14.09.2015

Für Arzneimittel zur Herstellung von patientenindividuellen Arzneimittelblistern gilt keine Preisbindung

Die in § 78 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 AMG geregelte Pflicht des pharmazeutischen Unternehmers zur Sicherstellung eines einheitlichen Abgabepreises dient der Gewährleistung einheitlicher Apothekenabgabepreise für preisgebundene Arzneimittel gem. § 78 Abs. 2 S. 2 AMG und besteht nicht, wenn die Preise und Preisspannen der Arzneimittelpreisverordnung nach § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AMPreisV nicht eingehalten werden müssen. Der mit Wirkung vom 1.1.2012 neu eingeführte § 78 Abs. 1 S. 3 AMG hat an der Rechtslage nichts geändert.

BGH 5.3.2015, I ZR 185/13
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist ein Pharmaunternehmen, das Fertigarzneimittel in Form von Tabletten und Kapseln in unterschiedlichen Packungsgrößen vertreibt. Sie stritt mit der klagenden Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, darüber, ob sie den von ihr verlangten Abgabepreis für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel sicherzustellen hat, wenn Apotheken für Patienten aus Fertigarzneimittelpackungen individuelle Blister herstellen und dazu die einzelnen Tabletten oder Kapseln aus den Packungen und, wenn sie bereits in Blister verpackt sind, aus diesen entnehmen, entsprechend einem Einnahmeplan über Automaten oder von Hand neu zusammenstellen und anschließend in Blistern verpacken.

Auch wenn dabei in den von den Apotheken hergestellten Blistern nicht die Tabletten aus derselben Packung der Beklagten verwendet werden, wird im Ergebnis wenngleich zeitlich gestaffelt die Gesamtmenge des Fertigarzneimittels an den jeweiligen Patienten abgegeben. Die Anfertigung solcher patientenindividuell zusammengestellter Blister bietet sich vor allem bei Patienten, die unter Dauermedikation stehen, und für Alten- und Pflegeheime an, die andernfalls die jeweiligen Arzneimittel zu einnahmefertigen Tablettensets zusammenstellen müssten.

In einem von der Beklagten im Jahr 2011 gegenüber Apotheken verwendeten Mustervertrag hieß es u.a., dass die Preise für die Fertigarzneimittel zur Herstellung von patientenindividuellen Arzneimittelblistern frei verhandelbar seien. Die Klägerin war der Ansicht, die Beklagte durch die Verhandlung von Preisen gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung verstoße. LG und OLG gaben der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Klage ab.

Gründe:
Die von der Klägerin auf Grundlage der §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 78 Abs. 3 S. 1 Hs. 1, Abs. 2 S. 2, Abs. 1 AMG, § 1 Abs. 1 AMPreisV u. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG geltend gemachten Ansprüche stellten sich weder nach der Rechtslage, wie sie bis zum 31.12.2011 bestand, noch nach der mit dem Inkrafttreten des § 78 Abs. 1 S. 3 AMG am 1.1.2012 geänderten Rechtslage als begründet dar.

Nach § 78 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 AMG haben pharmazeutische Unternehmer i.S.v. § 4 Abs. 18 AMG für apothekenpflichtige Arzneimittel, für die nach § 78 Abs. 2 S. 2 AMG ein einheitlicher Apothekenabgabepreis zu gewährleisten ist, einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen, wenn für sie durch die gem. § 78 Abs. 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung Preise und Preisspannen bestimmt sind. Keine Bindung der Preise der Apotheken besteht gem. § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AMPreisV bei der Abgabe von aus Fertigarzneimitteln entnommenen Teilmengen, soweit deren Darreichungsform, Zusammensetzung und Stärke unverändert bleibt. Diese Voraussetzungen waren nach dem Wortlaut der Norm vorliegend erfüllt, da die Apotheken die Fertigarzneimittel in Teilmengen abgeben. Dass im Zeitablauf die Gesamtmenge einer Arzneimittelpackung ausgeliefert wird, schließt die Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AMPreisV nicht aus.

Im Schrifttum wird zwar teilweise die Ansicht vertreten, die Regelung des § 78 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 AMG verpflichte den pharmazeutischen Unternehmer im Ergebnis dazu, jedes apothekenpflichtige Arzneimittel bei jedem Inverkehrbringen in jeder Darreichungsform, jeder Stärke und jeder Packungsgröße stets zum gleichen Preis in Rechnung zu stellen. Dabei wird allerdings nicht genügend berücksichtigt, dass die Bestimmung nicht nur auf die in § 78 Abs. 2 S. 2 AMG enthaltene Regelung ("Arzneimittel nach Abs. 2 S. 2") bezogen ist, sondern die Anwendung der Arzneimittelpreisverordnung voraussetzt ("Arzneimittel ..., für die durch die Verordnung nach Abs. 1 Preise und Preisspannen bestimmt sind"). An diesem letzten Erfordernis fehlt es, wenn § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 AMPreisV eingreift.

Die mit Wirkung vom 1.1.2012 neu eingeführte Vorschrift des § 78 Abs. 1 S. 3 AMG, wonach die Preisvorschriften für den Großhandel aufgrund von § 78 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG für pharmazeutische Unternehmer bei der Abgabe an Apotheken gelten, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen, hat an der vorstehend dargestellten Rechtslage nichts geändert. Die Bestimmung stellt lediglich klar, dass die Großhandelszuschläge nach der Arzneimittelpreisverordnung einschließlich der Vorschriften zu den Möglichkeiten der Rabattgewährung an Apotheken im Direktvertrieb von pharmazeutischen Unternehmern an Apotheken oder durch andere natürliche oder juristische Personen gelten.

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