30.11.2012

EZB durfte Zugang zu Griechenland-Dokumenten verweigern

Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Zugang zu zwei Dokumenten zu verweigern, die sich mit der wirtschaftlichen Lage Griechenlands befassen, war rechtmäßig. Die Verbreitung dieser - damals über ein halbes Jahr alten - Dokumente hätte den Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der Union und Griechenlands beeinträchtigt.

EuG 29.11.2012, T-590/10
Hintergrund:
Unionsbürger sowie natürliche oder juristische Personen mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat haben ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der EZB. Allerdings muss die EZB den Zugang zu einem Dokument u.a. dann verweigern, wenn durch dessen Verbreitung der Schutz des öffentlichen Interesses beeinträchtigt würde.

Der Sachverhalt:
Die Kläger sind die Bloomberg Finance LP, die in London unter dem Namen Bloomberg News tätig ist, sowie eine dort tätige Journalistin. Diese stellte im August 2010 bei der EZB einen Antrag auf Zugang zu zwei Dokumenten, die mit "Die Auswirkungen von außerbörslichen Swaps auf das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand. Der Fall Griechenland" und "Die Titlos-Transaktion und das etwaige Bestehen ähnlicher Transaktionen, die sich auf den Defizit- oder Schuldenstand der Länder der Eurozone auswirken" betitelt sind.

Die EZB verweigerte den Zugang zu diesen Dokumenten und begründete dies u. a. mit dem Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der EU und Griechenlands.  Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Klage.

Das EuG wies die Klage ab.

Die Gründe:
Die EZB hat mit ihrer Weigerung, Zugang zu den beiden streitgegenständlichen Dokumenten zu gewähren, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler hinsichtlich der Beurteilung des Risikos einer Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik der Union und Griechenlands begangen.

Das erste Dokument beinhaltet die Einschätzungen von EZB-Mitarbeitern zu den Auswirkungen außerbörslicher Swaps auf das öffentliche Defizit und den öffentlichen Schuldenstand insbes. Griechenlands, und stellt eine Momentaufnahme der Situation im März 2010 dar. Im Oktober 2010 begründete die EZB ihre Weigerung, Zugang zu diesem Dokument zu gewähren, damit, dass die darin enthaltenen Informationen überholt seien. Daher würde die Verbreitung dieser Informationen das erhebliche Risiko einer schwerwiegenden Irreführung der Öffentlichkeit und der Finanzmärkte darstellen.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das Umfeld der europäischen Finanzmärkte zu dem Zeitpunkt, als die ablehnende Entscheidung erging, sehr labil war - nicht zuletzt wegen der der schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage Griechenlands. Zudem hatten diese Situation und die Verkäufe im Zusammenhang mit griechischen Finanzanlagen starke Wertverluste dieser Anlagen zur Folge, was auch bei den griechischen und anderen europäischen Inhabern zu Verlusten führte. Es ist daher offensichtlich, dass die Marktteilnehmer die Informationen verwenden, die von den Zentralbanken verbreitet werden, und dass deren Analysen und Entscheidungen als eine besonders bedeutsame und zuverlässige Quelle für die Beurteilung der Entwicklungen des Finanzmarkts angesehen werden.

Es erscheint auch keinesfalls ausgeschlossen, dass die Einschätzungen der EZB-Mitarbeiter als noch immer gültig angesehen worden wären. Auch eine mögliche Klarstellung der EZB, dass diese Informationen nicht mehr aktuell waren, hätte nicht sicher verhindern können, dass die Verbreitung des Dokuments die Öffentlichkeit und insbes. die Finanzmarktteilnehmer im Hinblick auf die Situation des öffentlichen Defizits und des öffentlichen Schuldenstands irregeführt hätte. Ein solcher Irrtum hätte sich aber negativ auf den Zugang Griechenlands zu den Finanzmärkten auswirken und damit die wirksame Steuerung der Wirtschaftspolitik Griechenlands und der Union beeinträchtigen können.

Hinsichtlich des zweiten Dokuments, dass sich mit dem Hintergrund der "Titlos"-Transaktion auseinandersetzt und eine von Mitarbeitern der EZB erstellte Analyse der Finanzstruktur dieser Transaktion beinhaltet, untersuchte die EZB, in welcher Weise Griechenland außerbörsliche Swaps verwendet hatte und wie sich diese auf die bestehenden Risiken ausgewirkt hatten. Da der Inhalt dieses Dokuments in engem Zusammenhang mit dem ersten Dokument steht, gilt das oben gesagte auch für dieses Dokument.

Linkhinweis:

  • Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichte ausführliche Pressemitteilung klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext (in englischer Sprache) zu kommen, klicken Sie bitte hier.
EuG PM Nr. 156 vom 29.11.2012
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