Genehmigungspflichtige Entgeltbedingungen: Zur Inhaltskontrolle einer Klausel in den Bahn-Card-Bedingungen
BGH v. 28.10.2025 - X ZR 39/25
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der D. AG. Sie bietet u.a. die BahnCard an, die für einen bestimmten, automatisch verlängerbaren Zeitraum das Recht zum Abschluss von Beförderungsverträgen mit ermäßigtem Entgelt einräumt. Die Bedingungen für den Erwerb und die Nutzung von BahnCards sind Bestandteil der durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur genehmigten Beförderungsbedingungen D. AG. Sie enthalten u.a. folgende Regelung:
"C.2.6.4. Im Falle von Änderungen der BahnCard-Bedingungen wird das Verkehrsunternehmen diese dem Reisenden rechtzeitig mitteilen. Ist der Reisende mit den Änderungen nicht einverstanden, so kann er das Vertragsverhältnis innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung in Textform gegenüber dem Bahn-Card-Service kündigen. In diesem Fall verlängert sich die Geltungsdauer der BahnCard nicht. Macht der Reisende von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch, so werden die geänderten Bedingungen mit Zusendung der neuen BahnCard wirksam. Hierauf wird das Verkehrsunternehmen in seiner Mitteilung den Reisenden jeweils hinweisen."
Der Kläger beantragte, der Beklagten zu verbieten, diese Bestimmung in AGB von Beförderungsverträgen mit Verbrauchern zu verwenden oder einzubeziehen sowie sich auf sie bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen. Ferner begehrte er Erstattung von Abmahnkosten.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Zutreffend hat das OLG angenommen, dass die beanstandete Bestimmung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegt, weil sie eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung enthält.
Änderungen von bereits wirksam in den Vertrag einbezogenen AGB bedürfen grundsätzlich eines Änderungsvertrags unter Beachtung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB, um Vertragsinhalt zu werden. Wie bereits dargelegt wurde, sieht die beanstandete Regelung abweichend hiervon ein Recht der Beklagten zur Änderung der in den Vertrag einbezogenen BahnCard-Bedingungen unabhängig von einer Zustimmung des Kunden vor. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich ein Recht zur einseitigen Änderung der Beförderungsbedingungen nicht aus § 12 AEG. Das Genehmigungserfordernis aus § 12 Abs. 3 AEG und die in § 12 Abs. 5 Satz 2 AEG vorgesehene Befugnis der Behörde, eine Genehmigung zu verweigern, wenn die Beförderungsbedingungen mit dem geltenden Recht nicht in Einklang stehen, stehen einer Inhaltskontrolle auf der Grundlage von §§ 307 ff. BGB nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung der Revision unterliegen die BahnCardBedingungen allerdings dem Genehmigungserfordernis aus § 12 Abs. 3 AEG. Der Genehmigung nach § 12 Abs. 3 AEG bedürfen die Beförderungsbedingungen. Diese umfassen gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AEG auch die Entgeltbedingungen. Ausgenommen vom Genehmigungserfordernis sind demgegenüber die Entgelte selbst. Dabei geht es um die Höhe der Entgelte. Zu den der Genehmigung bedürfenden Entgeltbedingungen gehört dagegen zum Beispiel die Kinderaltersgrenze. Vor diesem Hintergrund gehören zu den Entgeltbedingungen i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 AEG Regelungen, die nicht unmittelbar die Höhe eines Entgelts bestimmen, sondern lediglich Voraussetzungen festlegen, unter denen die Inanspruchnahme eines bestimmten Entgelts zulässig ist.
