27.01.2021

EuGH-Vorlage zur Wirksamkeit einer Nichtangriffsabrede

Das Rechtsschutzbedürfnis für den Leistungsantrag fehlt, wenn der Klägerin aus im Unionsmarkenrecht liegenden Gründen mit ihrer Klage unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. Insofern werden dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 63 Abs. 1 Buchst. a UMV zur Vorabentscheidung vorgelegt. Im konkreten Fall geht es um die Wirksamkeit einer Nichtangriffsabrede.

BGH v. 19.11.2020 - I ZR 27/19
Der Sachverhalt:
Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um ein Unternehmen, das im Bereich der Schmuckproduktion und des Schmuckhandels tätig ist. Die Beklagten zu 2) bis 4) sind ihre Gesellschafter und Geschäftsführer. Zur Weiterführung ihres Uhrengeschäfts war im Jahr 2010 die Klägerin in Form einer KG gegründet worden. Von ihren Kommanditanteilen übernahmen die Beklagten zu 2) bis 4) insgesamt 1% und ein Investor die übrigen 99%. Im Zuge der Gründung schlossen die Parteien weitere Verträge:

Gemäß einem Markenteilübertragungsvertrag übertrug die Beklagte zu 1) der Klägerin die deutsche Wortmarke "Leinfelder" gegen Zahlung von 1.000 € zzgl. Mehrwertsteuer für die Waren "Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, für Uhren und Zeitmessinstrumente". Der Vertrag bestimmt in § 5.1:

"Der Verkäufer verpflichtet sich, die Teilmarke weder selbst anzugreifen noch Dritte beim Angriff auf die Teilmarke zu unterstützen."

Zudem vereinbarten die Parteien in einem Asset-Kaufvertrag gegen Zahlung von 235.348 € den Verkauf und die Übertragung verschiedener Vermögensgegenstände, die auch die zum Uhrengeschäft gehörenden immateriellen Wirtschaftsgüter der Verkäuferin - einschließlich gewerblicher Schutzrechte - umfassten. Der Vertrag regelt in § 7 Abs. 3:

"Die Verkäuferin verpflichtet sich, sowohl registrierte immaterielle Vermögensgegenstände als auch die Nutzung immaterieller Vermögensgegenstände weder selbst anzugreifen noch Dritte bei einem solchen Angriff zu unterstützen."

Im Jahr 2015 fiel bei der Klägerin auf, dass der Markenteilübertragungsvertrag des Jahres 2010 im Register nicht umgesetzt worden war. Die deutsche Marke war zwischenzeitlich erloschen, nachdem die Beklagte zu 1) im Jahr 2011 die Wortmarke "Leinfelder" als Unionsmarke mit der Seniorität der deutschen Marke angemeldet hatte. Im Jahr 2015 übertrug die Beklagte zu 1) diese Unionsmarke für die Waren "Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit in Klasse 18 enthalten, für Uhren und Zeitmessinstrumente" an die Klägerin; hieraus entstand die Unionsmarke Nr. 013975461.

Die Beklagten zu 2) bis 4) ließen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin im Juli 2016 ankündigen, ihre Beteiligung an der Klägerin demnächst zu kündigen und Löschungsanträge gegen die "Leinfelder"-Marken der Klägerin zu stellen. Sie sprachen eine zum 31.12.2017 wirksame ordentliche Kündigung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin aus.

Am 10.8.2016 stellte Rechtsanwalt Dr. S. beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (jetzt: Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum - EUIPO) Verfallsanträge wegen Nichtbenutzung gegen die Unionsmarken Nr. 013975461, 013975453 und 009808205 der Klägerin. Diese hat mit ihrer deswegen erhobenen Klage zuletzt beantragt, die Beklagten zu 1) bis 4) - hilfsweise die Beklagten zu 2) bis 4) sowohl als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) als auch persönlich - zu verurteilen, Rechtsanwalt Dr. T. S. anzuweisen, die von ihm am 10.8.2016 beim EUIPO gestellten Anträge auf Erklärung des Verfalls der Unionsmarken Nr. 013975461 und Nr. 013975453 zurückzunehmen; Außerdem beantrage sie, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Anträge des Dr. S. auf Erklärung des Verfalls der Unionsmarken Nr. 013975461 und 013975453 und 009808205 entstanden ist und künftig noch entsteht.

LG und OLG haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 63 Abs. 1 Buchst. a UMV zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Gründe:
Für den Erfolg der Revision kommt es darauf an, ob für den Leistungsantrag der Klägerin, der darauf gerichtet ist, die Beklagten zu verurteilen, Rechtsanwalt Dr. S. zur Rücknahme der von ihm gestellten Verfallsanträge gegen die Unionsmarken Nr. 013975461 und Nr. 013975453 anzuweisen, ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Klägerin mit einem dem Leistungsantrag stattgebenden rechtskräftigen Urteil im Verfallsverfahren vor dem EUIPO oder den Unionsgerichten unter keinen Umständen einen schutzwürdigen Vorteil erlangen kann. In diesem Zusammenhang stellen sich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 63 Abs. 1 Buchst. a UMV.

Insofern werden dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Führt der in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 63 Abs. 1 Buchst. a UMV geregelte Umstand, dass ein Verfallsantrag gegen eine Unionsmarke wegen deren Nichtbenutzung von jeder natürlichen oder juristischen Person sowie jedem prozessfähigen Interessenverband gestellt werden kann, zur Unwirksamkeit einer vertraglichen Vereinbarung, mit der sich ein Dritter gegenüber dem Inhaber einer Unionsmarke verpflichtet, keinen Antrag beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum auf Erklärung des Verfalls dieser Unionsmarke wegen Nichtbenutzung zu stellen?

2. Bewirkt der in Art. 56 Abs. 1 Buchst. a GMV und Art. 63 Abs. 1 Buchst. a UMV geregelte Umstand, dass ein Verfallsantrag gegen eine Unionsmarke wegen deren Nichtbenutzung von jeder natürlichen oder juristischen Person sowie jedem prozessfähigen Interessenverband gestellt werden kann, dass ein rechtskräftiges Urteil des Gerichts eines Mitgliedsstaats, das den Beklagten verpflichtet, den von ihm selbst oder über eine von ihm beauftragte Person gestellten Antrag auf Erklärung des Verfalls einer Unionsmarke wegen Nichtbenutzung zurückzunehmen, im Verfallsverfahren vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum und den Unionsgerichten nicht zu beachten ist?
BGH online
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