10.09.2014

EuGVVO: Keine Aussetzung des Verfahrens bei ausschließlicher Zuständigkeit des später angerufenen Gerichts

Ist das später angerufene Gericht nach Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) ausschließlich zuständig, darf es das Verfahren nicht nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO aussetzen. Der BGH folgt damit der Vorgabe des EuGH- Urteils vom 3.4.2014, C-438/12.

BGH 13.8.2014, V ZB 163/12
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist Eigentümerin eines Grundstücks in Deutschland, das mit einer Grundschuld belastet ist, aus der die Klägerin vollstrecken will. Mit ihrer seit Mai 2011 bei dem LG Hamburg rechtshängigen Klage möchte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten erreichen, die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung über 155.000 € nebst Zinsen zu dulden.

Bereits im Dezember 2010 hatte die Beklagte bei einem italienischen Gericht eine Klage sowohl gegen die Klägerin als auch gegen die in Italien ansässige SRL erhoben mit dem Ziel festzustellen, dass die Grundschuld nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden, die zwischen den Parteien geschlossene Sicherungszweckerklärung unwirksam und die Beklagte daher nicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichtet sei. Mit Urteil von Mai 2012 verneinte das Gericht die Zuständigkeit der italienischen Gerichte. Die gegen die SRL erhobene Klage diene offensichtlich nur dazu, in missbräuchlicher Weise die italienische Gerichtsbarkeit zu beanspruchen. Eine Entscheidung über die gegen das Urteil eingelegte Berufung steht noch aus.

In dem vorliegenden Rechtstreit möchte die Beklagte zunächst eine Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) wegen anderweitiger Rechtshängigkeit erreichen. Ihr dahingehender Antrag hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Beklagte den Aussetzungsantrag weiter.

Der Senat setzte das Verfahren zunächst aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 27 Abs. 1 EuGVVO dahin auszulegen ist, dass das später angerufene Gericht, das nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist, gleichwohl das Verfahren aussetzen muss, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts, zu dessen Gunsten keine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVVO besteht, abschließend geklärt ist. Nachdem der EuGH diese Frage in einem anderen Verfahren verneint hatte (Urteil vom 3.4.2014, C-438/12 - Weber), hielt der Senat sein Vorabentscheidungsersuchen nicht aufrecht.

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde der Beklagten zurück.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet; die Beschwerdeentscheidung kann allerdings nicht mit der gegebenen Begründung aufrechterhalten werden.

Entgegen der Auffassung des OLG betreffen die vorliegende Klage und das in Italien geführte Verfahren denselben Anspruch i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO. Der Begriff "desselben Anspruchs" ist im Rahmen der EuGVVO autonom und weit auszulegen, um einander widersprechende Urteile i.S.v. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO zu vermeiden. Maßgeblich ist, ob der Kernpunkt beider Streitigkeiten derselbe ist. So liegt es auch hier. Die Klage in Italien richtet sich u.a. auf die Feststellung, dass keine Verpflichtung zur Duldung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld bestehe. Mit der vorliegenden Klage soll eben diese Duldung erreicht werden.

Dass es im italienischen Verfahren noch um weitere Feststellungen geht, ist für die Identität des Streitgegenstands unerheblich. Kernpunkt ist jeweils die Frage, ob die Klägerin aus der Grundschuld vorgehen darf. Unzutreffend ist auch die weitere Annahme des OLG, die beiden Verfahren seien nicht zwischen identischen Parteien anhängig. Die Identität ist unabhängig von der jeweiligen Parteistellung. Darüber hinaus ist es unschädlich, wenn in einem Verfahren zusätzlich Dritte beteiligt sind. Das hat lediglich zur Folge, dass sich die Rechtsfolgen des Art. 27 EuGVVO auf diejenigen Parteien beschränken, zwischen denen mehrere Verfahren anhängig sind.

Der Rechtsbeschwerde bleibt im Ergebnis jedoch deshalb der Erfolg versagt, weil dies dann nicht gilt, wenn das später angerufene Gericht nach Art. 22 Nr. 1 EuGVVO ausschließlich zuständig ist (EuGH 3.4.2014, C-438/12 - Weber). Dass es sich hier so verhält, hat der Senat bereits in dem Beschluss vom 18.9.2013 im Einzelnen ausgeführt (V ZB 163/12, WM 2013, Rn. 12 ff.). Entgegen der Auffassung der Beklagten unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass auch (Sicherungs-) Grundschulden unter Art. 22 Nr. 1 EuGVVO fallen; § 1192 Abs. 1a BGB ändert daran nichts.

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