Kein Pfandrecht der kreditgebenden Bank nach Abtretung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs
LG Stuttgart v. 23.7.2025 - 27 O 259/24
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH. Diese unterhielt bei der beklagten Bank ein Geschäftskonto, das zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 29.4.2024 ein Guthaben aufwies. Unter dem 15./22.12.2021 hatten die Schuldnerin und die Beklagte einen Darlehensvertrag über ein von der KfW als Förderinstitut refinanziertes Darlehen i.H.v. 700.000 € abgeschlossen. Nach Inanspruchnahme des Darlehens betrug das Guthaben der Schuldnerin auf ihrem Geschäftskonto bei der Beklagten zum niedrigsten Zeitpunkt (am 6.3.2023) 9.723 €, während das Konto im Übrigen ein höheres Guthaben aufwies.
Mit Schreiben vom 16.2.2024, das die Beklagte an die Schuldnerin adressiert und dem Kläger als damals vorläufigen Insolvenzverwalters zur Kenntnis übermittelt hatte, erklärte die Beklagte die Kündigung der Kredit- und Darlehensverträge mit der Schuldnerin. Am 20.6.2024 zahlte die Beklagte an den Kläger 336.660 €, wobei sich der Betrag aus dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kontoguthaben abzüglich 84.133 € errechnete.
Der Kläger verlangte Auszahlung des Guthabens an die Masse sowie Zinsen für die Vergangenheit auch im Hinblick auf die außergerichtlich von der Beklagten geleisteten Zahlungen. Er war der Ansicht, die Beklagte könne hiergegen weder ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben noch die Aufrechnung mit ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch einwenden. Aus dem Darlehensvertrag vom 15./22.12.2021 komme ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben schon deshalb nicht in Betracht, weil ausweislich des Darlehensvertrages mit der Schuldnerin gerade ein unbesichertes Darlehen vereinbart worden sei. Jedenfalls verstoße die Einbeziehung der AGB der Beklagten vorgesehenen Pfandrechts in den Darlehensvertrag mit der Schuldnerin gegen das Transparenzgebot.
Die Beklagte hielt dagegen, dass an dem Guthaben ein Pfandrecht zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem von der Beklagten ausgereichten Förderkredit bestehe, wobei Inhaber des Pfandrechts nach Abtretung des Rückzahlungsanspruchs die KfW sei. Die Erstreckung des AGB-Pfandrechts auf Ansprüche aus dem Darlehen ergebe sich schon daraus, dass die AGB der Beklagten ausdrücklich in das gesamte Geschäftsbesorgungsverhältnis zur Schuldnerin einbezogen worden seien und überdies ausweislich des Darlehensvertrages vom 15./22.12.2021 auch insoweit ergänzend gelten sollten.
Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Zwar hinderte - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - ein nicht der Beklagten, sondern der KfW zustehendes Pfandrecht an dem Kontoguthaben den Anspruch des Klägers, die Auszahlung des Guthabens an sich zu verlangen. Nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Vorschriften kann der Gläubiger der mit einem Pfandrecht belasteten Forderung weder vor noch nach Pfandreife die Erfüllung der Forderung an sich verlangen. Vor Pfandreife kann der Schuldner der verpfändeten Forderung nur an den Pfandgläubiger und den Gläubiger der verpfändeten Forderung gemeinschaftlich leisten und beide können nur die gemeinschaftliche Leistung verlangen (§ 1281 BGB). Nach Pfandreife kann der Schuldner der verpfändeten Forderung nur noch an den Pfandgläubiger schuldbefreiend leisten (§ 1282 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Nachdem die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16.2.2024 ihren Darlehensrückzahlungsanspruch fällig gestellt hatte und damit im Hinblick auf ein etwaiges Pfandrecht an dem Kontoguthaben Pfandreife eingetreten war, konnte die Beklagte - ein Pfandrecht der KfW an dem Guthaben unterstellt - schuldbefreiend nur noch an die KfW leisten und als Gläubiger der verpfändeten Forderung nicht mehr Leistung an sich fordern. Insofern konnte die Beklagte dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung des Guthabens mit Recht entgegenhalten, dass an dem Kontoguthaben i.H.v. 9.723 € ein Pfandrecht der KfW bestand und der Kläger daher zur Auszahlung der Guthabensforderung insoweit nicht empfangszuständig war. Ein weitergehendes Pfandrecht der KfW bestand hingegen nicht.
