26.11.2013

Geldbußen wegen Kartell auf dem Markt für Industriesäcke aus Kunststoff bestätigt

Der EuGH hat die Urteile des EuG zur Beteiligung der Unternehmen Gascogne Sack Deutschland, Groupe Gascogne und Kendrion an einem Kartell auf dem Markt für Industriesäcke aus Kunststoff bestätigt. Die Unternehmen können jedoch auf Ersatz des Schadens klagen, der ihnen möglicherweise aus der überlangen Dauer des Verfahrens vor dem EuG entstanden ist.

EuGH 26.11.2013, C-40/12 P u.a.
Der Sachverhalt:
Im Jahr 2005 verhängte die EU-Kommission Geldbußen gegen mehrere Unternehmen, weil diese an einem Kartell auf dem Markt für Industriesäcke aus Kunststoff beteiligt waren. Nach Auffassung der Kommission bestand die Zuwiderhandlung hauptsächlich in der Festsetzung von Preisen, Erarbeitung gemeinsamer Preisberechnungsmethoden, Aufteilung von Märkten, Zuweisung von Verkaufskontingenten, Kunden und Aufträgen sowie im Informationsaustausch in Belgien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden.

Die Kommission setzte Geldbußen in einer Gesamthöhe von über 290 Mio. € fest, u.a. 34 Mio. € gegen Kendrion NV, 9,9 Mio. € gegen die Groupe Gascogne SA und 13,2 Mio. € gegen die Sachsa Verpackung GmbH (zwischenzeitlich Gascogne Sack Deutschland GmbH). Einige der an diesem Kartell beteiligten Unternehmen - u.a. die drei gerade genannten - erhoben Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission oder auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße.

Das EuG wies die Klagen ab. Die Rechtsmittel der drei Unternehmen hatten vor dem EuGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
In Fällen, in denen eine Muttergesellschaft 100 Prozent des Kapitals einer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, besteht eine widerlegliche Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Daher kann die Kommission dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen sein Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das Mutterunternehmen den Nachweis erbringt, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt. Vorliegend ist es Groupe Gascogne und Kendrion aber nicht gelungen, diesen Nachweis zu erbringen, so dass sie für ihre Tochtergesellschaften haftbar gemacht werden konnten.

Der Umstand, dass die gegen Kendrion festgesetzte Geldbuße (34 Mio. €) erheblich höher ist als die gegen ihre Tochtergesellschaft verhängte Geldbuße (2,2 Mio. €), lässt sich damit erklären, dass die beiden Unternehmen zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Kommission über das fragliche Kartell nicht mehr ein und dasselbe Unternehmen bildeten. Nachdem Kendrion ihre Tochtergesellschaft verkauft hatte, musste der Höchstbetrag der für die Beteiligung an einem Kartell festzusetzenden Geldbuße, der 10 Prozent des Jahresumsatzes des jeweiligen Unternehmens entspricht, für die beiden Unternehmen einzeln berechnet werden.

Im Anträge der Unternehmen, die Urteile des EuG aufzuheben, da die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht übermäßig lang gewesen und ihnen dadurch ein Schaden entstanden sei, wurden zurückgewiesen. Vielmehr stellt eine gegen die Union erhobene Schadensersatzklage demgegenüber einen effektiven und allgemeinen Rechtsbehelf zur Geltendmachung und Ahndung eines solchen Verstoßes dar. Im Rahmen einer solchen Klage ist es Sache des EuG zu beurteilen, ob es den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer gewahrt hat. Es wird ebenfalls zu beurteilen haben, ob den betroffenen Parteien durch die Verletzung ihres Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz tatsächlich ein - materieller oder immaterieller -Schaden entstanden ist.

Vorliegend ist festzuhalten, dass sich die Dauer der Bearbeitung der in Frage stehenden Rechtssachen durch das EuG, die sich auf fast fünf Jahre und neun Monate belief, durch keinen der Umstände dieser Rechtssachen rechtfertigen lässt. Denn die überlange Verfahrensdauer lässt sich weder mit der Komplexität der Rechtsstreitigkeiten, noch mit dem Verhalten der Parteien oder der Besonderheit dieser Verfahren erklären. Die Verfahren vor dem EuG haben demnach gegen das den Parteien in der Charta der Grundrechte der EU gewährte Recht darauf, dass über ihre Sache innerhalb angemessener Frist entschieden wird, verstoßen. Dabei handelt es sich auch um einen hinreichend qualifizierten Verstoß, der die Haftung der Union für daraus eventuell entstandene Schäden begründen kann.

Linkhinweis:

  • Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung C‑40/12 P klicken Sie bitte hier.
  • Für den Volltext der Entscheidung C‑50/12 P klicken Sie bitte hier.
  • Für den Volltext der Entscheidung C-58/12 P klicken Sie bitte hier.
EuGH PM Nr. 150 vom 26.11.2013
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