Frage der Übersicherung beim Vermögensarrest hängt von der Art des arrestierten Vermögensgegenstands ab
LG Nürnberg-Fürth v. 23.10.2025 - 12 KLs 42 Js 10018/21
Der Sachverhalt:
Gegen die Einziehungsbeteiligte besteht ein Vermögensarrest zur Sicherung des Anspruchs auf Einziehung von Wertersatz i.H.v. zuletzt rd. 8,1 Mio. €. Die Einziehungsbeteiligte beantragte, 1.) die Vollziehung des Arrestes wegen Übersicherung aufzuheben, soweit die Arrestsumme von 8,1 Mio. € überschritten wird, 2.) in diesem Zusammenhang den gepfändeten Darlehensrückzahlungsanspruch über 4 Mio. € freizugeben und 3.) hilfsweise nach Ermessen der Kammer die Pfändung des Aktiendepots teilweise freizugeben.
Die im Verfahren die Anklage vertretende GenStA Nürnberg gab den unter 2.) genannten Darlehensrückzahlungsanspruch frei und führte im Übrigen in ihrer Stellungnahme aus, dass die verbleibende Sicherung bestehend aus einem gepfändeten Kontokorrentguthaben und Aktiendepot ausreichend sei.
Der Antrag der Einziehungsbeteiligten zu Ziff. 1.) und 3.) hatte vor dem LG keinen Erfolg.
Die Gründe:
Der nach § 111k Abs. 3 StPO statthafte Antrag ist in seiner Ziff. 2) nach der Freigabe durch die GenStA erledigt; i.Ü. war er abzulehnen, weil eine Übersicherung derzeit nicht besteht.
Die Vorschriften der StPO über den Vermögensarrest regeln nicht selbst die Voraussetzungen, unter denen Pfändungsmaßnahmen wegen Übersicherung unzulässig sein können. § 111f Abs. 1 Satz 2 StPO verweist vielmehr auf die sinngemäße Anwendung des § 928 ZPO, der seinerseits anordnet, dass auf die Arrestvollziehung die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung der ZPO entsprechend anzuwenden sind. § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt insoweit, dass die Zwangsvollstreckung nicht weiter ausgedehnt werden darf, als es zur Befriedigung des Gläubigers und zur Deckung der Kosten der Zwangsvollstreckung erforderlich ist. Die Sicherung wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung ist allerdings im Strafprozess durch die Spezialvorschrift des § 111e Abs. 3 StPO ausgeschlossen, sodass der Vermögensarrest letztlich allein den mutmaßlichen späteren Einziehungsbetrag sichern soll.
Eine Übersicherung ist regelmäßig nicht schon dadurch gegeben, dass der Schätzwert gepfändeter Gegenstände den Arrestanspruch übersteigt. Das liegt auch daran, dass man bei deren Pfändung auf den voraussichtlichen Verwertungserlös und damit auf einen künftigen, ungewissen Zeitpunkt abstellen muss. Bei Pfändung oder während des Pfändungsbeschlags kann der künftige Erlös zudem nach Höhe und Einbringlichkeit nicht immer zuverlässig geschätzt werden. Maßgeblich für die Frage der Übersicherung sind die Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere nach der Art des jeweils arrestierten Vermögensgegenstandes zu differenzieren ist.
Besteht der gepfändete Gegenstand aus Geld (Bargeld oder Buchgeld auf einem nicht mit vorrangigen Sicherungsrechten belasteten inländischen Konto), wird man den Wert dieser Sicherheit mit dem vollen Betrag gleichsetzen können. Unsicherheiten bei der Verwertung und bei der Bestimmung des Werts des Pfandes sind da regelmäßig nicht zu erwarten. Ist ein Aktiendepot gepfändet, ist das Risiko künftiger Kursschwankungen in den Blick zu nehmen. Dieses wird je nach Zusammensetzung des Portfolios und nach der zeitlichen Nähe oder Ferne einer künftigen Verwertung unterschiedlich einzuschätzen sein. Hierbei kann auch die Wertung des Gesetzgebers berücksichtigt werden, dass bestimmte, besonders sichere Wertpapiere, die regelmäßig keinen großen Kursschwankungen unterliegen - und zu denen Aktien gerade nicht zählen -, nur in Höhe von drei Vierteln des Kurswerts taugliche Sicherheiten bilden. Das spricht dafür, Aktien insgesamt einen jedenfalls nicht darüber hinaus gehenden Sicherungswert zuzuschreiben, sondern sie tendenziell geringwertiger anzusetzen.
Bei einem Vermögensarrest sind für die Frage der Übersicherung die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, wobei insbesondere nach der Art des jeweils arrestierten Vermögensgegenstandes zu differenzieren ist.
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Bayern.Recht
Gegen die Einziehungsbeteiligte besteht ein Vermögensarrest zur Sicherung des Anspruchs auf Einziehung von Wertersatz i.H.v. zuletzt rd. 8,1 Mio. €. Die Einziehungsbeteiligte beantragte, 1.) die Vollziehung des Arrestes wegen Übersicherung aufzuheben, soweit die Arrestsumme von 8,1 Mio. € überschritten wird, 2.) in diesem Zusammenhang den gepfändeten Darlehensrückzahlungsanspruch über 4 Mio. € freizugeben und 3.) hilfsweise nach Ermessen der Kammer die Pfändung des Aktiendepots teilweise freizugeben.
Die im Verfahren die Anklage vertretende GenStA Nürnberg gab den unter 2.) genannten Darlehensrückzahlungsanspruch frei und führte im Übrigen in ihrer Stellungnahme aus, dass die verbleibende Sicherung bestehend aus einem gepfändeten Kontokorrentguthaben und Aktiendepot ausreichend sei.
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