Die beanstandete Bestimmung ist nicht gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie enthält allerdings einen Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Die Änderungsbefugnis ist unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten für die Kunden zumutbar. Die Beklagte hat ein anerkennenswertes Interesse an einer solchen Regelung. In diesem Zusammenhang ist zugunsten der Beklagten das in § 12 Abs. 2 Satz 2 AEG und § 4 EVO normierte Gleichbehandlungsgebot zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt wurde, berechtigt und verpflichtet dieses Gebot die Beklagte zwar nicht dazu, den Inhalt bestehender Verträge sofort an jegliche Änderung des Tarifs anzupassen. Es begründet aber dennoch ein anerkennenswertes Interesse, die Anzahl unterschiedlicher Regelungen, die zeitgleich gelten, und den Zeitraum, für den nicht mehr aktuelle Regelungen wirksam bleiben, auf ein überschaubares Maß zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund ist das so umschriebene Änderungsrecht für den Kunden auch zumutbar.
Der BahnCard-Vertrag wird zwar für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen und grundsätzlich nur durch eine fristgerechte Kündigung beendet. Weil der Kunde jeweils nur für den aktuellen Geltungszeitraum - in der Regel ein Jahr - an den Vertrag gebunden ist, muss er es indes hinnehmen, dass auch die Beklagte nicht auf unabsehbare Zeit an die ursprünglich vereinbarten Vertragsbedingungen gebunden sein will und im Interesse einer Gleichbehandlung aller Kunden eine Vereinheitlichung der Tarifbestimmungen anstrebt. Bei dieser Ausgangslage erscheint es als angemessener Interessensausgleich, wenn die Beklagte für die Zeit nach Ablauf des für den Kunden auch im Falle einer Kündigung bindenden Vertragszeitraums eine Angleichung der Vertragsbedingungen an den aktuellen Tarif anstrebt. Die daraus resultierende Belastung des Kunden hält sich schon dadurch in Grenzen, dass er die Mitteilung der Änderung zum Anlass für eine Kündigung des Vertrags nehmen kann. Dass er den Vertrag nicht zu den alten Konditionen fortsetzen kann, ist ihm im Interesse einer Gleichbehandlung aller Kunden und in Anbetracht des begrenzten Zeitraums, für den er seinerseits fest an den Vertrag gebunden ist, zuzumuten.
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Der Kläger ist in die Liste qualifizierter Einrichtungen gem. § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der D. AG. Sie bietet u.a. die BahnCard an, die für einen bestimmten, automatisch verlängerbaren Zeitraum das Recht zum Abschluss von Beförderungsverträgen mit ermäßigtem Entgelt einräumt. Die Bedingungen für den Erwerb und die Nutzung von BahnCards sind Bestandteil der durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur genehmigten Beförderungsbedingungen D. AG. Sie enthalten u.a. folgende Regelung:
"C.2.6.4. Im Falle von Änderungen der BahnCard-Bedingungen wird das Verkehrsunternehmen diese dem Reisenden rechtzeitig mitteilen. Ist der Reisende mit den Änderungen nicht einverstanden, so kann er das Vertragsverhältnis innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung in Textform gegenüber dem Bahn-Card-Service kündigen. In diesem Fall verlängert sich die Geltungsdauer der BahnCard nicht. Macht der Reisende von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch, so werden die geänderten Bedingungen mit Zusendung der neuen BahnCard wirksam. Hierauf wird das Verkehrsunternehmen in seiner Mitteilung den Reisenden jeweils hinweisen."
Der Kläger beantragte, der Beklagten zu verbieten, diese Bestimmung in AGB von Beförderungsverträgen mit Verbrauchern zu verwenden oder einzubeziehen sowie sich auf sie bei der Abwicklung derartiger Verträge zu berufen. Ferner begehrte er Erstattung von Abmahnkosten.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Zutreffend hat das OLG angenommen, dass die beanstandete Bestimmung nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle unterliegt, weil sie eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung enthält.
