11.12.2023

Keine Haftung einer Suchmaschine bei unklarer Rechtslage

Nach der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten kommt zwar auch die Betreiberin einer Suchmaschine als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe in Betracht. Die haftungsbegründende Meldung an den Suchmaschinenbetreiber muss aber ausreichende Angaben enthalten, um es diesen zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass die Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre.

LG Köln v. 26.10.2023 - 14 O 285/23
Der Sachverhalt:
Die Verfügungsklägerin ist ein schweizerisches Unternehmen und bietet ihren Kunden Investitionen im Marktsegment von Cannabis-Pflanzen, insbesondere im Bereich medizinischer Cannabis-Produkte an. Sie vermittelt Investitionen in landwirtschaftliche Plantagen von Landwirten, die kommerziell Cannabis anbauen. Das Portfolio-Angebot der Antragstellerin richtet sich auch an deutsche Investoren. Die Verfügungsbeklagte ist verantwortlich für eine allgemein bekannte Internetsuchmaschine.

Die beiden streitgegenständlichen Bilder zeigen den Verwaltungsratspräsidenten der Verfügungsklägerin und einen Landwirt. Die zwei Bilder sind auf Webseiten, für die der in diesem Verfahren nicht beteiligter A. verantwortlich ist, ohne Zustimmung der Verfügungsklägerin abrufbar, wobei im Detail umstritten ist, ob diese "embedded" oder verlinkt sind. Die Bilder sind in der Suchmaschine der Verfügungsbeklagten auffindbar. Ebenso findet sich ein Artikel über die Verfügungsklägerin unter der Überschrift "Totalverlustrisiko".

Die Verfügungsklägerin forderte die Verfügungsbeklagte außergerichtlich zur Löschung der Suchergebnisse auf und verwendete dazu zunächst das angebotene Formular. Per E-Mail übermittelte sie außerdem eine schriftliche Löschungsaufforderung. Die Verfügungsbeklagte meldete sich und teilte mit, dass sie die streitgegenständlichen Lichtbilder nicht auffinden konnte. Sie bat um konkretere Angaben, wo die streitgegenständlichen Inhalte identifiziert werden könnten. Auf zwei weitere Anschreiben der Verfügungsklägerin reagierte die Verfügungsbeklagte nicht mehr.

Die Verfügungsklägerin war der Ansicht, es handele sich bei den Bildern um schutzfähige Computergrafiken als Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG. Sie sei hieran ausschließlich berechtigt. Diese Werke mache die Beklagte öffentlich zugänglich. Die Beklagte hafte als Störerin, nachdem sie die Suchergebnisse nach Aufforderung und Mitteilung über die behauptete Rechtsverletzung nicht entfernt hat. Diese Verwertung sei nach §§ 50, 51 UrhG nicht erlaubt.

Das LG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet. Die Kammer hat im vorliegenden Fall keine öffentliche Zugänglichmachung bzw. öffentliche Wiedergabe der Verfügungsbeklagten gem. §§ 15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, 19a UrhG erkannt.

Nach der neueren Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Intermediärshaftung wegen der Verletzung von Verkehrspflichten kommt zwar auch die Betreiberin einer Suchmaschine als Täterin einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe in Betracht. Eine generelle Privilegierung der Beklagten als Suchmaschinenbetreiberin ist weder ersichtlich, noch geboten. Die haftungsbegründende Meldung an den Suchmaschinenbetreiber muss aber ausreichende Angaben enthalten, um es diesen zu ermöglichen, sich ohne eingehende rechtliche Prüfung davon zu überzeugen, dass die Wiedergabe rechtswidrig ist und eine etwaige Löschung des betreffenden Inhalts mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar wäre.

Dem entspricht die frühere BGH-Rechtsprechung, nach der eine Störerhaftung des Betreibers einer Internet-Plattform erst nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung in Betracht kommt. Der Umfang der vom Plattformbetreiber zu verlangenden Prüfung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Betreibers auf der anderen Seite. Dies ist nicht der Fall, wenn infolge der Meldung die Anwendung der Schrankenregelungen von §§ 50, 51 UrhG geprüft werden muss, weil ein urheberrechtlich geschützter Gegenstand ggf. als Zitat dient bzw. Gegenstand einer Tagesberichterstattung sein kann. Solche Fälle sind derart komplex, dass immer eine eigehende rechtliche Prüfung erforderlich ist.

Nach diesen Grundsätzen und der Feststellung der komplexen Rechtsfrage der Anwendung der Schrankenregelungen von §§ 50, 51 UrhG lag hier schon keine klare Rechtverletzung vor, die die Verfügungsbeklagte ohne eingehende rechtliche Prüfung feststellen könnte. Neben diesem neuen urheberrechtlichen Haftungsmodell, mit dem die Störerhaftung weitestgehend durch eine Täterhaftung ersetzt worden ist, kam im Streitfall keine Haftung der Verfügungsbeklagten in Betracht. Soweit die Verfügungsklägerin sich in ihrer Begründung auf Rechtsprechung zur Störerhaftung bezogen hatte, ist diese entweder überholt oder betraf einen deliktischen Bereich außerhalb des Urheberrechts, der hier nicht einschlägig war.

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