15.11.2012

Für die Netzentgeltbefreiung stromintensiver Unternehmen fehlt möglicherweise die Rechtsgrundlage

Die von der Bundesnetzagentur für das Jahr 2011 vorgesehene Verrechnungsmethode, wie die Einnahmeausfälle durch die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzkosten umzulegen sind, wird nicht ausgesetzt. Möglicherweise fehlt es aber an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten.

OLG Düsseldorf 14.11.2012, VI - 3 Kart 65/12 (V) u.a.
Der Sachverhalt:
§ 19 Abs. 2 Stromnetzentgeltverordnung ist seit dem 4.8.2011 in Kraft. Danach können stromintensive Unternehmen von der Zahlung der Netzentgelte befreit werden. Netzkosten im deutschen Stromnetz geben die Netzbetreiber an die Stromversorger und diese über den Strompreis an den Endnutzer, Verbraucher oder Unternehmen, weiter. Das Nettonetzentgelt macht etwa 20 % des Haushaltskundenstrompreises aus.

Die Unternehmen können sich auf Antrag - nach Auffassung der Bundesnetzagentur auch rückwirkend ab dem 1.1.2011 - von den Netzentgelten befreien lassen, wenn sie mehr als 7.000 Arbeitsstunden und 10 Gigawatt Strom pro Jahr abnehmen. Die für die Netzbetreiber entstehenden Einnahmeausfälle werden ab dem Jahr 2012 dadurch ausgeglichen, dass die an sich von den stromintensiven Betrieben zu zahlenden Netzentgelte bundesweit auf die übrigen Endkunden umgelegt werden. Anders als ab dem Jahr 2012 werden für das Jahr 2011 die Netzkosten aber nicht bundesweit umgelegt. Vielmehr werden die Einnahmeausfälle von den Endverbrauchern desjenigen Netzbetreibers getragen, über den das jeweilige stromintensive Unternehmen seinen "netzkostenfreien" Strom bezogen hat.

Da für das Jahr 2011 bei einer rückwirkenden Umwälzung Abrechnungsschwierigkeiten entstünden, werden die im Jahr 2011 entstandenen Einnahmeausfälle in den Jahren 2013 und später verrechnet. Zwei Netzbetreiber hatten mit ihren Beschwerden und Eilanträgen den Abrechnungsmodus für das Jahr 2011 angegriffen. Sie waren der Ansicht, es fehle an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Befreiung. Ferner verstoße die Ausnahmeregelung für stromintensive Unternehmen gegen europäisches Recht, da es sich um eine unerlaubte Beihilfe handele. Außerdem werde durch die Befreiung von den Netzentgelten der Wettbewerb verfälscht, da Unternehmen, die unterhalb der Stromverbrauchs-Schwellenwerte lägen, nicht befreit werden könnten. Letztlich sei eine rückwirkende Befreiung in der Verordnung nicht vorgesehen.

Die Bundesnetzagentur verwies hingegen darauf, dass für 2011 ein anderer Abrechnungsmodus erforderlich gewesen sei, weil es sonst zu nicht überwindbaren Abrechnungsproblemen gekommen wäre. Der Verordnungsgeber habe auch erreichen wollen, dass stromintensive Unternehmen bereits ab 2011 befreit werden sollten, weil diese Betriebe aufgrund ihres hohen Verbrauchs netzstabilisierend wirkten.

Das OLG wies die Eilanträge der beiden Stromnetzbetreiber zurück. Die Eilentscheidungen sind rechtskräftig. In der Hauptsache werden die beiden Verfahren am 6.3.2013 mündlich verhandelt.

Die Gründe:
Angesichts der zahlreichen Rechtsfragen und schwierigen Abwicklungsprobleme kam eine vorläufige Aussetzung der Regelung für das Jahr 2011 nicht in Betracht. Die Prüfung der Befreiungsregelung für das Jahr 2011 konnte im Eilverfahren nicht isoliert herausgegriffen werden. Eine Aussetzung der Abrechnungsmethode für das Jahr 2011 führte im Ergebnis dazu, dass dann nach dem ab 2012 geltenden Modus gerechnet werden müsste. Dann müssten nicht die regionalen Netzbetreiber, sondern die überregionalen Netzbetreiber zunächst die Einnahmeausfälle tragen und könnten diese erst später auf die Netzkosten aller Nutzer umlegen.

Allerdings hat der Senat hinsichtlich der ab 2012 geltenden Regelung - bei summarischer und vorläufiger Prüfung im Eilverfahren - erhebliche Bedenken, ob im Energiewirtschaftsgesetz überhaupt eine ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Befreiung von den Netzentgelten besteht. Es ist schließlich nicht sachgerecht, Dritten - hier den überregionalen Netzbetreibern - Belastungen aufgrund einer - nach vorläufiger Würdigung - rechtswidrigen Norm aufzuerlegen.

Das Energiewirtschaftsgesetz in der aktuellen Fassung erlaubt es nur, durch eine Verordnung die Methode zur Berechnung der Entgelte, also das "wie", festzulegen, nicht aber eine vollständige Befreiung von den Netzentgelten, also das "ob", zu bestimmen. Zwar könnten das Nutzungsverhalten und Gründe der Netzsicherheit bei der Ermittlung der Höhe der Entgelte berücksichtigt werden. Es ist aber fraglich, ob dies eine vollständige Befreiung von den Netzentgelten rechtfertigen kann. So ist vor allem europarechtlich eine nichtdiskriminierende und kostenbezogene Regelung der Netzentgelte geboten.

OLG Düsseldorf PM v. 14.11.2012
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