12.10.2021

Keine Erhöhung der Mindestvergütung nach Anzahl der Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person

Die Bestimmungen über die Erhöhung der Mindestvergütung entsprechend der Anzahl der Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, sind auf die Vergütung des Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person nicht anwendbar.

BGH v. 22.7.2021 - IX ZB 4/21
Der Sachverhalt:
Die U-GmbH & Co. KG (Schuldnerin) war eines von mehreren Unternehmen der zuletzt unter der Bezeichnung "C." agierenden Gruppe, die verschiedene Leistungen im Energiebereich anbot. Am 2.3.2017 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Das Insolvenzgericht bestellte den weiteren Beteiligten mit Beschluss vom 6.3.2017 zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 15.10.2018 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den weiteren Beteiligten zum Insolvenzverwalter. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldeten 55.919 Gläubiger Forderungen zur Insolvenztabelle an.

Der weitere Beteiligte beantragte mit Schreiben vom 8.8.2019, seine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter festzusetzen. Er machte geltend, dass die Vergütung im Hinblick auf bislang eingegangene Forderungsanmeldungen von 55.919 Gläubigern aufgrund von § 2 Abs. 2 InsVV mindestens rd. 1,12 Mio. € betrage. Zzgl. einer Auslagenpauschale und Umsatzsteuer beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter auf rd. 1,33 Mio. € festzusetzen.

Das AG - Insolvenzgericht - wies den Vergütungsantrag zurück. Mit seiner sofortigen Beschwerde nahm der weitere Beteiligte einen Gesamtabschlag von 50 % an und verfolgte seinen Vergütungsantrag i.H.v. rd. 560.000 € zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt rd. 670.000 € weiter. Das LG wies die Beschwerde zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Eine Erhöhung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters wegen der Anzahl der Gläubiger nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV kommt vorliegend nicht in Betracht. Im Hinblick auf die Vergütung des Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen ist eine teleologische Reduktion geboten.

§ 2 Abs. 2 InsVV enthält zwei Bestimmungen. § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV regelt die unabhängig von einer Mindestzahl von Gläubigern vorgesehene Mindestvergütung. § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV regeln eine Erhöhung der Mindestvergütung entsprechend der Zahl der Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben. Diese Vorschriften dienen in erster Linie dazu, eine Mindestvergütung in masselosen Insolvenzverfahren sicherzustellen, berücksichtigen aber auch fiskalische Interessen, soweit die Staatskasse für die Vergütung des Insolvenzverwalters aufzukommen hat. Der Verordnungsgeber hatte in erster Linie massearme Verfahren im Blick. Hintergrund der Regelung sind die bei natürlichen Personen häufig anzutreffenden masselosen Insolvenzverfahren und Insolvenzverfahren mit einer absolut betrachtet geringen Insolvenzmasse. Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person weisen in mehreren Punkten erhebliche Unterschiede auf. Daher scheidet eine Berechnung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV für die Vergütung eines Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person aus. Soweit der weitere Beteiligte für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine höhere als die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV begehrt, ist diese allein nach § 2 Abs. 1 InsVV zu berechnen.

Der Verordnungsgeber hat die Auswirkungen von extrem hohen Gläubigerzahlen in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person ersichtlich nicht berücksichtigt. Er hat sich bei der Regelung vielmehr an Stundensätzen und durchschnittlichen Gläubigerzahlen in masselosen Regelinsolvenzverfahren orientiert. Zwar hat der Verordnungsgeber den sich aus einer Erhebung ergebenden durchschnittlichen zeitlichen Aufwand in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen mit 41 und mehr Gläubigern zumindest teilweise darauf zurückgeführt, dass hier Verfahren mit extrem hohen Gläubigerzahlen eingeflossen seien (vgl. ZIP 2004, 1927, 1928). Dies bietet jedoch keine tragfähige Grundlage dafür, dass eine Mindestvergütung in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person sich ebenfalls nach der Zahl der Gläubiger richten müsse. Vielmehr liegt ein wesentlicher Grundgedanke der Neuregelung darin, dass nicht in jedem einzelnen Verfahren eine auskömmliche Vergütung erzielt werden muss. Es ist ausreichend, wenn innerhalb der massearmen Verfahren ein wirtschaftlicher Ausgleich gewährleistet ist. Dieser Gedanke ist weiter für den Verzicht auf Regelungen zu einer Abweichung in besonders einfach gelagerten Fällen maßgeblich.

Dies gilt erst recht für die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Die Regelung über die Erhöhung der Mindestvergütung entsprechend der Anzahl der Gläubiger nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV ist auf das eröffnete Insolvenzverfahren zugeschnitten. Der Verordnungsgeber hat die Frage, welche Bedeutung die Zahl der Gläubiger für die Tätigkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters hat, nicht in seine Erwägungen einbezogen. In Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person besteht kein Bedarf, die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV entsprechend den Vorgaben des § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV nach der Anzahl der Gläubiger zu erhöhen, die eine Forderung angemeldet haben. Die Gründe, die für eine solche Regelung bei der Vergütung des Insolvenzverwalters in Insolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen sprechen, treffen überwiegend nicht zu. Dem mit einer hohen Anzahl von Gläubigern verbundenen Aufwand kann in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person stets mit einem entsprechenden Zuschlag zur Regelvergütung Rechnung getragen werden.

In Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person ist die Höhe der Vergütung des Insolvenzverwalters vorbehaltlich einer Haftung nach § 26a Abs. 2 Satz 2 InsO faktisch auf die verfügbare Masse beschränkt. Eine Kostenstundung gem. § 4a InsO scheidet aus. Demgemäß gibt es in diesen Fällen keinen Anspruch des Insolvenzverwalters aus § 63 Abs. 2 InsO gegen die Staatskasse. Handelt es sich um eine juristische Person, liegt daher das volle Kostenerstattungsrisiko beim Insolvenzverwalter. Die Zielsetzung des § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV, ein auskömmliches Mindestniveau der Vergütung gerade bei Kleininsolvenzen zu erreichen, ist in Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person nur im Rahmen der verfügbaren Masse möglich. Dieses Risiko ist tragbar, weil in diesen Fällen masselose Insolvenzverfahren hinsichtlich der Vergütung keine Probleme aufwerfen.

In Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person besteht auch ohne die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 InsVV eine ausreichende Möglichkeit, die sich aus der Staffelvergütung nach § 2 Abs. 1 InsVV ergebende Vergütung des Insolvenzverwalters nach Maßgabe des aus einer hohen oder auch exorbitant hohen Zahl von Gläubigern folgenden Mehraufwands dem jeweiligen Einzelfall angemessen anzupassen. Es entspricht allgemeiner Meinung, dass eine hohe Gläubigerzahl einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV rechtfertigen kann. Führt die große Zahl der eine Forderung anmeldenden Gläubiger zu einem Mehraufwand, kann der Tatrichter dies bei der Bemessung der Zuschläge angemessen berücksichtigen. Es entspricht der Praxis in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung, für hohe Gläubigerzahlen je nach den Umständen einen Zuschlag auf die Staffelvergütung festzusetzen. Maßgebend für die Höhe des Zuschlags ist, ob die Bearbeitung den Insolvenzverwalter stärker oder schwächer als in entsprechenden Insolvenzverfahren allgemein üblich in Anspruch genommen hat, also der real gestiegene oder gefallene Arbeitsaufwand.
BGH online
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