Zwar war zwischen der Schuldnerin und der Beklagten eine wirksame Vereinbarung getroffen worden des Inhalts, dass der Beklagten zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Schuldnerin ein Pfandrecht am Kontoguthaben zustand, wobei dieses Pfandrecht der Beklagten auch ihre Ansprüche aus dem Förderdarlehen vom 15./22.12.2021 umfasste. Das in den AGB einer kreditgebenden Bank vorgesehene Pfandrecht der Bank an Vermögensgegenständen des Darlehensnehmers wird auch nicht dadurch abbedungen, dass der Darlehensvertrag unter dem Text "Der Bank werden in besonderen Urkunden folgende Sicherheiten gestellt" keine Eintragung enthält. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem bezeichneten Passus des Darlehensvertrags ebenfalls um eine AGB der Bank handelt.
Die Beklagte hat ihr Pfandrecht zur Sicherung ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs allerdings verloren, indem sie diesen Anspruch an die KfW abgetreten hatte. Hat die kreditgebende Bank ihren Darlehensrückzahlungsanspruch abgetreten, so entsteht an dem nach der Abtretung gebildeten Kontoguthaben des Darlehensnehmers bei der Bank weder in der Person der kreditgebenden Bank noch des Zessionars ein Pfandrecht zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs. Das gilt auch dann, wenn die kreditgebende Bank und der Zessionar sich auf die Abtretung akzessorischer Sicherheiten verständigt haben.
Nachdem das für die Beklagte bestellte und durch die Forderungsabtretung auf die KfW übergegangene Pfandrecht mit der verpfändeten Guthabensforderung bis auf einen Betrag in Höhe von 9.723 € erloschen war, ist in der Folgezeit nicht dadurch ein neues Pfandrecht in der Person der KfW entstanden, dass sich auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin wieder ein höheres Guthaben gebildet hat. In der Person der KfW ist mit dem Anwachsen des Guthabens auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin nach dem 6.3.2023 entgegen der Auffassung der Beklagten kein Pfandrecht entstanden. Ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben konnte in der Person der KfW schon deshalb nicht entstehen, weil die Schuldnerin ihr Kontoguthaben nicht an die KfW verpfändet hatte. Zwischen der Schuldnerin und der KfW bestanden keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen, in deren Rahmen eine Verpfändung ihres Kontoguthabens durch die Schuldnerin hätte erfolgen können. Den von der KfW refinanzierten Kredit hatte die Schuldnerin vielmehr allein bei der Beklagten in Anspruch genommen.
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Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH. Diese unterhielt bei der beklagten Bank ein Geschäftskonto, das zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 29.4.2024 ein Guthaben aufwies. Unter dem 15./22.12.2021 hatten die Schuldnerin und die Beklagte einen Darlehensvertrag über ein von der KfW als Förderinstitut refinanziertes Darlehen i.H.v. 700.000 € abgeschlossen. Nach Inanspruchnahme des Darlehens betrug das Guthaben der Schuldnerin auf ihrem Geschäftskonto bei der Beklagten zum niedrigsten Zeitpunkt (am 6.3.2023) 9.723 €, während das Konto im Übrigen ein höheres Guthaben aufwies.
Mit Schreiben vom 16.2.2024, das die Beklagte an die Schuldnerin adressiert und dem Kläger als damals vorläufigen Insolvenzverwalters zur Kenntnis übermittelt hatte, erklärte die Beklagte die Kündigung der Kredit- und Darlehensverträge mit der Schuldnerin. Am 20.6.2024 zahlte die Beklagte an den Kläger 336.660 €, wobei sich der Betrag aus dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Kontoguthaben abzüglich 84.133 € errechnete.
Der Kläger verlangte Auszahlung des Guthabens an die Masse sowie Zinsen für die Vergangenheit auch im Hinblick auf die außergerichtlich von der Beklagten geleisteten Zahlungen. Er war der Ansicht, die Beklagte könne hiergegen weder ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben noch die Aufrechnung mit ihrem Darlehensrückzahlungsanspruch einwenden. Aus dem Darlehensvertrag vom 15./22.12.2021 komme ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben schon deshalb nicht in Betracht, weil ausweislich des Darlehensvertrages mit der Schuldnerin gerade ein unbesichertes Darlehen vereinbart worden sei. Jedenfalls verstoße die Einbeziehung der AGB der Beklagten vorgesehenen Pfandrechts in den Darlehensvertrag mit der Schuldnerin gegen das Transparenzgebot.
Die Beklagte hielt dagegen, dass an dem Guthaben ein Pfandrecht zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs aus dem von der Beklagten ausgereichten Förderkredit bestehe, wobei Inhaber des Pfandrechts nach Abtretung des Rückzahlungsanspruchs die KfW sei. Die Erstreckung des AGB-Pfandrechts auf Ansprüche aus dem Darlehen ergebe sich schon daraus, dass die AGB der Beklagten ausdrücklich in das gesamte Geschäftsbesorgungsverhältnis zur Schuldnerin einbezogen worden seien und überdies ausweislich des Darlehensvertrages vom 15./22.12.2021 auch insoweit ergänzend gelten sollten.
Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.
Die Gründe:
Zwar hinderte - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - ein nicht der Beklagten, sondern der KfW zustehendes Pfandrecht an dem Kontoguthaben den Anspruch des Klägers, die Auszahlung des Guthabens an sich zu verlangen. Nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Vorschriften kann der Gläubiger der mit einem Pfandrecht belasteten Forderung weder vor noch nach Pfandreife die Erfüllung der Forderung an sich verlangen. Vor Pfandreife kann der Schuldner der verpfändeten Forderung nur an den Pfandgläubiger und den Gläubiger der verpfändeten Forderung gemeinschaftlich leisten und beide können nur die gemeinschaftliche Leistung verlangen (§ 1281 BGB). Nach Pfandreife kann der Schuldner der verpfändeten Forderung nur noch an den Pfandgläubiger schuldbefreiend leisten (§ 1282 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Nachdem die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16.2.2024 ihren Darlehensrückzahlungsanspruch fällig gestellt hatte und damit im Hinblick auf ein etwaiges Pfandrecht an dem Kontoguthaben Pfandreife eingetreten war, konnte die Beklagte - ein Pfandrecht der KfW an dem Guthaben unterstellt - schuldbefreiend nur noch an die KfW leisten und als Gläubiger der verpfändeten Forderung nicht mehr Leistung an sich fordern. Insofern konnte die Beklagte dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Auszahlung des Guthabens mit Recht entgegenhalten, dass an dem Kontoguthaben i.H.v. 9.723 € ein Pfandrecht der KfW bestand und der Kläger daher zur Auszahlung der Guthabensforderung insoweit nicht empfangszuständig war. Ein weitergehendes Pfandrecht der KfW bestand hingegen nicht.
Zwar war zwischen der Schuldnerin und der Beklagten eine wirksame Vereinbarung getroffen worden des Inhalts, dass der Beklagten zur Sicherung ihrer Ansprüche gegen die Schuldnerin ein Pfandrecht am Kontoguthaben zustand, wobei dieses Pfandrecht der Beklagten auch ihre Ansprüche aus dem Förderdarlehen vom 15./22.12.2021 umfasste. Das in den AGB einer kreditgebenden Bank vorgesehene Pfandrecht der Bank an Vermögensgegenständen des Darlehensnehmers wird auch nicht dadurch abbedungen, dass der Darlehensvertrag unter dem Text "Der Bank werden in besonderen Urkunden folgende Sicherheiten gestellt" keine Eintragung enthält. Das gilt auch dann, wenn es sich bei dem bezeichneten Passus des Darlehensvertrags ebenfalls um eine AGB der Bank handelt.
Die Beklagte hat ihr Pfandrecht zur Sicherung ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs allerdings verloren, indem sie diesen Anspruch an die KfW abgetreten hatte. Hat die kreditgebende Bank ihren Darlehensrückzahlungsanspruch abgetreten, so entsteht an dem nach der Abtretung gebildeten Kontoguthaben des Darlehensnehmers bei der Bank weder in der Person der kreditgebenden Bank noch des Zessionars ein Pfandrecht zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs. Das gilt auch dann, wenn die kreditgebende Bank und der Zessionar sich auf die Abtretung akzessorischer Sicherheiten verständigt haben.
Nachdem das für die Beklagte bestellte und durch die Forderungsabtretung auf die KfW übergegangene Pfandrecht mit der verpfändeten Guthabensforderung bis auf einen Betrag in Höhe von 9.723 € erloschen war, ist in der Folgezeit nicht dadurch ein neues Pfandrecht in der Person der KfW entstanden, dass sich auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin wieder ein höheres Guthaben gebildet hat. In der Person der KfW ist mit dem Anwachsen des Guthabens auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin nach dem 6.3.2023 entgegen der Auffassung der Beklagten kein Pfandrecht entstanden. Ein Pfandrecht an dem Kontoguthaben konnte in der Person der KfW schon deshalb nicht entstehen, weil die Schuldnerin ihr Kontoguthaben nicht an die KfW verpfändet hatte. Zwischen der Schuldnerin und der KfW bestanden keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen, in deren Rahmen eine Verpfändung ihres Kontoguthabens durch die Schuldnerin hätte erfolgen können. Den von der KfW refinanzierten Kredit hatte die Schuldnerin vielmehr allein bei der Beklagten in Anspruch genommen.
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