01.03.2024

Geheimtreffen in Potsdam: Unterlassungsantrag gegen Correctiv-Berichterstattung nur teilweise erfolgreich

Correctiv hat den Antragsteller falsch wiedergegeben, wenn es in dem Artikel vom 10.1.2024 heißt, Vosgerau halte den Vorschlag, "man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, für denkbar. Der im Text folgende Zusatz "Auf CORRECTIV-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später" führt beim Leser nicht zu der Annahme, der Antragsteller habe die Verwendung einer bestimmten Formulierung bestätigt.

LG Hamburg v. 26.2.2024 - 324 O 61/24
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller ist der Jurist Ulrich Vosgerau. Dieser hatte an einem rechten Geheimtreffen in Potsdam teilgenommen, über das in der Correctiv-Berichterstattung "Geheimplan gegen Deutschland" vom 10.1.2024 berichtet wurde. Der Antragsteller sah sich in drei konkreten Passagen des Beitrags falsch dargestellt.

Das LG hat dem Antrag hinsichtlich einer Formulierung stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Nicht Gegenstand der Entscheidung war, ob, durch wen und in welchem Umfang die in dem Artikel thematisierte "Remigration" von Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft haben, auf der Veranstaltung in Potsdam diskutiert wurde.

Die Gründe:
Die Unterlassungsverfügung hat Erfolg, soweit sie sich auf die Darstellung einer angeblichen Äußerung Vosgeraus auf dem im Artikel behandelten Treffen in Potsdam zu den Erfolgsaussichten massenhaft eingelegter Wahlprüfungsbeschwerden bezog.

Correctiv hat den Antragsteller falsch wiedergegeben, wenn es in dem Artikel vom 10.1.2024 heißt, Vosgerau halte den Vorschlag, "man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit." Diese Passage ist dahingehend zu verstehen, der Antragsteller habe sich jedenfalls sinngemäß so geäußert, die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, sei umso größer, je mehr Beschwerden eingelegt würden.

Mit seinem Antrag hat Vosgerau geltend gemacht, ein massenhaftes Vorgehen gerade nicht befürwortet und darauf hingewiesen zu haben, der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei. Infolgedessen war es an der Antragsgegnerin, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens die Richtigkeit des Zitats darzulegen und glaubhaft zu machen. Zum genauen Inhalt der diesbezüglichen Äußerungen Vosgeraus hat sie jedoch nichts konkret vorgetragen. Somit musste von der Unrichtigkeit des Zitats ausgegangen werden.

Keinen Erfolg hat der Antrag jedoch, soweit Vosgerau die Wiedergabe seiner Antworten auf eine Correctiv-Anfrage beanstandet hat, mit der ihn die Redaktion vor der Veröffentlichung des Artikels angehört hatte. Die im Artikel verwendete Formulierung "an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können", erweckt kein falsches Verständnis, wie und auf welche Frage der Antragssteller sich in Reaktion auf die Anhörung geäußert hat. Correctiv hatte ihm die Frage gestellt, wie er im Nachhinein zu der auf der Versammlung getroffenen Aussage stehe, bei der es um eine "Remigration" von Menschen mit Migrationshintergrund gegangen sei, die einen Aufenthaltsstatus oder die deutsche Staatsbürgerschaft hätten. Seine Antwort, dass nach seiner Erinnerung von niemandem gesagt worden sei, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert werden, war im Artikel - bezogen auf Äußerungen im Vortrag von Herrn Sellner - zutreffend wiedergegeben worden. Dass Vosgerau weitergehende Ausführungen in seiner Antwort gemacht habe und diese nicht erwähnt worden seien, berührte die Richtigkeit der Wiedergabe mit der konkret angegriffenen Formulierung nicht.

Ein Unterlassungsanspruch war auch hinsichtlich der Darstellung zu verneinen, dass der Antragsteller auf der Veranstaltung in Potsdam über Briefwahlen und im Zusammenhang damit über "Bedenken in Bezug auf junge Wählerinnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten," gesprochen habe. Erkennbar handelt es sich nicht um eine wörtliche Wiedergabe, sondern um Formulierungen, mit denen der Inhalt des Vortrags des Antragstellers wertend zusammengefasst worden war.

Auch der im Text folgende Zusatz "Auf CORRECTIV-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später" führt beim Leser nicht zu der Annahme, der Antragsteller habe die Verwendung einer bestimmten Formulierung bestätigt. Die Antwort Vosgeraus gegenüber Correctiv, er habe "wohl eher am Rande und in einem Nebensatz möglicherweise sinngemäß darauf hingewiesen, dass eine Jungwählerin türkischer Herkunft (...) die zu Hause in der Küche unter Aufsicht ihres Vaters und mehrerer Brüder ihren Wahlzettel ankreuzt, dabei möglicherweise und in bestimmten Einzelfällen faktisch nicht denjenigen Freiheitsgrad genießt, den die Verfassung beim Wahlakt eigentlich voraussetzt," hat die Antragsgegnerin in zulässiger Weise zusammengefasst. Dem Antragsteller wurde in dem Artikel gerade nicht unterstellt, er habe hinsichtlich aller Jungwählerinnen türkischer Herkunft Bedenken in Bezug auf die Briefwahl geäußert, da sich diese generell keine unabhängige Meinung bilden könnten.

Mehr zum Thema:

Handbuch:
Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruches
Verfassungsbeschwerde und einstweilige Anordnung

Burkhardt in Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018

Das Handbuch ist auch enthalten im Beratermodul Medienrecht:
Rechtssicherheit und Kompetenz mit dem Beratermodul Medienrecht. Für alle Fragen rund um die Recherche und Berichterstattung in Presse, Funk und neuen Medien. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet dieses Modul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!
LG Hamburg - PM v. 27.2.2024
Zurück