31.03.2014

Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs der Seekabotage gilt auch für Seekreuzfahrtdienste

Der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs der Seekabotage, der auf Unionsreeder anwendbar ist, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind, gilt auch für Seekreuzfahrtdienste. Der Begriff "See" i.S.d. Verordnung über die Seekabotage beschränkt sich nicht auf das Küstenmeer i.S.d. Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, sondern auch die Binnenseegewässer umfasst, die jenseits der Basislinie des Küstenmeeres liegen.

EuGH 27.3.2014, C-17/13
Hintergrund:
Nach der Verordnung über die Seekabotage gilt seit Januar 1993 der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr in den Mitgliedstaaten für Unionsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge dieses Staates fahren, sofern diese Schiffe die vom nationalen Recht verlangten Voraussetzungen im Bereich der Kabotage erfüllen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerinen - Alpina River Cruises GmbH (eine Schweizer Gesellschaft) und die Nicko Tours GmbH (eine deutsche Gesellschaft) - sind Reeder bzw. Nutzerin des Schweizer Touristenschiffs "Bellissima". Sie wollten eine ca. einwöchige Kreuzfahrt von Venedig aus organisieren und hatten dabei geplant, die Lagune von Venedig bis Chioggia und dann das Küstenmeer zwischen Chioggia und Porto Levante zu durchqueren, bevor sie ca. 60 km den Fluss Po flussaufwärts fahren und auf umgekehrtem Weg nach Venedig zurückkehren wollten.

Der Antrag auf Genehmigung der Durchquerung des Meeresabschnitts wurde von der Hafenbehörde Chioggia mit der Begründung abgelehnt, dass die Seekabotage nach italienischem Recht unter der Flagge eines Mitgliedstaats der EU fahrenden Schiffen vorbehalten sei. Die Klägerinnen klagten gegen diese Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht der Region Venetien und dann vor dem italienischen Staatsrat. Sie meinen, nach dem Unionsrecht gelte der Begriff "Seekabotage" nur für Dienste, die eine echte Beförderung auf dem Seeweg beinhalteten. Die Kreuzfahrt sei keine solche Beförderung, denn - abgesehen von der kurzen Durchfahrt des Küstenmeeres zwischen Chioggia und Porto Levante - werde sie in Binnengewässern durchgeführt.

Der Staatsrat legte dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage vor, ob eine Kreuzfahrt, die mit denselben Passagieren in demselben Hafen eines Mitgliedstaats beginnt und endet, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

Die Gründe:
Die Verordnung betrifft nur Verkehrsdienstleistungen, die innerhalb eines Mitgliedstaats (Kabotage) zur See erfolgen. Folglich wird der Transport auf einer Wasserstraße in einem Mitgliedstaat nicht von dieser Verordnung geregelt, wenn er nicht auf dem Seeweg erfolgt.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Frage ab, ob die in Rede stehende Kreuzfahrt eine Seekabotage darstellt. Vorliegend ist es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht ersichtlich, dass die betreffende Kreuzfahrt im Wesentlichen nicht auf See stattfindet. Neben dem Abschnitt zwischen Chioggia und Porto Levante sind - vorbehaltlich der Überprüfung durch das nationale Gericht - auch andere Teile der Route, wie die in der Lagune von Venedig und im Po-Delta befahrenen Schifffahrtszonen, Teil des innerhalb der Küstenlinie gelegenen italienischen Meeresgewässers.

Der Begriff "See" i.S.d. Verordnung beschränkt sich nicht auf das Küstenmeer i.S.d. Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, sondern auch die Binnenseegewässer umfasst, die jenseits der Basislinie des Küstenmeeres liegen. Schließlich fällt jeder gegen Entgelt in den Meeresgewässern eines Mitgliedstaats erbrachte Kreuzfahrtdienst unabhängig davon unter die Verordnung, dass die Kreuzfahrt mit denselben Passagieren in ein und demselben Hafen beginnt und endet.

Daher unterliegt eine Seeverkehrsdienstleistung, die in Form einer Kreuzfahrt organisiert wird und mit denselben Passagieren in demselben Hafen eines Mitgliedstaats beginnt und endet, der Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage).

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 41 vom 27.3.2014
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