Änderungen von bereits wirksam in den Vertrag einbezogenen AGB bedürfen grundsätzlich eines Änderungsvertrags unter Beachtung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB, um Vertragsinhalt zu werden. Wie bereits dargelegt wurde, sieht die beanstandete Regelung abweichend hiervon ein Recht der Beklagten zur Änderung der in den Vertrag einbezogenen BahnCard-Bedingungen unabhängig von einer Zustimmung des Kunden vor. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich ein Recht zur einseitigen Änderung der Beförderungsbedingungen nicht aus § 12 AEG. Das Genehmigungserfordernis aus § 12 Abs. 3 AEG und die in § 12 Abs. 5 Satz 2 AEG vorgesehene Befugnis der Behörde, eine Genehmigung zu verweigern, wenn die Beförderungsbedingungen mit dem geltenden Recht nicht in Einklang stehen, stehen einer Inhaltskontrolle auf der Grundlage von §§ 307 ff. BGB nicht entgegen.
Entgegen der Auffassung der Revision unterliegen die BahnCardBedingungen allerdings dem Genehmigungserfordernis aus § 12 Abs. 3 AEG. Der Genehmigung nach § 12 Abs. 3 AEG bedürfen die Beförderungsbedingungen. Diese umfassen gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AEG auch die Entgeltbedingungen. Ausgenommen vom Genehmigungserfordernis sind demgegenüber die Entgelte selbst. Dabei geht es um die Höhe der Entgelte. Zu den der Genehmigung bedürfenden Entgeltbedingungen gehört dagegen zum Beispiel die Kinderaltersgrenze. Vor diesem Hintergrund gehören zu den Entgeltbedingungen i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 AEG Regelungen, die nicht unmittelbar die Höhe eines Entgelts bestimmen, sondern lediglich Voraussetzungen festlegen, unter denen die Inanspruchnahme eines bestimmten Entgelts zulässig ist.
Die beanstandete Bestimmung ist nicht gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Sie enthält allerdings einen Änderungsvorbehalt i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB. Die Änderungsbefugnis ist unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten für die Kunden zumutbar. Die Beklagte hat ein anerkennenswertes Interesse an einer solchen Regelung. In diesem Zusammenhang ist zugunsten der Beklagten das in § 12 Abs. 2 Satz 2 AEG und § 4 EVO normierte Gleichbehandlungsgebot zu berücksichtigen. Wie bereits dargelegt wurde, berechtigt und verpflichtet dieses Gebot die Beklagte zwar nicht dazu, den Inhalt bestehender Verträge sofort an jegliche Änderung des Tarifs anzupassen. Es begründet aber dennoch ein anerkennenswertes Interesse, die Anzahl unterschiedlicher Regelungen, die zeitgleich gelten, und den Zeitraum, für den nicht mehr aktuelle Regelungen wirksam bleiben, auf ein überschaubares Maß zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund ist das so umschriebene Änderungsrecht für den Kunden auch zumutbar.
Der BahnCard-Vertrag wird zwar für einen unbestimmten Zeitraum geschlossen und grundsätzlich nur durch eine fristgerechte Kündigung beendet. Weil der Kunde jeweils nur für den aktuellen Geltungszeitraum - in der Regel ein Jahr - an den Vertrag gebunden ist, muss er es indes hinnehmen, dass auch die Beklagte nicht auf unabsehbare Zeit an die ursprünglich vereinbarten Vertragsbedingungen gebunden sein will und im Interesse einer Gleichbehandlung aller Kunden eine Vereinheitlichung der Tarifbestimmungen anstrebt. Bei dieser Ausgangslage erscheint es als angemessener Interessensausgleich, wenn die Beklagte für die Zeit nach Ablauf des für den Kunden auch im Falle einer Kündigung bindenden Vertragszeitraums eine Angleichung der Vertragsbedingungen an den aktuellen Tarif anstrebt. Die daraus resultierende Belastung des Kunden hält sich schon dadurch in Grenzen, dass er die Mitteilung der Änderung zum Anlass für eine Kündigung des Vertrags nehmen kann. Dass er den Vertrag nicht zu den alten Konditionen fortsetzen kann, ist ihm im Interesse einer Gleichbehandlung aller Kunden und in Anbetracht des begrenzten Zeitraums, für den er seinerseits fest an den Vertrag gebunden ist, zuzumuten.
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