03.03.2020

Hypothekendarlehensvertrag: Überprüfung einer Klausel zu variablem Zinssatz auf Grundlage des Index der spanischen Sparkassen

Die spanischen Gerichte müssen die Klausel in Hypothekendarlehensverträgen, der zufolge ein variabler Zinssatz auf der Grundlage des Index der spanischen Sparkassen anzuwenden ist, auf Klarheit und Verständlichkeit überprüfen. Wenn die Gerichte diese Klausel für missbräuchlich halten, können sie, um den Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen der Nichtigkeit des Darlehensvertrags zu schützen, an die Stelle dieses Index einen im spanischen Recht vorgesehenen Ersatzindex setzen.

EuGH v. 3.3.2020 - C-125/18
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft ein Vorabentscheidungsersuchen eines spanischen Gerichts erster Instanz. Der Kläger erhob vor diesem Gericht Klage wegen angeblicher Missbräuchlichkeit einer Klausel über den variablen Satz der auf das Kapital anfallenden Zinsen, die in dem Hypothekendarlehensvertrag enthalten ist, den er mit der beklagten Bank Bankia SA abgeschlossen hatte. Nach dieser Klausel ändert sich der Satz der vom Verbraucher zu entrichtenden Zinsen in Abhängigkeit vom Referenzindex. Dieser Referenzindex war von den nationalen Vorschriften vorgesehen und konnte von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen angewandt werden.

Das spanische Gericht hebt hervor, dass die Indexierung der variablen Zinsen auf der Grundlage des Referenzindex ungünstiger gewesen sei als die Indexierung anhand des Durchschnittssatzes des europäischen Interbankenhandels (Euribor), der bei 90 % der in Spanien abgeschlossenen Hypothekendarlehen verwendet werde, und zu Mehrkosten von rund 18.000 bis 21.000 € pro Darlehen führe.

Die Gründe:
Die Klausel eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Hypothekendarlehensvertrags, der zufolge sich der Satz des vom Verbraucher zu entrichtenden Zinses in Abhängigkeit vom auf den Hypothekendarlehen der spanischen Sparkassen beruhenden, vom spanischen Recht vorgesehenen Referenzindex ändert, fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln. Diese Klausel beruht nicht auf bindenden Rechtsvorschriften i.S.v. von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie. Die spanischen Gerichte müssen eine solche Klausel auf Klarheit und Verständlichkeit unabhängig davon überprüfen, ob das spanische Recht von der den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie gebotenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, vorzusehen, dass sich die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel insbesondere nicht auf den Hauptgegenstand des Vertrags erstreckt. Kommen die Gerichte zu dem Ergebnis, dass diese Klausel missbräuchlich ist, können sie, um den Verbraucher vor besonders nachteiligen Folgen zu schützen, die sich aus einer Nichtigkeit des Darlehensvertrags ergeben können, an die Stelle dieses Index einen im spanischen Recht vorgesehenen Ersatzindex setzen.

Klauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Allerdings sah die im vorliegenden Fall anwendbare nationale Regelung für Darlehen mit variablem Zinssatz die Verwendung eines offiziellen Referenzindex nicht zwingend vor, sondern legte lediglich die Voraussetzungen fest, die die Referenzindizes oder -zinssätze erfüllen mussten, damit sie von den Kreditinstituten verwendet werden konnten. Die Klausel eines Hypothekendarlehensvertrags, der zufolge der auf das Darlehen anwendbare Zinssatz auf einem der in den nationalen Vorschriften vorgesehenen offiziellen Referenzindizes beruht, die von den Kreditinstituten auf Hypothekendarlehen angewandt werden können, fällt demnach in den Anwendungsbereich der Richtlinie, wenn diese Vorschriften weder die unabdingbare Anwendung dieses Index noch seine dispositive Anwendung mangels einer abweichenden Vereinbarung der Vertragsparteien vorsehen.

Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie sieht vor, dass die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Klauseln insbesondere nicht den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind. Das spanische Gericht wollte wissen, ob es für ein nationales Gericht selbst dann, wenn diese Richtlinienbestimmung nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, möglich ist zu prüfen, ob eine Klausel wie die streitige dem Transparenzerfordernis der Richtlinie genügt. Hierzu ist festzuhalten, dass Vertragsklauseln stets dem Erfordernis genügen müssen, klar und verständlich abgefasst zu sein. Dieses Erfordernis gilt auch dann, wenn eine Klausel in den Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschrift fällt, und selbst dann, wenn der betreffende Mitgliedstaat, hier Spanien, diese Vorschrift nicht in seine Rechtsordnung umgesetzt hat. Folglich muss ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Vertragsklausel, die den Hauptgegenstand des Vertrags betrifft, stets auf Klarheit und Verständlichkeit überprüfen.

Eine Vertragsklausel, mit der in einem Hypothekendarlehensvertrag ein variabler Zinssatz festgelegt wird, muss zur Einhaltung des Transparenzerfordernisses im Sinne der Richtlinie nicht nur in formeller und grammatikalischer Hinsicht nachvollziehbar sein, sondern sie muss es außerdem ermöglichen, dass ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher in die Lage versetzt wird, zu verstehen, wie dieser Zinssatz konkret berechnet wird, und somit auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien die möglicherweise beträchtlichen wirtschaftlichen Folgen einer solchen Klausel für seine finanziellen Verpflichtungen einzuschätzen. Hierfür in besonderer Weise maßgebend sind zum einen der Umstand, dass die Hauptelemente zur Berechnung des Zinssatzes für jedermann, der den Abschluss eines Hypothekendarlehens beabsichtigt, aufgrund der Veröffentlichung der Berechnungsmethode des fraglichen Satzes im Amtsblatt des betreffenden Mitgliedstaats leicht zugänglich sind, und zum anderen die Bereitstellung von Informationen über die frühere Entwicklung des Index, auf dessen Grundlage der genannte Zinssatz berechnet wird.

Hinsichtlich der Befugnisse des nationalen Richters bei der Feststellung der etwaigen Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel i.S.d. Richtlinie ist festzustellen, dass diese es einem nationalen Gericht nicht verwehrt, unter Anwendung vertragsrechtlicher Grundsätze eine missbräuchliche Klausel eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags aufzuheben und sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts in Situationen zu ersetzen, in denen die Ungültigerklärung einer solchen Klausel das Gericht zwingen würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, was für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen hätte. Eine solche Nichtigerklärung des Vertrags könnte nämlich grundsätzlich zur Folge haben, dass der noch offene Darlehensbetrag sofort in einem Umfang fällig wird, der die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verbrauchers möglicherweise übersteigt, und würde daher eher diesen als den Darlehensgeber bestrafen, der infolgedessen nicht davon abgeschreckt würde, solche Klauseln in die von ihm angebotenen Verträge aufzunehmen.

Vorliegend hat der spanische Gesetzgeber seit dem Abschluss des streitigen Darlehensvertrags einen Ersatzindex eingeführt, der vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht dispositiven Charakter hat. Unter diesen Voraussetzungen verwehrt es die Richtlinie dem nationalen Richter nicht, bei Nichtigkeit einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die zur Berechnung der variablen Zinsen eines Darlehens einen Referenzindex festlegt, diesen Index durch den genannten Ersatzindex, der in Ermangelung einer anderweitigen Vereinbarung der Vertragsparteien anwendbar ist, zu ersetzen, sofern der fragliche Hypothekendarlehensvertrag bei Wegfall der genannten missbräuchlichen Klausel nicht fortbestehen kann und die Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher besonders nachteilige Folgen haben könnte.
EuGH PM Nr. 23 vom 3.3.2020
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