commerce-Richtlinie zur Vorabentscheidung vorgelegt. Gegen den Beschluss kann ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden.

Die Gründe:
Es bestehen Zweifel, ob Digital Services Act und E-Commerce-Richtlinie die im Medienstaatsvertrag geregelte Verpflichtung zu Transparenzangaben zulassen. Es ist nicht geklärt, ob der Digital Services Act eine solche Verpflichtung zu Transparenzangaben unionsrechtlich abschließend regelt, so dass kein Raum mehr für die Anwendung nationaler Vorschriften verbleibt.

Außerdem ist ungeklärt, ob nach der E-Commerce-Richtlinie nationale Vorschriften - wie die in Rede stehenden Transparenzvorschriften - auf Medienunternehmen dann keine Anwendung finden, wenn sie in einem anderen EU-Staat ansässig sind.

Mehr zum Thema:

Beratermodul Medienrecht
Rechtssicherheit und Kompetenz mit dem Beratermodul Medienrecht. Für alle Fragen rund um die Recherche und Berichterstattung in Presse, Funk und neuen Medien. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul IT-Recht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen.
 
VG Berlin PM Nr. 37 vom 22.7.2025