10.01.2013

Kein Zurückbehaltungsrecht des Mieters wegen nicht insolvenzfest angelegter Kaution gegen vor Insolvenzeröffnung fällig gewordene Mieten

Dem Mieter steht in der Insolvenz des Vermieters gegen vor Insolvenzeröffnung fällig gewordene Mieten ein Zurückbehaltungsrecht wegen der vertragswidrig nicht insolvenzfest angelegten Barkaution nicht zu. Ein allein auf § 273 Abs. 1 BGB gestütztes Zurückbehaltungsrecht hat zugunsten bloßer Insolvenzgläubiger innerhalb des Insolvenzverfahrens keine Wirkung.

BGH 13.12.2012, IX ZR 9/12
Der Sachverhalt:
Die P-GmbH (Schuldnerin) nutzte ein bebautes Grundstück zur gewerblichen Untervermietung aufgrund eines Nutzungsvertrages mit einer GmbH. Ende November 2007 vermietete sie eine auf dem Gelände stehende Werkhalle an den Beklagten auf unbestimmte Dauer weiter. Im Mietvertrag vereinbarten die Vertragsparteien, dass der Beklagte an die Schuldnerin eine Barkaution i.H.v. 1.485 € zu zahlen habe; die Schuldnerin verpflichtete sich, die Kaution auf ein auf den Namen des Beklagten lautendes Sonderkonto einzuzahlen. Sie vereinnahmte das Geld, zahlte es aber nicht auf ein Sonderkonto ein.

Im Juli 2008 wurde sie rechtskräftig verurteilt, das Grundstück zu räumen und an die GmbH herauszugeben. Daraufhin stellte sie am 13.10.2008 einen Insolvenzantrag. Das AG bestellte den Kläger als vorläufigen Insolvenzverwalter. Dieser mahnte gegenüber dem Beklagten im Oktober 2008 offenstehende Mieten i.H.v. insgesamt 515 € für die Monate April und Oktober 2008 an und übergab das Grundstück im November 2008 an die GmbH. Dabei waren sich der Kläger und die GmbH einig, dass diese in den Mietvertrag mit dem Beklagten eintrat.

Die Mietzahlung für die Zeit vom 1. bis 5.11.2008 i.H.v. 82,50 € blieb der Beklagte ebenfalls schuldig. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 18.12.2008 eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger verlangt vom Beklagten die Zahlung der rückständigen Mieten i.H.v. insgesamt 597,50 €. Der Beklagte rechnete mit dem Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution auf und machte ein Zurückbehaltungsrecht geltend, bis die Kaution auf ein auf seinen Namen lautendes Sonderkonto eingezahlt sei.

Das AG gab der Klage statt. Das LG gab der Klage insoweit statt, als es den Beklagten zur Mietzahlung Zug um Zug gegen die vom Kläger vorzunehmende Einzahlung der Mietkaution auf ein Sonderkonto verurteilte. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Das LG hat zu Unrecht entschieden, dem Beklagten stehe gem. § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass der Kläger vom Beklagten nur Zug um Zug gegen Einzahlung der Mietkaution auf ein Sonderkonto Zahlung der eingeklagten Mieten verlangen könne.

Der Beklagte hatte zwar laut Gewerberaummietvertrag gegenüber der Schuldnerin einen fälligen Anspruch darauf, dass die Mietkaution auf ein auf seinen Namen lautendes Sonderkonto eingezahlt wird. Diesen Anspruch hätte er ohne die Insolvenz auch durchsetzen können, etwa im Wege einer Aktivklage oder durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in Höhe des Kautionsbetrages an der laufenden Miete. Ggf. bestehen auch Schadensersatzansprüche gegen die Schuldnerin; während deren Insolvenz kann der Beklagte diese Ansprüche jedoch nur nach §§ 38, 87 InsO als Insolvenzforderungen verfolgen.

Ein Recht aus § 320 BGB steht dem Beklagten in Ermangelung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses nicht zu. Und ein allein auf § 273 Abs. 1 BGB gestütztes Zurückbehaltungsrecht hat zugunsten bloßer Insolvenzgläubiger innerhalb des Insolvenzverfahrens keine Wirkung. Das schließt solche Fälle ein, in denen sich das Zurückbehaltungsrecht auf eine eigene, nicht zur Insolvenzmasse gehörende Sache des anderen Teils bezieht. Der anders lautenden Ansicht von Marotzke, der sich das LG angeschlossen hat, ist der Senat bereits in der Vergangenheit wiederholt nicht gefolgt, weil das Zu-rückbehaltungsrecht aus § 273 BGB ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer rein persönlichen Gegenforderung darstellt, das im Insolvenzverfahren über die Regelung von § 51 Nr. 2, 3 InsO hinaus nicht zugelassen werden kann. Hieran hält der Senat fest.

Bei dem Anspruch des Beklagten auf vertragsgemäße Anlage der Mietsicherheit handelt es sich um eine einfache Insolvenzforderung nach § 38 InsO. Ansprüche aus einem gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Mietverhältnis sind allerdings Masseverbindlichkeiten, wenn ihre Erfüllung für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 InsO). Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Mieter dagegen gem. § 108 Abs. 3 InsO nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Die Ansprüche des Beklagten gegen die Schuldnerin wegen der vertragswidrigen Nichtanlage der Mietsicherheit waren vor Insolvenzeröffnung entstanden und fällig. Es handelt sich insoweit daher um einfache Insolvenzforderungen, selbst wenn der Mietvertrag durch den Kläger fortgesetzt wurde.

Daraus ergibt sich geradezu zwingend, dass in diesen Fällen sowohl der Rückgewährsanspruch wie auch der Anspruch des Mieters auf insolvenzfeste Anlage des Kautionsbetrags nur als einfache Insolvenzforderungen geltend gemacht werden können. Die anders lautenden Auffassungen von Derleder und Streyl, die eine Pflicht der Masse zur insolvenzfesten Anlage der Mietkaution auch dann annehmen, wenn der Vermieter seiner Pflicht zur insolvenzfesten Anlage der Mietkaution bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen noch nicht nachgekommen ist, übersehen die Zäsurwirkung des § 108 Abs. 3 InsO.


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