23.01.2024

Haftet die depotführende Bank für Verluste eines Anlegers durch Wertpapiertransaktionen mit Aktien der Wirecard AG?

Das LG Koblenz hat die Schadensersatzforderung eines Anlegers gegen die depotführende Bank wegen des Verlusts durch Wertpapiertransaktionen mit Aktien der Wirecard AG abgewiesen. Der Depotvertrag habe keine umfassende fortdauernde Vermögenssorge oder Beratungspflicht über tatsächliche Begebenheiten auf dem Kapitalmarkt beinhaltet.

LG Koblenz v. 22.12.2023 - 3 O 180/23
Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten ein Wertpapierdepot. Im Rahmen dieses Depots hielt er Aktien der Wirecard AG. Zuletzt kaufte er am 30.4.2020 312 weitere Aktien der Wirecard AG zu einem Kurs von 95 €. Er hielt sodann insgesamt 1.232 Stück mit einem damaligen Kurswert von insgesamt 117.040 €. Am 18.9.2020 verkaufte der Kläger seinen gesamten Bestand an Wirecard-Aktien Stück zum Kurs von 0,83 €, sodass er einen Erlös in Höhe von 1.022 € erzielte.

Die Beklagte unterhielt Geschäftsbeziehungen zur Wirecard AG, u.a. durch die Gewährung von Darlehen. Im Januar 2019 führte die Beklagte eine "Targeted Investigation" der Wirecard AG durch und übermittelte daraufhin am 26.2.2019 an die FIU (Financial Intelligence Unit, nationale Zentralstelle des Bundeszollamtes für die Entgegennahme, Sammlung und Auswertung von Meldungen über verdächtige Finanztransaktionen, die im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (vgl. § 89c, StGB) stehen könnten) als zuständige Behörde 345 auffällige Verdachtsfälle mit Spuren aus der Zeit vom März 2013 bis Januar 2019.

Am 18.6.2020 erstattete die BaFin Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Bilanzbetrug durch unrichtige Information in den Jahresabschlüssen 2016-2018.

Am 25.6.2020 stellte die Wirecard AG Insolvenzantrag, woraufhin über das Vermögen der Wirecard AG wurde am 25.8.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Der Kläger bringt vor, dass die Beklagte weiterhin Kaufempfehlungen für die Wirecard-Aktie ausgesprochen habe, obwohl sie selbst im Mai intern beschlossen habe, ihre Geschäftsverbindungen zu der Wirecard AG zu beenden.

Zudem ist der Kläger der Ansicht, dass es die Beklagte durch ihren Vorstand pflichtwidrig unterlassen habe Informationen, welche zu einem abrupten Ende der Geschäftsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Wirecard AG geführt haben, an ihre Depotkunden weiterzugeben. Die Beklagte sei rechtlich verpflichtet gewesen, eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung nach Art. 17 Abs. 1 MAR, § 26 WpHG zu veröffentlichen.

Der Kläger ist daher der Meinung, dass die Beklagte den ihm insoweit hinsichtlich der Kursverluste der Wirecard AG entstandenen Schaden zu ersetzen haben. Ein solcher Anspruch folge dabei sowohl aus einer (Neben)-Pflichtverletzung zum Depotvertrag sowie direkt aus §§ 97, 98 WpHG. Der Kläger beziffert dabei den ihm entstandenen Schaden auf 165.100 €, wobei er hiervon im Wege der Teilklage lediglich einen Betrag in Höhe von 60.000 € geltend macht.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Die Gründe:
Es besteht kein Anspruch gem. §§ 280, 241 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien bestehenden Depotvertrag. Insbesondere hat der Depotvertrag keine umfassende fortdauernde Vermögenssorge oder Beratungspflicht über tatsächliche Begebenheiten auf dem Kapitalmarkt zum Gegenstand. Der Kunde bleibt für seine Anlageentscheidungen selbst verantwortlich.

Zudem ist durch den Kläger nicht schlüssig vorgetragen worden, welche Informationen die Beklagte ihm vorenthalten haben soll.

Soweit der Kläger ein abruptes Ende der Geschäftsbeziehung der Beklagten zur Wirecard AG vorgetragen hat, ist zu berücksichtigen, dass es der Beklagten gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 GWG untersagt gewesen ist, den Vertragspartner, den Auftraggeber der Transaktion oder sonstige Dritte von einer beabsichtigten oder erstatteten Meldung an die Financial Intelligence Unit nach § 43 Absatz 1 GWG in Kenntnis zu setzen.

Es ergibt sich auch kein Anspruch aus §§ 97, 98 WpHG, weil deren Anwendungsbereich in Bezug auf die Beklagte nicht eröffnet ist.

Nach § 97 WpHG ist ein Emittent, der für seine Finanzinstrumente die Zulassung zum Handel an einem inländischen Handelsplatz genehmigt oder an einem inländischen regulierten Markt oder multilateralen Handelssystem beantragt hat, einem Dritten zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet, der dem Dritten dadurch entsteht, dass der Emittent es unterlässt, unverzüglich eine Insiderinformation, die ihn unmittelbar betrifft, nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 zu veröffentlichen. § 98 WpHG wiederum normiert vergleichbare Pflichten, falls es sich um unwahre Informationen handelt.

Vorliegend hat der Kläger jedoch kein Finanzinstrument der Beklagten, sondern Aktien der Wirecard AG erworben. Soweit in der Literatur teilweise eine allgemeine gesetzliche Vertrauenshaftung für das Inverkehrbringen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen angenommen wird, folgt das Gericht einem solchen Ansatz nicht.

Aus den gleichen rechtlichen Gesichtspunkten scheitert auch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 26 WpHG oder Art. 17 MAR.

Mehr zum Thema:

Kurzbeitrag:
OLG Frankfurt: Keine Haftung der BAFin gegenüber Anlegern wegen Amtspflichtverletzung im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal
VersR 2023, R4

Rechtsprechung:
Haftung der Depotbank des Verkäufers bei Cum/ex-Aktiengeschäft für Steuernachforderungen und der strafrechtlichen Einziehung unterliegender Beträge
OLG Frankfurt a. M. vom 2.3.2022 - 17 U 108/20
WM 2022, 1176

Aufsatz:
Nochmals: Kein Nachrang kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche in der Insolvenz des Emittenten
Georg Bitter / Marcel Jochum, ZIP 2023, 277

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