08.05.2014

Keine Hausdurchsuchung beim Justitiar mit Prokura, der seinen Job macht

Der Verdacht einer Straftat ergibt sich nicht daraus, dass der Leiter einer Rechtsabteilung (mit Prokura), nachdem staatsanwaltliche Ermittlungen im Umfeld seines Unternehmens durch Presseartikel bekannt geworden sind, den Sachverhalt aufarbeitet und das Verteidigungsvorbringen des Unternehmens vorbereitet. Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht zur Begründung eines Verdachts aus. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind; denn sie setzt einen Verdacht bereits voraus.

BVerfG 13.3.2014, 2 BvR 974/12
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer ist Prokurist sowie Leiter der Rechtsabteilung eines Unternehmens der Rüstungsindustrie. Im August 2010 war ein Artikel in einem Nachrichtenmagazin erschienen, in dem davon berichtet wurde, das Unternehmen habe trotz fehlender Ausfuhrgenehmigungen für mexikanische Provinzen möglicherweise wissentlich Waffen geliefert und Mitarbeiter zu Vorführungen dorthin geschickt. Der Geschäftsführer des Unternehmens habe darauf hingewiesen, dass man auf die Verteilung der Waffen innerhalb Mexikos keinen Einfluss habe.

Das AG Stuttgart erließ im November 2011 den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss, wonach auch die Wohnräume des Beschwerdeführers durchsucht werden sollten. Es bestehe neben dem Verdacht der Verstöße gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz auch der Verdacht der gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer und inländischer Amtsträger. Möglicherweise seien die Bestechungszahlungen dazu bestimmt gewesen, falsche Endverbleibserklärungen zu erhalten. Zudem habe die Auswertung des E-Mail-Verkehrs anderer Beteiligter ergeben, dass das Unternehmen mit Parteispenden Einfluss auf die Staatssekretärsrunde habe nehmen wollen.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde wandte sich der Beschwerdeführer gegen den Durchsuchungsbeschluss sowie gegen einen bestätigenden Beschluss des LG Stuttgart. Das BVerfG hat die Beschlüsse aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Die Gründe:
Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung ist der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen hingegen nicht aus. Insofern darf eine Durchsuchung nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Tatverdacht bereits voraus. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Sache des BVerfG. Ein Eingreifen des BVerfG ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der strafrechtlichen Bestimmungen objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Betroffenen beruhen.

Diesen Maßstäben wurden die angegriffenen Entscheidungen des AG sowie des LG Stuttgart nicht gerecht. Die ihnen zugrunde liegende Annahme des Verdachts einer Beteiligung des Beschwerdeführers an einer gemeinschaftlichen Bestechung ausländischer oder inländischer Amtsträger beruhte nicht auf konkreten Tatsachen, sondern auf allenfalls vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen. Gegen die Feststellung, dass die Stellung des Beschwerdeführers als Prokurist für sich genommen einen Anfangsverdacht nicht zu begründen vermag, war verfassungsrechtlich nichts zu erinnern.

Auch sonstige hinreichend konkrete Anhaltspunkte zur Begründung des Verdachts der Begehung einer Straftat durch den Beschwerdeführer wurden in den angegriffenen Beschlüssen nicht dargelegt. Insbesondere war es sachgerecht, dass der Beschwerdeführer sich als Leiter der Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der durch einen Presseartikel bekanntgewordenen staatsanwaltlichen Ermittlungen im Umfeld des Unternehmens zur Aufarbeitung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des Verteidigungsvorbringens des Unternehmens veranlasst sah. Daraus konnte nicht gefolgert werden, dass sein Handeln auf eine Verschleierung rechtswidriger Taten abzielte. Erst recht konnte daraus nicht auf eine Beteiligung des Beschwerdeführers an Bestechungshandlungen geschlossen werden.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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BVerfG PM Nr. 29 vom 26.3.2014
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