13.10.2011

Fehlerhafte Gesellschaft setzt auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichtete Willenserklärungen zwischen den Beteiligten voraus

Ein Bevollmächtigter kann aus § 826 BGB haften, wenn er bei Errichtung einer Gesellschaft die ihm erteilte Generalvollmacht missbraucht. Eine fehlerhafte Gesellschaft setzt auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichtete Willenserklärungen zwischen den Beteiligten voraus; diese liegen grundsätzlich nicht vor, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet.

BGH 13.9.2011, VI ZR 229/09
Der Sachverhalt:
Die Klägerin - Tochter des Beklagten - verfügte u.a. über erhebliches Geldvermögen. Ihr Vermögen und das ihrer Schwester wurden aufgrund einer Generalvollmacht vom Beklagten verwaltet. Meinungsverschiedenheiten im August 2003 führten zur Erklärung beider Töchter, dass sie von dem Beklagten in Zukunft informiert werden wollten, bevor er die ihm erteilten Generalvollmachten nutze. Nach dem Vortrag der Klägerin haben ihre Schwester und sie zudem am 5.9.2003 einen Brief an den Beklagten geschrieben, durch den ihm der künftige Gebrauch der Vollmacht nur unter der Maßgabe einer vorherigen internen Abstimmung mit den Töchtern gestattet werde.

In der Folge schloss der Beklagte unter Nutzung der Generalvollmachten einen Gesellschaftsvertrag mit sich selbst ab, der die Gründung der K-GbR zum Gegenstand hatte. In diese Gesellschaft brachte er das gesamte Vermögen seiner Töchter ein. Zugleich traf er die Regelung, dass allein er zur Geschäftsführung dieser Gesellschaft berechtigt sei und alle Verfügungen der Töchter bzgl. der Gesellschaft bis zum 18.12.2022 ausgeschlossen seien. Diesen Gesellschaftsvertrag modifizierte der Beklagte anschließend, indem er anstelle einer die Vermögenswerte beider Töchter haltenden Gesellschaft zwei GbR gründete, in die er als wesentlichen Vermögenswert jeweils das Vermögen einer Tochter einbrachte, während die jeweils andere Schwester und er nur zu einem Bruchteil von je 0,5 Prozent am Gesellschaftsvermögen beteiligt waren.

Die Umschreibung der auf die Klägerin laufenden Konten veranlasste der Beklagte unter Bezugnahme auf den Gesellschaftsvertrag. Die Bank nahm die Umschreibung ohne Rücksprache mit der Klägerin vor mit der Folge, dass dieser die Verfügungsmöglichkeit über ihr Geldvermögen komplett entzogen wurde. In der Folge wurde im Auftrag des Beklagten als "Geschäftsführer" der K-GbR die Übertragung sämtlicher, hohe Guthabenbeträge aufweisenden Konten auf eine Hausverwaltungsgesellschaft GmbH vorgenommen, deren alleiniger Gesellschafter der Beklagte ist. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Schadensersatz und die Feststellung, dass der Beklagte für Eingriffe in die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen schadensersatzpflichtig ist.

Das LG gab der Klage im Wesentlichen statt; das OLG wies sie ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe die geltend gemachten Schäden bzw. die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts nicht schlüssig dargelegt.

Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des OLG zur schlüssigen Schadensdarlegung nicht vortragen, dass sich die Verfügungen des Beklagten schädigend auf ihr Auseinandersetzungsguthaben (vgl. §§ 730 ff. BGB) ausgewirkt haben. Die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft stehen der von der Klägerin substantiiert dargelegten Schadensberechnung nicht entgegen. Das OLG hat verkannt, dass im Streitfall eine fehlerhafte Gesellschaft nicht zustande gekommen ist; vielmehr handelt es sich um eine sog. Scheingesellschaft, auf die die Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft und somit auch die Grundsätze der Abwicklung nicht anwendbar sind.

Eine fehlerhafte Gesellschaft setzt wie jede Gesellschaft einen Gesellschaftsvertrag voraus. Es genügt zwar bei ihr das Vorliegen eines mangelhaften Vertrags. Dieser muss aber von dem tatsächlichen, wenn auch rechtlich fehlerhaften Willen der Vertragschließenden getragen sein. Grundlegende Voraussetzung für die Annahme einer fehlerhaften Gesellschaft ist mithin das Vorliegen von - wenn auch fehlerhaften - auf den Abschluss eines Gesellschaftsvertrags gerichteten Willenserklärungen zwischen den Beteiligten. Ein rechtsgeschäftliches Handeln der Gesellschafter fehlt, wenn ein Mitgesellschafter die ihm erteilte Vollmacht überschreitet.

Im Streitfall liegen diese Ausnahmen beim rechtsmissbräuchlichen Abschluss des Gesellschaftsvertrags nicht vor, weil nach den Feststellungen des OLG der Beklagte eigenmächtig und in einem Insichgeschäft gehandelt hat. Aus denselben Gründen fehlt ein vom Willen aller Gesellschafter getragener Vollzug des Gesellschaftsvertrags. Es reichte daher aus, dass die Klägerin - wie insbes. in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 12.5.2009 geschehen - substantiiert dargelegt hat, dass die Verfügungen des Beklagten einen eigenen Schaden der Klägerin begründet haben. Das OLG wird hierzu im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen haben.

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