15.03.2024

Flüchtiger Strafgefangener muss für eigene Klage gegen eine Zeitung eine ladungsfähige Anschrift angeben

Die zulässige Erhebung einer Klage (hier: gegen ein Presseunternehmen) oder eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erfordert die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, u.a. da sie die Vollstreckung etwaiger sich aus dem Verfahren ergebender Kostenforderungen ermöglicht. Flüchtet ein Strafgefangener aus der JVA, stellt die JVA keine ladungsfähige Anschrift mehr für ihn dar.

OLG Frankfurt a.M. v. 7.3.2024 - 16 W 5/24
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist Strafgefangener und im Rahmen des offenen Vollzugs Ende letzten Jahres aus dem Freigang nicht wieder in die JVA zurückgekehrt. Er ist seitdem flüchtig. Die Antragsgegnerin hatte in zwei Zeitungsartikeln im Januar 2024 unter den Überschriften "(...)-Knacki aus JVA (...) abgehauen!" und "Beim Freigang aus JVA abgehauen Gefängnis wusste, dass (...)-Knacki fliehen wollte ... aber niemand reagierte!" hierüber berichtet und dabei Bilder des Antragstellers verbreitet.

Der Antragsteller verlangte daraufhin im einstweiligen Verfügungsverfahren die Unterlassung der Veröffentlichung seines Bildnisses und die Unterlassung von Äußerungen, nach denen er Drogengeschäfte aus dem Knast heraus bzw. bei seinen Freigängen abgewickelt habe. Das LG hat den durch einen Rechtsanwalt gestellten Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil die von dem Antragsteller allein angegebene Adresse der JVA keine Gewähr für eine ernsthafte Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Zustellung biete. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt.

Die Gründe:
Die ladungsfähige Anschrift ist eine zwingende Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Klageerhebung. Denn sie dokumentiert u.a. die Ernsthaftigkeit des Begehrens sowie die Bereitschaft, sich etwaiger mit dem Betreiben des Prozesses verbundener nachteiliger Folgen zu stellen. Ein Prozess kann nicht "aus dem Verborgenen" heraus geführt werden. Die in der Antragsschrift genannte Adresse der JVA ist allerdings nicht die ladungsfähige Anschrift des Antragstellers, da dieser trotz offener Reststrafe nicht wieder in die JVA zurückgekehrt ist. Mit seiner Flucht hat er vielmehr nach außen bekundet, seinen Aufenthalt in der JVA dauerhaft aufzugeben.

Es lagen auch keine Gründe für ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse vor, um ausnahmsweise auf die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift zu verzichten. Zwar kann dies bei konkreter Gefahr einer Verhaftung bejaht werden (vgl. dazu BFH, Urt. v. 19.10.2000 - IV R 25/00). Das traf aber nicht auf den vorliegenden Fall zu. Dem Interesse der Kenntnis von der ladungsfähigen Anschrift kommt wegen der Vollstreckung einer möglichen Kostenforderung nicht nur untergeordnete Bedeutung zu.  Dies gilt in besonderer Weise, da im Eilverfahren kein Kostenvorschuss erhoben wird. Zudem ist der Antragsteller bereits rechtskräftig verurteilt.

Wenn der Antragsteller ein kostenpflichtiges Eilverfahren anstrengen möchte, ist es ihm möglich und zumutbar, eine inländische ladungsfähige Anschrift anzugeben oder wieder in die JVA zurückzukehren. Jedenfalls kann verlangt werden, dass sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers für etwaige Kosten verbürgt. Ansonsten kann der Antragsteller ein Eilverfahren ohne jegliches finanzielle Risiko führen und dieses zur Gänze der Antragsgegnerin auferlegen. Das ist jedoch nicht hinzunehmen.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Verdachtsberichterstattung über Politiker
Christian Conrad / Marvin Damian Hubig, AfP 2023, 121

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