Immobilien: Ordnungsgemäßheit der Angabe über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung
BGH v. 21.10.2025 - XI ZR 187/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte am 17.12.2018 mit der Beklagten zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettobetrag i.H.v. 290.000 € mit einem bis zum 30.11.2051 gebundenen Sollzinssatz von 2,36% p.a. und einer Laufzeit von 33 Jahren geschlossen. Als Sicherheit diente eine Grundschuld an der Eigentumswohnung.
Für die anlässlich der Veräußerung der besicherten Immobilie auf Wunsch der Klägerin erfolgte vorzeitige Darlehensrückzahlung stellte ihr die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 32.983 € zzgl. 200 € Bearbeitungskosten in Rechnung. Die Klägerin entrichtete den Gesamtbetrag unter Vorbehalt. Ihr Rückforderungsverlangen lehnte die Beklagte mit Hinweis auf Seite 6 und 7 des Darlehensvertrags mit der Überschrift "Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung" ab.
Das LG wies die auf Zahlung von 33.183 € gerichtete Klage ab. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Und auch die Revision der Klägerin vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigung nicht nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen war und die Klägerin diese deshalb nicht ohne rechtlichen Grundgezahlt hatte.
In einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss der Darlehensnehmer gem. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB klar und verständlich über die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung informiert werden. Ist die Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, ist gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es nach ständiger Senatsrechtsprechung, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (Senatsurteile v. 3.12.2024 - XI ZR 75/23 und v. 20.5.2025 - XI ZR 22/24). Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel ist nicht erforderlich. Abzustellen ist auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher.
Infolgedessen informierte die streitgegenständliche Klausel über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht unzureichend i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Im Eingangssatz der Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung auf Seite 6 des Darlehensvertrags legte sich die Beklagte auf die vom BGH für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode fest (vgl. Senatsurteil v. 12.3.2024 - XI ZR 159/23). Die nähere Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode war für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher im Hinblick auf den für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblichen Zeitraum weder unrichtig noch irreführend.
Der Darlehensvertrag enthielt auf Seite 6 f. unter der Überschrift "Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung" die inhaltlich richtige Information, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung "zunächst" der Zeitraum der vereinbarten Sollzinsbindung maßgebend ist, dies aber zugleich für den Fall, dass "die Sollzinsbindungszeit über den Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung der Bank" hinausgeht, dahin eingeschränkt wird, dass dann "auf den letzten Tag der rechtlich geschützten Zinserwartung der Bank abgestellt" wird. Der Verbraucher kann dem entnehmen, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die rechtlich geschützte Zinserwartung entscheidend ist. Es ist nicht erforderlich, den Begriff der rechtlich geschützten Zinserwartung zu definieren
Schließlich hatte die Klägerin ohne Erfolg die Angabe zur Erhebung von Bearbeitungskosten und deren Geltendmachung seitens der Beklagten beanstandet. Nach BGH-Rechtsprechung kann eine kreditgebende Bank den mit der vorzeitigen Abrechnung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand in die Vorfälligkeitsentschädigung einrechnen (Senatsurteile v. 1.7.1997 - XI ZR 267/96 und v. 5.11.2019 - XI ZR 650/18). Dieser ist Bestandteil des finanziellen Nachteils, der ihr durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, und spiegelbildlich das Gegenstück zur Kürzung der Vorfälligkeitsentschädigung um die Verwaltungskosten, die noch während der weiteren Darlehenslaufzeit angefallen wären. Daran hat sich mit der Einführung des § 493 Abs. 5 BGB nichts geändert.
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Die Klägerin hatte am 17.12.2018 mit der Beklagten zur Finanzierung des Erwerbs einer Eigentumswohnung einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettobetrag i.H.v. 290.000 € mit einem bis zum 30.11.2051 gebundenen Sollzinssatz von 2,36% p.a. und einer Laufzeit von 33 Jahren geschlossen. Als Sicherheit diente eine Grundschuld an der Eigentumswohnung.
Für die anlässlich der Veräußerung der besicherten Immobilie auf Wunsch der Klägerin erfolgte vorzeitige Darlehensrückzahlung stellte ihr die Beklagte eine Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 32.983 € zzgl. 200 € Bearbeitungskosten in Rechnung. Die Klägerin entrichtete den Gesamtbetrag unter Vorbehalt. Ihr Rückforderungsverlangen lehnte die Beklagte mit Hinweis auf Seite 6 und 7 des Darlehensvertrags mit der Überschrift "Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung" ab.
Das LG wies die auf Zahlung von 33.183 € gerichtete Klage ab. Das OLG hat die Entscheidung bestätigt. Und auch die Revision der Klägerin vor dem BGH blieb erfolglos.
Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigung nicht nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen war und die Klägerin diese deshalb nicht ohne rechtlichen Grundgezahlt hatte.
In einem Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss der Darlehensnehmer gem. Art. 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB klar und verständlich über die Voraussetzungen und die Berechnungsmethode für den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung informiert werden. Ist die Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend, ist gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen. § 502 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Darlehensgeber im Fall der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen kann, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Weitergehende Vorgaben zur Berechnungsmethode lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen.
Im Hinblick auf eine hinreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Berechnungsmethode genügt es nach ständiger Senatsrechtsprechung, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (Senatsurteile v. 3.12.2024 - XI ZR 75/23 und v. 20.5.2025 - XI ZR 22/24). Die Darstellung einer finanzmathematischen Berechnungsformel ist nicht erforderlich. Abzustellen ist auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher.
Infolgedessen informierte die streitgegenständliche Klausel über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht unzureichend i.S.d. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Im Eingangssatz der Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung auf Seite 6 des Darlehensvertrags legte sich die Beklagte auf die vom BGH für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Berechnungsmethode fest (vgl. Senatsurteil v. 12.3.2024 - XI ZR 159/23). Die nähere Erläuterung der Aktiv-Passiv-Methode war für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher im Hinblick auf den für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung maßgeblichen Zeitraum weder unrichtig noch irreführend.
Der Darlehensvertrag enthielt auf Seite 6 f. unter der Überschrift "Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung" die inhaltlich richtige Information, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung "zunächst" der Zeitraum der vereinbarten Sollzinsbindung maßgebend ist, dies aber zugleich für den Fall, dass "die Sollzinsbindungszeit über den Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung der Bank" hinausgeht, dahin eingeschränkt wird, dass dann "auf den letzten Tag der rechtlich geschützten Zinserwartung der Bank abgestellt" wird. Der Verbraucher kann dem entnehmen, dass für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die rechtlich geschützte Zinserwartung entscheidend ist. Es ist nicht erforderlich, den Begriff der rechtlich geschützten Zinserwartung zu definieren
Schließlich hatte die Klägerin ohne Erfolg die Angabe zur Erhebung von Bearbeitungskosten und deren Geltendmachung seitens der Beklagten beanstandet. Nach BGH-Rechtsprechung kann eine kreditgebende Bank den mit der vorzeitigen Abrechnung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand in die Vorfälligkeitsentschädigung einrechnen (Senatsurteile v. 1.7.1997 - XI ZR 267/96 und v. 5.11.2019 - XI ZR 650/18). Dieser ist Bestandteil des finanziellen Nachteils, der ihr durch die vorzeitige Ablösung eines Darlehens entsteht, und spiegelbildlich das Gegenstück zur Kürzung der Vorfälligkeitsentschädigung um die Verwaltungskosten, die noch während der weiteren Darlehenslaufzeit angefallen wären. Daran hat sich mit der Einführung des § 493 Abs. 5 BGB nichts geändert.
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