Gericht muss im Insolvenzverfahren missbräuchliche Vertragsklauseln von Amts wegen prüfen können
EuGH v. 3.7.2025 - C-582/23
Der Sachverhalt:
Über das Vermögen einer in Polen lebenden natürlichen Person wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die meisten der gegen sie bestehenden und in einer von einem Insolvenzverwalter erstellten Forderungstabelle aufgeführten Forderungen ergeben sich aus einem an den Schweizer Franken gekoppelten Hypothekendarlehensvertrag, den der Insolvenzschuldner zwölf Jahre zuvor als Verbraucher geschlossen hatte. Er erkannte alle diese Forderungen an, und die Forderungstabelle wurde auch vom Insolvenzrichter genehmigt.
Auf der Grundlage dieser Tabelle muss das Insolvenzgericht nunmehr entweder einen Plan zur Begleichung der Forderungen erstellen oder feststellen, dass die Vermögenswerte ausreichen, um sämtliche Schulden zu erfüllen, was den Plan überflüssig macht. In diesem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens ist dieses Gericht der Ansicht, dass der Darlehensvertrag missbräuchliche Klauseln enthalte, die zu seiner Nichtigkeit führen könnten. Sollte dies der Fall sein, wären die Forderungen der Bank niedriger als die in der Tabelle aufgeführten oder bestünden gar nicht. Die potenzielle Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags wurde jedoch bisher nicht geprüft.
Nach polnischem Recht ist die Forderungstabelle für das Insolvenzgericht bindend, das nicht befugt ist, Vertragsklauseln zu prüfen. Es kann lediglich den Insolvenzrichter befassen, damit er diese Prüfung vornimmt und ggf. die Forderungstabelle ändert. Außerdem erlauben es die Verfahrensvorschriften nicht, vorläufige Maßnahmen zur Regelung der Situation des Schuldners zu treffen, bis diese Prüfung abgeschlossen ist. Das Insolvenzgericht hat sich an den EuGH gewandt, um festzustellen, ob die nationale Regelung über das Insolvenzverfahren natürlicher Personen die Rechte, die das Unionsrecht Verbrauchern verleiht, wirksam schützt.
Der EuGH verneint dies.
Die Gründe:
In Ermangelung einer zuvor vorgenommenen Prüfung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klauseln verpflichtet das Unionsrecht das Insolvenzgericht, die entsprechende Beurteilung von Amts wegen vorzunehmen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit der Notwendigkeit, den Insolvenzrichter zu befassen, wäre die Gefahr verbunden, dass der Abschluss des Insolvenzverfahrens verzögert und die Dauer der prekären finanziellen Lage des insolventen Verbrauchers verlängert wird. Dadurch könnte er davon abgehalten werden, seine sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte auszuüben, was die Anwendung des Unionsrechts übermäßig erschweren würde.
Die Tatsache, dass die Forderungstabelle rechtskräftig geworden ist, steht einer solchen Prüfung nicht zwangsläufig entgegen. Dies ist durch das öffentliche Interesse am Verbraucherschutz, wie er durch das Unionsrecht gewährleistet wird, gerechtfertigt. Das Insolvenzgericht muss auch vorläufige Maßnahmen treffen können, die die volle Wirksamkeit dieses Schutzes gewährleisten. Im Hinblick auf die vorliegende Rechtssache wird es zu beurteilen haben, ob hierfür eine Maßnahme erforderlich ist, mit der die vom Lohn des insolventen Verbrauchers einbehaltenen Beträge bis zur Entscheidung über die Missbräuchlichkeit der Klauseln des fraglichen Vertrags herabgesetzt werden.
Mehr zum Thema:
Beratermodul ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!
EuGH PM Nr. 83 vom 3.7.2025
Über das Vermögen einer in Polen lebenden natürlichen Person wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die meisten der gegen sie bestehenden und in einer von einem Insolvenzverwalter erstellten Forderungstabelle aufgeführten Forderungen ergeben sich aus einem an den Schweizer Franken gekoppelten Hypothekendarlehensvertrag, den der Insolvenzschuldner zwölf Jahre zuvor als Verbraucher geschlossen hatte. Er erkannte alle diese Forderungen an, und die Forderungstabelle wurde auch vom Insolvenzrichter genehmigt.
Auf der Grundlage dieser Tabelle muss das Insolvenzgericht nunmehr entweder einen Plan zur Begleichung der Forderungen erstellen oder feststellen, dass die Vermögenswerte ausreichen, um sämtliche Schulden zu erfüllen, was den Plan überflüssig macht. In diesem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens ist dieses Gericht der Ansicht, dass der Darlehensvertrag missbräuchliche Klauseln enthalte, die zu seiner Nichtigkeit führen könnten. Sollte dies der Fall sein, wären die Forderungen der Bank niedriger als die in der Tabelle aufgeführten oder bestünden gar nicht. Die potenzielle Missbräuchlichkeit der Klauseln dieses Vertrags wurde jedoch bisher nicht geprüft.
Nach polnischem Recht ist die Forderungstabelle für das Insolvenzgericht bindend, das nicht befugt ist, Vertragsklauseln zu prüfen. Es kann lediglich den Insolvenzrichter befassen, damit er diese Prüfung vornimmt und ggf. die Forderungstabelle ändert. Außerdem erlauben es die Verfahrensvorschriften nicht, vorläufige Maßnahmen zur Regelung der Situation des Schuldners zu treffen, bis diese Prüfung abgeschlossen ist. Das Insolvenzgericht hat sich an den EuGH gewandt, um festzustellen, ob die nationale Regelung über das Insolvenzverfahren natürlicher Personen die Rechte, die das Unionsrecht Verbrauchern verleiht, wirksam schützt.
Der EuGH verneint dies.
Die Gründe:
In Ermangelung einer zuvor vorgenommenen Prüfung der Missbräuchlichkeit der fraglichen Klauseln verpflichtet das Unionsrecht das Insolvenzgericht, die entsprechende Beurteilung von Amts wegen vorzunehmen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Mit der Notwendigkeit, den Insolvenzrichter zu befassen, wäre die Gefahr verbunden, dass der Abschluss des Insolvenzverfahrens verzögert und die Dauer der prekären finanziellen Lage des insolventen Verbrauchers verlängert wird. Dadurch könnte er davon abgehalten werden, seine sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte auszuüben, was die Anwendung des Unionsrechts übermäßig erschweren würde.
Die Tatsache, dass die Forderungstabelle rechtskräftig geworden ist, steht einer solchen Prüfung nicht zwangsläufig entgegen. Dies ist durch das öffentliche Interesse am Verbraucherschutz, wie er durch das Unionsrecht gewährleistet wird, gerechtfertigt. Das Insolvenzgericht muss auch vorläufige Maßnahmen treffen können, die die volle Wirksamkeit dieses Schutzes gewährleisten. Im Hinblick auf die vorliegende Rechtssache wird es zu beurteilen haben, ob hierfür eine Maßnahme erforderlich ist, mit der die vom Lohn des insolventen Verbrauchers einbehaltenen Beträge bis zur Entscheidung über die Missbräuchlichkeit der Klauseln des fraglichen Vertrags herabgesetzt werden.
Beratermodul ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Otto Schmidt Answers optional dazu buchen und die KI 4 Wochen gratis nutzen! Die Answers-Lizenz gilt für alle Answers-fähigen Module, die Sie im Abo oder im Test nutzen. 4 Wochen gratis nutzen!