16.04.2013

Gesamtbild - nicht einzelne Formulierung - eines Prospekts bei der Beurteilung von Fehlern maßgeblich

Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist (hier: Reihenfolge der Haftung des Gesellschaftsgrundstücks und der quotal haftenden Gesellschafter eines Immobilienfonds), ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung abzustellen. Vielmehr ist das Gesamtbild des Prospekts maßgeblich, das dieser dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt.

BGH 5.3.2013, II ZR 252/11
Der Sachverhalt:
Der Kläger beteiligte sich im Dezember 1993 auf der Grundlage eines Prospekts mit insgesamt 105.000 DM an dem B. Invest-Fonds Nr. 7, einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR. In dem Prospekt heißt es unter der Überschrift "Die rechtlichen Grundlagen der Investition":
Die Haftung der Gesellschafter
Die Gesellschafter haften gegenüber Gläubigern der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft. Diese Haftungsbeschränkung hat die Geschäftsführung/der Geschäftsbesorger der Gesellschaft durch Aufnahme entsprechender Vereinbarungen in die Verträge mit Dritten sicherzustellen. Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst das Grundstück wie auch für öffentliche Lasten insgesamt. Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung.

Die GbR nahm zur Objektfinanzierung Kredite auf, die durch Grundschulden besichert wurden. In den Darlehensverträgen mit den finanzierenden Banken wurde die persönliche Haftung der Gesellschafter in einer ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Höhe vereinbart. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten beschlossen die Gesellschafter im Jahr 2009, die Fondsimmobilie zu verkaufen und die Gesellschaft zu liquidieren. Der aus dem Verkauf erzielte Kaufpreis wurde zur teilweisen Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten verwendet. Der Kläger zahlte den nach der vorläufigen Berechnung auf ihn entfallenden Verlustanteil von rd. 68.000 € und 2010 weitere rd. 15.000 €.

Der Kläger nimmt den Beklagten als Gründungsgesellschafter nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne auf Schadensersatz in Anspruch mit der Behauptung, der Prospekt sei fehlerhaft, weil er die Haftung der Anleger gegenüber den Gläubigern unzutreffend darstelle. Anders als in den Darlehensverträgen vereinbart, werde in dem Prospekt der Eindruck erweckt, dass das Fondsgrundstück für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft vorrangig hafte und die Gesellschafter persönlich erst nach seiner Verwertung in Anspruch genommen werden könnten.

Das LG wies die Klage ab; das KG gab ihr statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Das KG hat rechtsfehlerhaft einen Prospektfehler angenommen. Wie der Senat für die gleichlautende Formulierung in den Prospekten anderer Immobilienfonds und nach Erlass des angefochtenen Urteils auch für den hier betroffenen Fonds (Beschluss vom 13.11.2012, II ZR 23/12) ausgesprochen hat, kann dem verwendeten Prospekt entgegen der Auffassung des KG nicht entnommen werden, dass die Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen erst nach der Verwertung des Fondsgrundstücks haften.

Die vom Kläger beanstandete Formulierung ruft unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes bei einem Anlageinteressenten nicht die unzutreffende Vorstellung hervor, dass er von den durch ein Grundpfandrecht gesicherten Banken erst nach Verwertung des Gesellschaftsgrundstücks aus seiner persönlichen Haftung in Anspruch genommen werden kann. Der Senat konnte die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des KG hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht.

Entgegen der Auffassung des KG legt der Begriff "zunächst" schon für sich betrachtet nicht ohne weiteres nahe, dass die Bank zuerst das Fondsgrundstück verwerten muss und die Gesellschafter persönlich erst nach dessen Verwertung in der Liquidation der Gesellschaft in Anspruch nehmen kann. Dem Wort "zunächst" kommt nicht nur die Bedeutung "zeitlich vorrangig" zu, sondern es kann auch im Sinne einer abstrakten Reihenfolge bzw. einer Aufzählung zu verstehen sein. So verhält es sich hier. Wie die Revision mit Recht geltend macht, spricht der Umstand, dass auf die Verwendung des Begriffs "zunächst" mit "darüber hinaus" fortgefahren wird und keine zeitliche oder eine bestimmte Reihenfolge beschreibende Anknüpfung wie "erst dann" oder "danach" folgt, gegen das Verständnis der Formulierung im Sinne einer vorrangigen Verwertung des Fondsgrundstücks.

Jedenfalls scheidet die Annahme eines Prospektfehlers unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes aus. Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt. Gemessen daran kann dem Prospekt nicht entnommen werden, dass die Gesellschafter erst nach der Verwertung des Fondsgrundstücks haften.

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