02.09.2013

Kein Computerbetrug bei Einlösen eines erkennbar versehentlich zugesandten Online-Gutscheins

Das Einlösen eines erkennbar versehentlich zugesandten Online-Gutscheins ist nicht nach § 263a StGB strafbar. Es stellt weder eine unbefugte Verwendung von Daten (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB) noch eine sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf (§ 263a Abs. 1 Var. 4 StGB) dar.

LG Gießen 29.5.2013, 7 Qs 88/13
Der Sachverhalt:
Die Anzeigeerstatterin hatte bei einem Internet-Anbieter einen Geschenkgutschein über 30 € gekauft, den sie per Internet an die zu Beschenkende unter deren E-Mail-Adresse versenden wollte. Durch einen Eingabefehler der Anzeigeerstatterin wurde der Gutschein allerdings an eine andere E-Mail-Adresse versandt. Eine derzeit unbekannte Person löste daraufhin den für sie erkennbar nicht bestimmten Online-Gutschein der Firma A. durch Eingabe des Gutschein-Codes ein.

Die Staatsanwaltschaft beantragte beim AG einen Durchsuchungsbeschluss gem. § 103 StPO gegen die Firma A., um die zu der genannten E-Mail-Adresse gehörenden weiteren Daten zu erlangen, mit denen eine Identifizierung der den Gutschein einlösenden Person erfolgen sollte. Das AG wies den Antrag zurück, da eine Strafbarkeit der unbekannten Person nicht in Betracht komme.

Auch die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb vor dem LG erfolglos.

Die Gründe:
Für den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses fehlte es an einem Tatverdacht.

Das Einlösen eines erkennbar irrtümlich an die unbekannte Person versandten Gutscheins ist nicht strafbar. Insbesondere schied eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gem. § 263a StGB aus. Eine Beeinflussung des Ergebnisses eines Datenverarbeitungsvorgangs durch unbefugte Verwendung von Daten gem. § 263a Abs. 1 Var. 3 StGB lag nicht vor. Die Verwendung der Daten ist dann unbefugt, wenn sie gegenüber einer natürlichen Person Täuschungscharakter hätte. Abzustellen ist dabei auf die Berechtigte des Datenverarbeitungsvorgangs (hier: die Firma A., der gegenüber die unbekannte Person den Code zur Einlösung des Gutscheins eingegeben hatte). Nicht erfasst von § 263a StGB ist dagegen die nur im Verhältnis zu einem Dritten - hier der Anzeigeerstatterin - unberechtigte Datenverwendung.

Mit der Eingabe des Gutschein-Codes hatte die unbekannte Person die Firma A. bzw. deren Mitarbeiter nicht über eine entsprechende Berechtigung getäuscht. Denn durch die Einlösung des Gutscheins wurde gegenüber der Firma A. nicht zugleich konkludent die entsprechende materielle Berechtigung, d.h. der Anspruch, behauptet. Ein Mitarbeiter der Firma A. hätte sich bei Vorlage eines entsprechenden Gutscheins in Papierform nämlich keine Gedanken über die Berechtigung der Inhabers des Gutscheins gemacht, sondern lediglich überprüft, ob der Gutschein an den Einlöser ausgegeben wurde. Die Firma A. wurde mit der Einlösung von ihren Leistungspflichten frei.

Auch eine Täuschung durch Unterlassen lag nicht vor. Schließlich bestand keine Garantenpflicht nach § 13 StGB. Es war weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Pflicht der unbekannten Person gegenüber der Firma A. zur Offenbarung der fehlenden materiellen Berechtigung ersichtlich. Eine solche Pflicht ergab sich auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, da auch insoweit ein besonders Vertrauensverhältnis vorausgesetzt wird. Ebenso schied die 4. Variante des § 263a StGB aus. Das datenverarbeitungstechnisch richtige Einlösen eines Gutscheins stellt keine Manipulation dar. Gegenüber der Firma A. wurde nicht unbefugt gehandelt. Auf die Anweisung für den Verarbeitungsvorgang wurde nicht manipulativ eingewirkt, auch der maschinelle Ablauf des Programms wurde nicht verändert.

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