16.11.2011

Keine Anrechnung von Bestandsprovisionen nach dem EAEG ("Phoenix")

Ein Kapitalanleger muss sich im Falle der Insolvenz eines Wertpapierhandelsunternehmens von der Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen keine Provisionsansprüche des Wertpapierhandelsunternehmens entgegenhalten lassen, wenn dieses die Ansprüche nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat. Das hat der BGH in einem weiteren Urteil in Sachen "Phoenix" entschieden.

BGH 25.10.2011, XI ZR 67/11
Der Sachverhalt:
In dem zugrunde liegenden Fall nimmt die Klägerin die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAEG) in Anspruch. Die Klägerin beteiligte sich im April 1998 und Februar 2002 mit einem Anlagebetrag von insgesamt rd. 27.000 € einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account, einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung von insgesamt ca. 30.000 Anlegern verwalteten Kollektivanlage. Deren Gegenstand war die Anlage der Kundengelder in Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken.

Die AGB der GmbH sahen u.a. vor, dass ihr eine Verwaltungsgebühr von 0,5 Prozent pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des Phoenix Managed Account als Bestandsprovision zustehen sollte. Spätestens seit 1998 legte die GmbH jedoch nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Geldern vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet.

Im März 2005 untersagte die BaFin der GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte den Entschädigungsfall fest. Im Juli 2005 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Auf den von der Entschädigungseinrichtung - nach Abzug von Agio, Handelsverlust und Bestandsprovisionen - errechneten "Endstand der Beteiligung" der Klägerin von rd. 21.600 € leistete sie im Jahr 2009 eine Teilentschädigung von rd. 12.700 € und behielt den Restbetrag wegen möglicher Aussonderungsrechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern ein. Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des gesetzlichen Selbstbehalts von 10 Prozent eine restliche Entschädigungsleistung von rd. 6.700 €.

Das LG gab der Klage in vollem Umfang statt. Das KG gab ihr - unter Klageabweisung im Übrigen - lediglich teilweise statt und sprach der Klägerin den Zahlungsanspruch nur i.H.v. rd. 3.400 € zu, d.h. i.H.v. 90 Prozent der abgezogenen Bestandsprovisionen. Nachdem die Beklagte der Klägerin eine weitere Teilentschädigung von rd. 6.700 € gezahlt hatte, erklärte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Da sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, kam es weiterhin darauf an, ob die Klage ursprünglich begründet war.

Der BGH wies die Revision der Beklagten zurück; auf die Anschlussrevision der Klägerin stellte er unter Aufhebung des Berufungsurteils und Abänderung des landgerichtlichen Urteils fest, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Gründe:
Das KG hat zu Recht entschieden, dass sich die Klägerin die vertraglich vereinbarten Bestandsprovisionen nicht anrechnen lassen muss.

Es handelt sich um eigenständige Ansprüche des Wertpapierhandelsunternehmens, die nicht bereits bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften i.S.d. § 1 Abs. 4 S. 1 EAEG zu berücksichtigen sind. Sie können dem Anleger nur nach § 4 Abs. 1 S. 1 EAEG im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden. Dies war vorliegend jedoch ausgeschlossen, weil die Phoenix Kapitaldienst GmbH aufgrund ihres grob vertragswidrigen Verhaltens ihren Provisionsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat.

Demgegenüber war der Anschlussrevision der Klägerin in vollem Umfang stattzugeben. In Anknüpfung an die Urteile vom 20.9.2011 (XI ZR 434/10, XI ZR 435/10 und XI ZR 436/10) ist der von der Klägerin geltend gemachten Entschädigungsanspruch dem Grunde und der Höhe nach als begründet, insbesondere auch als fällig anzusehen.

Linkhinweis:

BGH PM Nr. 182 vom 16.11.2011
Zurück