13.12.2012

Generalanwalt: Einschränkung der Exklusivübertragung von Fußball-WM und EM nicht zu beanstanden

Generalanwalt Niilo Jääskinen hat dem EuGH vorgeschlagen, die von FIFA und UEFA eingelegten Rechtmittel gegen Urteile des EuG betreffend die Fernsehübertragung von Fußball-WM und EM zurückzuweisen. Wenn diese Wettkämpfe von den Mitgliedstaaten als Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung eingestuft werden, um einen breiten öffentlichen Zugang hierzu sicherzustellen, können diese deren Übertragung in einer frei zugänglichen Fernsehsendung verlangen.

EuGH 12.12.2012, C-201/11 P u.a. - Schlussanträge des Generalanwalts
Hintergrund:
Die Richtlinie betreffend die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89/552/EWG) erlaubt es den Mitgliedstaaten, die Exklusivübertragung von Ereignissen, denen sie eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beimessen, zu untersagen, wenn durch eine solche Übertragung einem bedeutenden Teil der Öffentlichkeit die Möglichkeit vorenthalten wird, das Ereignis in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zu verfolgen.

Der Sachverhalt:
Der Fußballweltverband FIFA organisiert die Endrunde der Fußballweltmeisterschaft (WM), der europäische Verband UEFA die Fußballeuropameisterschaft (EM). Der Verkauf der Fernsehübertragungsrechte für diese Wettbewerbe stellt eine erhebliche Einnahmequelle für die beiden Verbände dar.

Belgien und das Vereinigte Königreich stellten jeweils eine Liste der Ereignisse auf, denen eine erhebliche gesellschaftliche Bedeutung beigemessen wird. Diese Listen enthielten u.a. für Belgien alle Endrundenspiele der WM und für das Vereinigte Königreich alle Endrundenspiele von WM und EM. Diese Listen wurden der EU-Kommission übermittelt, die jeweils durch Beschluss entschied, dass sie mit dem Unionsrecht vereinbar seien.

Dagegen wenden sich FIFA und UEFA mit ihren Klagen. Sie machen geltend, nicht alle Spiele könnten Ereignisse von erheblicher Bedeutung für die Öffentlichkeit dieser Staaten darstellen. Das EuG wies die Klagen ab; FIFA und UEFA legten hiergegen  Rechtsmittel beim EuGH ein. Generalanwalt Niilo Jääskinen hat dem EuGH nun vorgeschlagen, die Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

Die Gründe:
Nach der Richtlinie sind die Mitgliedstaaten für die Erstellung nationaler Listen zur Sicherstellung der Übertragung solcher Ereignisse in einer frei zugänglichen Fernsehsendung zuständig. Hierzu verfügen sie über einen gewissen Handlungsspielraum. Die Kommission ist bei der Ausübung der ihr in diesem Zusammenhang zufallenden Kontrollfunktion auf die Suche nach offenkundigen Beurteilungsfehlern beschränkt. Das EuG wiederum überprüft, ob die Kommission das Vorliegen eines von einem Mitgliedstaat begangenen offenkundigen Fehlers zu Recht bejaht oder verneint hat.

Der Unionsgesetzgeber wollte dadurch, dass er den Mitgliedstaaten die Möglichkeit vorbehalten hat, die Liste der Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung aufzustellen, einen Ausgleich zwischen den Zielen des freien Dienstleistungsverkehrs im Fernsehbereich und der Wahrung des Rechts auf Informationen im Kontext der kulturellen Vielfalt in den Mitgliedstaaten herstellen. Die Beschränkung der Exklusivübertragungen wurde also vom Unionsgesetzgeber mit voller Absicht als unerlässlich für die Sicherstellung eines breiten öffentlichen Zugangs zu den Ereignissen von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung betrachtet. Insoweit sei sie grundsätzlich als gerechtfertigt und damit verhältnismäßig anzusehen.

Die Beschränkung der Exklusivübertragung der von FIFA und UEFA organisierten Sportereignisse verletzt auch nicht ihr Eigentumsrecht. Das Eigentumsrecht betreffend die Übertragung von Sportereignissen ist weder im nationalen Recht noch im Unionsrecht definiert. Sein Anwendungsbereich hängt daher in existenzieller Weise von den Vorschriften ab, die seine Grenzen festlegten - wie etwa denen der Richtlinie. Die streitige Maßnahme stellt somit keine Einschränkung des Eigentumsrechts im Sinne der Charta der Grundrechte dar.

Der Umstand, dass WM und EM in der Richtlinie als Beispiele für Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung erwähnt seien, bedeutet zwar nicht, dass die Gesamtheit dieser Sportereignisse in allen Fällen in die nationale Liste aufgenommen werden können, unabhängig von dem Interesse, das sie in dem betroffenen Mitgliedstaat hervorrufen. Andererseits bedeutet die Erwähnung von WM und EM in der Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat, wenn er die Spiele dieser Turniere in die nationale Liste aufnimmt, in seiner Mitteilung an die Kommission keine besondere Begründung zu deren Eigenschaft "als Ereignis von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung" geben muss.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Schlussanträge klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 164 vom 12.12.2012
Zurück