06.07.2022

Kapitalanlage: Deliktische Verschiebung von Vermögenswerten nach Begehung eines Eingehungsbetrugs

Durch die deliktische Verschiebung von Vermögenswerten (§ 257 StGB) nach Begehung eines Eingehungsbetrugs im Rahmen einer Kapitalanlage tritt ein Gesamtschaden der Insolvenzgläubiger i.S.d. § 92 Satz 1 InsO ein. Dieser kann während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

BGH v. 19.5.2022 - III ZR 11/20
Der Sachverhalt:
Die Kläger sind die Erben des während des Revisionsverfahrens verstorbenen vormaligen Klägers (Erblasser). Im März 2014 hatte letzterer in ein Kapitalanlagemodell investiert, indem er gegen eine Kaufpreiszahlung "persönliches Baumeigentum" an angeblich 1.000 gepflanzten Teakbäumen auf einer konkret bezeichneten Teilfläche einer Plantage in Costa Rica "erwarb". Nach dem Anlageprospekt der P-AG sollten die Bäume nach einer "Umtriebszeit" von 20 Jahren mit "ökologisch und sozial nachhaltiger" Pflege gefällt werden. Aus dem Verkaufserlös des Holzes sollten die Anleger eine erhebliche steuerfreie Rendite erzielen.

Im April 2014 führte eine Strafanzeige zum Ende der Vertriebstätigkeit der P-AG und es folgte ein Insolvenzverfahren. Im Dezember 2015 wurde der einschlägig vorbestrafte Initiator des Anlagemodells wegen gewerbsmäßigen Betrugs in zwei Fällen (betreffend den streitgegenständlichen Vertrieb von Teakbäumen und den von Kautschukbäumen) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt. Der Beklagte wurde, nachdem er sich im September 2015 schriftlich gegenüber der Staatsanwaltschaft und im April 2016 mit einer vorformulierten "Persönlichen Erklärung" in der Hauptverhandlung eingelassen hatte, wegen (einheitlicher) Beihilfe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt.

Das LG hat eine Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2, § 830 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1, § 27 StGB angenommen und ihn antragsgemäß zur Zahlung von 37.008 € verurteilt. Das OLG hat seine Berufung zurückgewiesen, soweit nicht die Parteien den Rechtsstreit nach einer Quotenausschüttung des Insolvenzverwalters i.H.v. 2.496 € in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Dabei ist es von einer Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 257 Abs. 1 StGB (Begünstigung) ausgegangen. Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen.

Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht die Vorschrift des § 92 Satz 1 InsO nicht angewendet. Diese verwehrt es den Klägern, einen durch die angenommene Begünstigung verursachten Schaden vor Abschluss des noch laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen der P-AG im Prozess geltend zu machen.

Danach können Ansprüche der Insolvenzgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den diese gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlitten haben (Gesamtschaden), während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Damit wird keine Anspruchsgrundlage normiert, sondern die Einziehung einer aus einer anderen Rechtsgrundlage herrührenden Forderung geregelt. Die Vor-schrift erfasst nur Schadensersatzansprüche, die auf einer Verkürzung der Insolvenzmasse beruhen, und bezweckt, eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus dem Vermögen des wegen Masseverkürzung haftpflichtigen Schädigers zu sichern.

Während ein Anspruch aus § 823 Abs. 2, § 830 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1, § 27 StGB, auf den das LG sein Urteil gestützt hatte, einen individuellen Schaden des Erblassers durch Zeichnung der Kapitalanlage (Eingehungsbetrug) zum Gegenstand hat, auf den § 92 Satz 1 InsO nicht anwendbar ist, handelt es sich bei dem vom OLG angenommenen Begünstigungsschaden um einen Gesamtschaden. Denn die dem Beklagten vorgeworfene Verschiebung von Vermögenswerten erst nach Begehung der den Erblasser individuell schädigenden Betrugstat hat diesen nur wie jeden anderen Anleger getroffen.

Der von der P-AG verschobene Geldbetrag hat die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse insgesamt verkürzt und fehlt damit nicht nur für die Befriedigung des vormaligen Klägers bzw. seiner Erben, sondern für die Entschädigung aller Anleger. Dementsprechend muss nach dem Normzweck des § 92 Satz 1 InsO ein Schadensersatzanspruch wegen der in Rede stehenden Begünstigung nicht nur einem einzelnen Anleger, sondern anteilig allen Insolvenzgläubigern zugutekommen.

Mehr zum Thema:

Aktionsmodul Gesellschaftsrecht
Praxisrelevante Lösungen für alle Fragestellungen zum Gesellschaftsrecht bietet Ihnen unser umfassendes Aktionsmodul Gesellschaftsrecht (mit den 5 Beratermodulen AG, GmbHR und ZIP sowie Kommentare Gesellschaftsrecht und Handbücher Gesellschaftsrecht) - jetzt 4 Wochen lang kostenlos testen.

Beratermodul Kapitalmarktrecht
Diese umfangreiche Online-Bibliothek liefert Premium-Fachwissen zum Kapitalmarktrecht. 4 Wochen gratis nutzen!

Beratermodul ZIP - Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
Das Beratermodul ZIP bündelt die Inhalte einer der führenden Zeitschrift zum Wirtschaftsrecht mit Volltexten zu Gesetzen und Entscheidungen sowie den Kurzkommentaren der EWiR.
4 Wochen gratis nutzen!
BGH online
Zurück