28.11.2013

Generalanwalt zur Sperrung des Zugangs zu einer Urheberrechte verletzenden Website durch den Internetprovider

Nach Ansicht des Generalanwalts beim EuGH kann einem Internetprovider aufgegeben werden, für seine Kunden den Zugang zu einer Urheberrechte verletzenden Website zu sperren. Eine solche gerichtliche Anordnung müsse konkrete Sperrmaßnahmen bezeichnen und ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den sich gegenüberstehenden, grundrechtlich geschützten Interessen sicherstellen.

EuGH, C-314/12: Schlussanträge des Generalanwalts vom 26.11.2013
Hintergrund:
Nach dem Unionsrecht müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Inhaber von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung ihrer Rechte genutzt werden. Bereits geklärt ist, dass Internetprovider grundsätzlich als Vermittler in diesem Sinne und damit als Adressat einer solchen Anordnung in Betracht kommen, mit der bereits begangene Rechtsverletzungen beendet werden sollen und neuen vorgebeugt werden soll.

Der Sachverhalt:
Der österreichische Oberste Gerichtshof hat in dritter Instanz über einen Rechtsstreit zwischen der UPC Telekabel Wien, einem großen österreichischen Internetprovider, und der Constantin Film Verleih sowie der Wega Filmproduktionsgesellschaft zu entscheiden. Auf Antrag von Constantin Film und Wega untersagten die Vorinstanzen UPC im Wege der einstweiligen Verfügung, ihren Kunden Zugang zu der Website kino.to zu gewähren. Diese Website ermöglichte es Nutzern, Filme - deren Rechte u.a. Constantin Film und Wega zustehen - ohne deren Zustimmung per Streaming anzusehen oder herunterzuladen.

UPC steht in keiner Rechtsbeziehung zu den Betreibern der Website und stellte ihnen weder Internetzugang noch Speicherplatz zur Verfügung. Nach den Feststellungen des Obersten Gerichtshofs ist jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass einzelne UPC-Kunden das Angebot von kino.to genutzt haben.

Der Oberste Gerichtshof möchte in diesem Zusammenhang vom EuGH wissen, ob auch der Provider, der nur den Nutzern einer rechtswidrigen Website Internetzugang verschafft, als Vermittler in diesem Sinne, d.h. als Vermittler zu betrachten ist, dessen Dienste von einem Dritten - wie dem Betreiber einer rechtswidrigen Website - zur Verletzung eines Urheberrechts genutzt werden, so dass auch ihm gegenüber eine gerichtliche Anordnung erwirkt werden kann. Außerdem ersucht er um Präzisierung der unionsrechtlichen Vorgaben für den Inhalt und das Verfahren zum Erlass einer solchen Anordnung.

Zu den Schlussanträgen des Generalanwalts:
Auch der Internetprovider des Nutzers einer Website, die das Urheberrecht verletzt, ist als Vermittler, dessen Dienste von einem Dritten - nämlich dem Betreiber der Website - zur Verletzung des Urheberrechts genutzt werden, anzusehen. Demzufolge kommt er auch als Adressat einer gerichtlichen Anordnung in Betracht. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Regelung.

Es ist mit der erforderlichen Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten nicht vereinbar, einem Provider ganz allgemein und ohne Anordnung konkreter Maßnahmen zu verbieten, seinen Kunden den Zugang zu einer bestimmten, das Urheberrecht verletzenden Website zu ermöglichen. Dies gilt auch, wenn der Provider Beugestrafen wegen Verletzung dieses Verbots durch den Nachweis abwenden kann, dass er alle zumutbaren Maßnahmen zur Erfüllung des Verbots getroffen hat. Der Provider des Nutzers hat keine Verbindung mit den Betreibern der das Urheberrecht verletzenden Website und verletzt das Urheberrecht selbst nicht.

Hingegen ist eine gegen einen Provider verhängte konkrete Sperrmaßnahme bzgl. einer konkreten Website nicht allein deswegen prinzipiell unverhältnismäßig, weil sie einen nicht unbeträchtlichen Aufwand erfordert, aber ohne besondere technische Kenntnisse leicht umgangen werden kann. Es ist Sache der nationalen Gerichte, im konkreten Fall unter Einbeziehung aller relevanten Umstände eine Abwägung zwischen den Grundrechten der Beteiligten vorzunehmen und so ein angemessenes Gleichgewicht zwischen diesen Grundrechten sicherzustellen. Bei der Abwägung der Grundrechte ist in jedem Fall zu berücksichtigen, dass in Zukunft zahlreiche ähnliche Fälle gegen jeden Provider vor nationalen Gerichten behandelt werden könnten. Zudem muss der Rechteinhaber, soweit dies möglich sei, unmittelbar die Betreiber der rechtswidrigen Website oder deren Provider in Anspruch nehmen.

Linkhinweis:

Für die auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 149 vom 26.11.2013
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