14.01.2025

Kein Anspruch auf Auszahlung trotz eines nicht entwerteten Sparbuchs

Für den Fall, dass ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt wird und - wie hier - allein streitig ist, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von der Bank bereits erfüllt worden ist, muss das Kreditinstitut die Erfüllung beweisen. Eine Gesamtschau der Umstände - wie EDV-Ausdrucke der Bank über Kundenbuchungen und der Umgang des Kunden mit dem Sparbuch über Jahrzehnte - können die Beweiskraft des vorgelegten Sparbuchs erschüttern und beweisen, dass ein Sparguthaben auf Anweisung des Kunden zugunsten einer anderen Geldanlage abgebucht worden ist.

LG Köln v. 19.11.2024 - 21 O 54/24
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte 1984 bei der beklagten Bank ein Sparbuch eröffnet. Dies enthielt für die Jahre 1984 bis 1990 mehrfach jährlich Eintragungen über erfolgte Ein- und Auszahlungen. Bis 1999 enthielt es zudem alljährliche Eintragungen über den Sparzinsertrag. Neben Eintragungen zu baren Ein- und Auszahlungen sowie Zinsen fanden sich weitere Textzusätze wie "UNBAR", "GUT" und "LAST". Als letzte Eintragung im Sparbuch war im Jahre 1999 ein Guthaben i.H.v. 25.203,36 DM ausgewiesen. Im Februar 2023 legte die Klägerin ihr Sparbuch in einer Filiale der Beklagten in Köln vor. Dort wurde ihr mitgeteilt, dass das dazugehörige Sparkonto im Jahr 2018 aufgelöst und dessen Saldo i. H.v. 318,57 € auf einem Sammelkonto verwahrt worden sei. Im März 2023 wurde dieser Betrag auf dem Girokonto der Klägerin gutgeschrieben.

Die Klägerin forderte von der Beklagten die Auszahlung des zuletzt ausgewiesenen Sparguthabens in Euro. Die Beklagte hat dagegen unter Vorlage eines EDV-Ausdruckes eingewandt, dass die letzte Kundenbuchung der Klägerin im April 2000 erfolgt sei. Es habe sich um eine Soll-Buchung über 25.000 DM gehandelt. Diese sei nicht ins Sparbuch eingetragen geworden, da es ihr im Zeitpunkt der Buchung nicht vorgelegen habe und die Klägerin das Sparbuch auch später - trotz mehrfacher Aufforderungen - nicht vorgelegt habe. Dass die Sollbuchung nicht unmittelbar im Sparbuch vermerkt worden sei, könne darauf beruhen, dass eine Auszahlung auf das Versprechen der Klägerin vorgenommen worden sei, das Sparbuch nachzureichen. Wahrscheinlicher sei jedoch, dass die Klägerin über den Betrag zugunsten einer anderen Geldanlage verfügt habe.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Auszahlung des Sparguthabens war durch Erfüllung erloschen.

Für den Fall, dass ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt wird und - wie hier - allein streitig ist, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von der Bank bereits erfüllt worden ist, muss das Kreditinstitut die Erfüllung beweisen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Inhaber des Sparbuchs über Jahrzehnte nicht aktiv geworden oder die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist gem. § 257 HGB abgelaufen war (keine sog. Umkehr der Beweislast). Denn Eintragungen in einem Sparbuch haben schon deshalb besonderes Gewicht, weil Auszahlungen und Auflösungen grundsätzlich nicht ohne Buchvorlage vorgenommen werden.

Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Kreditinstitute erfordere es, an die Erschütterung der Beweiskraft von Sparbüchern strenge Anforderungen zu stellen. Die Unrichtigkeit eines Sparbuchs kann nicht allein durch bankinterne Unterlagen nachgewiesen werden. Diese erlangen allerdings ein anderes, größeres Gewicht, wenn weitere Umstände hinzutreten, zu denen auch ein erheblicher Zeitablauf gehören kann.

Ausgehend von diesen Maßstäben ist es der Beklagten gelungen, die Beweiskraft des von der Klägerin vorgelegten Sparbuchs zu erschüttern und zu beweisen, dass ein Sparguthaben i.H.v. 25.000,00 DM auf Anweisung der Klägerin zugunsten einer anderen Geldanlage abgebucht worden war. Dies ergab eine Gesamtschau der Umstände. Denn der beklagtenseits vorgetragene Buchungsvorgang ließ sich zunächst aus bankinternen Unterlagen der Beklagten nachvollziehen. Ein EDV-Ausdruck der Beklagten wies aus, dass die letzte Kundenbuchung zum streitgegenständlichen Sparbuch am 5.4.2020 erfolgt war und danach nur noch ein Guthaben von 318,37 € bestand. Zudem war für die Klägerin in einem durch die Beklagte gesondert geführten Handelsbuch im Jahr 2000 ein Sollnachtrag von 12.782,30 € (= 25.000 DM) eingetragen.

Der Vortrag der Beklagten, der Nichteintragung dieser Buchung habe zugrunde gelegen, dass die Klägerin über den Betrag zugunsten einer anderen Geldanlage verfügt habe, erschien vor dem Hintergrund, dass das Sparbuch Eintragungen enthielt, die nicht auf Bareinzahlungen bzw. Barauszahlungen - im Einzelnen mit Textangaben wie "UNBAR", "GUT", "LAST", - zurückzuführen waren, plausibel. Diesen Vortrag hatte die Klägerin zwar nicht bestätigt. Sie hatte aber auch selbst eingeräumt, dass sie nicht mehr zu 100 % sagen kann, ob sie in der fraglichen Zeit Wertpapiergeschäfte getätigt hatte.

Sowohl der Umgang der Klägerin mit dem Sparbuch ab dem Jahr 2000 als auch ein erheblicher Zeitablauf sprachen dafür, dass sie Kenntnis davon hatte, dass sich kein wesentliches Guthaben mehr auf ihrem Sparbuch befand. Die Klägerin hatte ihr Sparbuch zuvor bis einschließlich ins Jahr 1999 - mithin über einen Zeitraum von 15 Jahren - regelmäßig jedenfalls jährlich für die Eintragung des Zinsertrages der Beklagten vorgelegt. Dass sie dies danach nicht mehr getan hat, sprach dafür, dass sie davon ausgegangen war, dass sich aus dem (Rest-) Guthaben keine weiteren höheren Zinserträge ergeben würden. Letztlich hatte die Klägerin auf die jährlichen Aufforderungsschreiben der Beklagten zur Vorlage ihres Sparbuchs in den Jahren 2009 bis 2018 nicht reagiert.

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Christian Grüneberg, WM 2025, 1

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