29.06.2011

Kartellteilnehmer haften auch mittelbar Geschädigten auf Schadensersatz

Schadensersatz wegen Kartellrechtsverstößen können nicht nur unmittelbare Kunden der Kartellteilnehmer verlangen, sondern auch ihnen in der Absatzkette folgende Abnehmer. Der Kartellant kann aber gegen den Anspruch einwenden, der Anspruchsteller habe die kartellbedingte Preiserhöhung an seine eigenen Kunden weitergegeben.

BGH 28.6.2011, KZR 75/10
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht eines Druckereiunternehmens auf Schadensersatz wegen Kartellabsprachen in Anspruch.

Die Beklagte war von Januar 1992 bis September 1995 an einem Preiskartell der Hersteller von Selbstdurchschreibepapier (SD-Papier) beteiligt. Das steht aufgrund einer von ihr erfolglos angegriffenen Entscheidung der EU-Kommission (EuG 26.4.2007, T 109/02 und EuGH 3.9.2009, C-322/07 P), die der Beklagten deshalb eine Geldbuße i.H.v. ca. 33 Mio. € auferlegt hat, fest. Das Druckereiunternehmen bezog in diesem Zeitraum zu kartellbedingt überhöhten Preisen SD-Papier von Großhändlern, die ihrerseits von am Kartell beteiligten Herstellern beliefert wurden.

Das OLG gab der Klage teilweise statt. Der BGH hob das angefochtene Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das OLG zurück, da noch weitere Feststellungen getroffen werden müssen.

Die Gründe:
Auch in der Absatzkette folgenden indirekten Abnehmern kann ein Schadensersatzanspruch wegen kartellbedingter Preiserhöhungen zustehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die nachteiligen Folgen eines Preiskartells sich nicht notwendigerweise bei den unmittelbaren Abnehmern der Kartellanten realisieren, sondern - weil diese die Preiserhöhungen weitergeben können - oft auf nachfolgende Marktstufen verlagert werden. Nach dem Sinn und Zweck des Kartell- und Schadensersatzrechts ist es aber geboten, dass auch diejenigen Marktteilnehmer ihren Schaden ersetzt erhalten, auf deren Kosten ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten letztlich praktiziert wird. Dies entspricht auch der Auffassung des EuGH.

Der Kartellteilnehmer ist aber grundsätzlich berechtigt, dem Schadensersatz verlangenden Abnehmer entgegenzuhalten, dass dieser die von ihm gezahlten kartellbedingt überhöhten Preise an seine eigenen Kunden weitergegeben und deswegen letztlich keinen Schaden mehr hat ("passing-on defence"). Durch diese Vorteilsausgleichung wird eine unverhältnismäßige mehrfache Inanspruchnahme des Kartellanten für einen nur einmal entstandenen Schaden ebenso vermieden wie eine ungerechtfertigte Bereicherung direkter Abnehmer, soweit sie tatsächlich wirtschaftlich keinen Schaden erlitten haben. Beteiligte des Kartells haften auch für den Schaden, der Abnehmern dadurch entsteht, dass sie über den Großhandel von anderen Kartellteilnehmern bezogen haben.

Grundlage des Schadensersatzanspruchs im Streitfall ist § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit Art. 81 EG (heute Art. 101 AEUV). Auf § 33 GWB konnte die Klage nicht gestützt werden, da diese Norm im Zeitraum der maßgeblichen Warenlieferungen noch nicht galt. Der BGH hat jedoch klargestellt, dass sich nach geltendem Recht keine grundsätzlich abweichende Beurteilung ergibt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.
BGH PM Nr. 118 vom 29.6.2011
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