21.11.2017

Inhaltlich nicht ordnungsgemäßer Zusatz bei formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügender Widerrufsbelehrung

Eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten.

BGH 10.10.2017, XI ZR 443/16
Der Sachverhalt:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers. Die Parteien schlossen im März 2007 zwecks Finanzierung einer Immobilie einen Darlehensvertrag über 73.000 € zu einem für 15 Jahre festen jährlichen Nominalzinssatz. In dem Darlehensformular war folgender, drucktechnisch nicht besonders hervorgehobener "Wichtige Hinweis" mitabgedruckt: "Dieser Darlehensvertrag wird zunächst nur vom Darlehensnehmer unterzeichnet und stellt lediglich ein verbindliches Darlehensangebot seitens des Darlehensnehmers an die [...] [Beklagte] dar. Der Darlehensvertrag kommt erst durch Unterzeichnung durch die [...] [Beklagte] zustande; erst dann besteht der Anspruch auf Auszahlung des Darlehens". Die Beklagte belehrte den Kläger über sein Widerrufsrecht.

Im April 2010 übernahm die EAA die vertraglichen Rechte und Pflichten aus bestimmten von der Beklagten geschlossenen Darlehensverträgen, zu denen nach dem Vortrag der Beklagten auch der mit dem Kläger geschlossene Darlehensvertrag gehörte. Im Mai 2010 teilten mit gesonderten Schreiben sowohl die Beklagte als auch die EAA dem Kläger sinngemäß mit, die vertraglichen Rechte und Pflichten der Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit dem Kläger seien von der EAA übernommen worden. Die Beklagte führte weiter aus, für den Kläger ändere sich "nicht viel": Sein Vertrag werde "zu gleichen Bedingungen mit der gleichen Darlehensnummer fortgeführt und die Bearbeitung" erfolge "weiterhin" durch die Beklagte.

Im Dezember 2013 erfragte der Kläger bei der Beklagten die Konditionen einer vorzeitigen Rückführung des Darlehens für den Fall der Veräußerung der Immobilie. Die Beklagte teilte dem Kläger unter dem Briefkopf "W. Im Auftrag der EAA" mit, sie sei "mit der vorzeitigen Rückzahlung des o.g. Darlehens bei Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung einverstanden, wenn das Finanzierungsobjekt verkauft" werde. Außerdem kündigte sie die Berechnung einer "Bearbeitungsgebühr" an. Mit Schreiben von Juni 2014 widerrief der Kläger gegenüber der Beklagten seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf zurück.

Das LG wies die Klage, mit der der Kläger u.a. Neuabrechnung der "Darlehensverträge" und Zahlung des sich aus der Neuabrechnung zugunsten des Klägers ergebenden Differenzbetrags geltend machte, unter Verweis auf die Grundsätze von Treu und Glauben ab. Das OLG verurteilte die Beklagte, an den Kläger rd. 11.000 € und weitere 150 € nebst Zinsen sowie für die außergerichtliche Rechtsverfolgung an den Kläger rd. 1.800 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Ausführungen der OLG halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Zutreffend ist das OLG noch davon ausgegangen, der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung gegenüber der Beklagten als richtiger Erklärungsgegnerin widerrufen. Aus dem von der Beklagten vorgelegten eigenen Schreiben vom Mai 2010 ergibt sich, dass die Beklagte auch nach einem Übergang des Darlehensverhältnisses auf die EAA weiter jedenfalls als deren Erklärungsempfängerin fungieren wollte und sollte. Damit war sie richtige Adressatin des vom Kläger erklärten Widerrufs. Die Erwägungen, mit denen das OLG im Falle der wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts die Beklagte für die Schuldnerin der aus dem Rückabwicklungsverhältnis resultierenden Ansprüche gehalten hat, weisen indessen Rechtsfehler auf.

So hält insbesondere die Folgerung des OLG, die Beklagte habe den Kläger unzureichend über das ihm zukommende Widerrufsrecht belehrt, so dass die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs noch nicht abgelaufen gewesen sei, revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen dem Vorbringen der Revisionserwiderung war die Widerrufsbelehrung den Abschluss des Darlehensvertrags als Fernabsatzgeschäft unterstellt auch nicht in einer Zusammenschau mit dem "Wichtige[n] Hinweis" undeutlich. Der vorformulierte Hinweis war aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden verständlich. Darüber hinaus wird eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, wie hier drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten.

Anhand der neueren Senatsrechtsprechung als rechtsfehlerhaft erweisen sich außerdem die Erwägungen, mit denen das OLG eine Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat. Dass die Beklagte davon ausging oder ausgehen musste, der Kläger habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schloss entgegen der Rechtsmeinung des OLG eine Verwirkung nicht aus. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Beklagte "die Situation selbst herbeigeführt hat", weil sie eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat. Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen wie hier kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren. Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht.

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