14.08.2018

Inkasso: Zahlungsaufforderung und Androhung gerichtlicher Schritte sowie anschließender Vollstreckungsmaßnahmen zulässig

Das Schreiben eines Inkassounternehmens, das eine Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen enthält, stellt keine wettbewerbswidrige aggressive geschäftliche Handlung dar. Das gilt jedenfalls dann, wenn nicht verschleiert wird, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen kann, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden.

BGH 22.3.2018, I ZR 25/17
Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Bayern. Die Beklagte betreibt ein Inkassounternehmen. Sie verwendet zur Eintreibung von Forderungen gegenüber Verbrauchern Schreiben, in denen sie die Verbraucher unter Androhung gerichtlicher Schritte und von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Zahlung auffordert und ihnen verschiedene Zahlungsvarianten anbietet. Die Klägerin meint, die Beklagte beeinträchtige mit diesen Zahlungsaufforderungen in wettbewerbswidriger Weise die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern durch Druck.

Die Klägerin mahnte die Beklagte wegen entsprechender Zahlungsaufforderungen von 23.4 und 23.3.2015 und wegen einer diesen beiden Schreiben jeweils beigefügten vorformulierten Anerkenntniserklärung und Ratenzahlungsvereinbarung erfolglos ab. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern im Rahmen der Geltendmachung von Forderungen Dritter die Aussage zu verwenden:

"Letztmalig geben wir Ihnen die Möglichkeit, Ihre Forderungsangelegenheit ohne negative Auswirkungen für Sie zu erledigen. Die Gesamtforderung beträgt derzeit € __ und wächst durch Zinsen und Gebühren laufend an. Dieser Betrag erhöht sich nochmals erheblich, sobald wir einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen Sie veranlassen. Nutzen Sie diese Chance und ersparen Sie sich gerichtliche Schritte und den Besuch des Gerichtsvollziehers oder Pfändungsmaßnahmen auf Konten und Einkünfte. [Zahlungsaufforderung vom 23.4.2015, Anlage K1]

Die Einleitung gerichtlicher Schritte steht unmittelbar bevor. Nach Erwirkung eines Vollstreckungstitels besteht 30 Jahre lang die Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung gegen Sie zu betreiben: Gerichtsvollzieher, Lohnpfändung, Kontopfändung, Haftbefehl, eidesstattliche Versicherung etc. Zusätzlich sind die durch diese Maßnahmen entstehenden Kosten gem. §§ 284, 286 BGB von Ihnen zu tragen. Die derzeit offene Gesamtforderung von € __ wird sich dadurch weiter erhöhen. [Zahlungsaufforderung vom 23.3.2015, Anlage K2]

wie in den Anschreiben gem. Anlage K1 und K2

und/oder

eine vorformulierte Anerkenntnis- und Ratenzahlungsvereinbarung zu übersenden wie gem. Anlage K3."

Außerdem hat sie die Erstattung von Abmahnkosten i.H.v. 238 € nebst Zinsen begehrt.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung (§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG) und Erstattung von Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG) nicht zu. Die beanstandeten Schreiben stellen keine wettbewerbswidrige aggressive geschäftliche Handlung i.S.v. § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1 UWG a.F. und § 3 Abs. 1, § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG dar.

Das OLG hat zu Recht in dem Inhalt der Zahlungsaufforderung vom 23.4.2015 keine unzulässige Beeinflussung des angesprochenen Verbrauchers gesehen. Das OLG ist davon ausgegangen, dass die Beklagte als Inkassounternehmen gegenüber Verbrauchern eine Machtposition innehat, die es ihr ermöglicht, auf einen Schuldner Druck auszuüben. Es hat weiter angenommen, das Schreiben der Beklagten übe wegen der darin enthaltenen Drohung mit gerichtlichen Schritten und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tatsächlich auch Druck aus. Diese Beurteilung des OLG lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Danach nutzt die Beklagte als Unternehmerin eine Machtposition gegenüber Verbrauchern zur Ausübung von Druck aus. Das OLG hat ebenso zu Recht angenommen, das Schreiben der Beklagten vom 23.4.2015 beeinflusse die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers nicht in unzulässiger Weise.

Eine unzulässige Beeinflussung liegt vor, wenn die Machtposition gegenüber Verbrauchern in einer Weise zur Ausübung von Druck ausgenutzt wird, die die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die beanstandete geschäftliche Handlung geeignet ist, die Rationalität der Entscheidung der angesprochenen Verbraucher vollständig in den Hintergrund treten zu lassen. Nach § 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG ist bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv i.S.d. § 4a Abs. 1 S. 2 UWG ist, auf Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen abzustellen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss allerdings nicht, dass die Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme den Tatbestand der Nötigung oder der unzulässigen Beeinflussung von vornherein nicht erfüllen kann. Die Ausübung von Druck durch Drohung mit einer rechtlich zulässigen Maßnahme kann die Fähigkeit der Verbraucher zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränken und damit den Tatbestand der unzulässigen Beeinflussung erfüllen, wenn bei dieser Drohung verschleiert wird, dass der Schuldner die Möglichkeit hat, den Eintritt der angedrohten Maßnahme zu verhindern.

Das OLG hat angenommen, das Schreiben der Beklagten vom 23.4.2015 stelle eine mit bestimmten Zahlungsvorschlägen verbundene Zahlungsaufforderung sowie die Androhung gerichtlicher Schritte und anschließender Vollstreckungsmaßnahmen dar. Es suggeriere nicht, dass eine Rechtsverteidigung des Schuldners aussichtslos sei. Es verschleiere auch nicht, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren geltend machen könne, den beanspruchten Geldbetrag nicht zu schulden. Es sei davon auszugehen, dass auch der juristisch nicht vorgebildete Verbraucher wisse, dass er in einem Zivilprozess nicht zwangsläufig zur Zahlung verurteilt werde und seine eigene Sachverhaltsdarstellung und Rechtsauffassung dem Gericht zur Prüfung unterbreiten könne. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Beurteilung des OLG, das Schreiben der Beklagten vom 23.3.2015 beeinflusse die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers ebenfalls nicht in unzulässiger Weise. Das OLG hat angenommen, dieses Schreiben habe zwar den Zweck, den Druck auf den Schuldner zu erhöhen. Weder der Hinweis darauf, dass die Einleitung gerichtlicher Schritte unmittelbar bevorstehe, noch die anschließenden Hinweise auf mögliche Vollstreckungsmaßnahmen und die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels stellten jedoch eine Fehlinformation des Verbrauchers dar. Die beanstandeten Passagen in dem Schreiben entsprächen den gesetzlichen Möglichkeiten, die einem Gläubiger für die Beitreibung seiner Forderung zur Verfügung stünden. Das Schreiben suggeriere weder, dass eine Rechtsverteidigung aussichtslos sei, noch verschleiere es, dass der Schuldner in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit habe, sich gegen die Klageforderung zu verteidigen. Gegen diese rechtsfehlerfreie Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

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