09.06.2011

Keine schuldbefreiende Wirkung der Zahlungen eines Drittschuldners auf ein nach Verfahrensaufhebung fortbestehendes Anderkonto

Zahlungen des Drittschuldners auf ein nach Verfahrensaufhebung fortbestehendes Anderkonto des vormaligen Insolvenzverwalters haben keine schuldbefreiende Wirkung. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schuldner dem Insolvenzverwalter eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, der Schuldner den Drittschuldner vor der Zahlung angewiesen hat, das Geld auf das Anderkonto des Verwalters zu überweisen, oder der Schuldner die Zahlung nachträglich genehmigt hat.

BGH 12.5.2011, IX ZR 133/10
Der Sachverhalt:
Der beklagte Rechtsanwalt war Verwalter in dem im Dezember 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der M-GmbH (Schuldnerin), das nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans am 1.2.2006 durch das Insolvenzgericht aufgehoben wurde. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens überwies eine Drittschuldnerin auf offene Forderungen der Schuldnerin aus laufender Geschäftsbeziehung insgesamt 28.365 € auf das Anderkonto des Beklagten. In der Folgezeit zahlte der Beklagte vom Anderkonto 15.000 € an die Schuldnerin aus und vereinnahmte 18.777 € für sich als Insolvenzverwaltervergütung.

Am 1.6.2006 eröffnete das Insolvenzgericht auf Antrag der Schuldnerin erneut das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte Rechtsanwalt R zum Insolvenzverwalter. Dieser verlangte vom Beklagten - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - Zahlung der 28.365 €. Daraufhin überwies ihm der Beklagte vom Anderkonto 3.183 € und stellte dieses dadurch auf Null. R ließ sich von der Drittschuldnerin deren Forderungen gegen den Beklagten, insbes. aus Bereicherungsrecht, abtreten und verklagte ihn auf Zahlung von 28.365 € abzgl. 3.1823 €.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr statt, nachdem R im Berufungsverfahren nur noch die Zahlung von 10.182 € (28.365 € - 3.183 € - 15.000 €) aus abgetretenem Recht nebst Zinsen begehrt hatte. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg. Nach Einlegung der Revision ist R als Insolvenzverwalter entlassen und Rechtsanwalt P (Kläger) als Insolvenzverwalter bestellt worden; dieser setzt den Prozess fort.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB (Leistungskondiktion).

Die Drittschuldnerin hat durch die Überweisung auf das Anderkonto des Beklagten an diesen und nicht an die Schuldnerin oder die Masse geleistet. Der Beklagte war Vollrechtsinhaber des von ihm eingerichteten Anderkontos. Anderkonten sind offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist. Auf das von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichtete Anderkonto eingehende Gelder gehören nicht zur Insolvenzmasse i.S.d. § 35 InsO. Die Vorschrift erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Zahlungen, die auf dem Anderkonto eingehen, fallen deswegen weder in die Masse noch in das Schuldnervermögen

Da die auf dem Anderkonto des Beklagten während des laufenden Insolvenzverfahrens eingehenden Gelder nicht in die Masse oder das Schuldnervermögen fielen, sondern Forderungsinhaber allein der Beklagte selbst war, wurde weder die Masse noch die Schuldnerin bereichert, sondern allein der Beklagte als Kontoinhaber. Das gilt im Streitfall umso mehr für die Zahlungen der Drittschuldnerin, die erst erfolgten, als das Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Planbestätigung gem. § 258 Abs. 1 InsO aufgehoben war. Die Aufhebung hatte nach § 259 Abs. 1 InsO zur Folge, dass das Amt des Insolvenzverwalters erlosch und die Schuldnerin das Recht zurückerhielt, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. Mit der Wiedererlangung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis endete zugleich der Insolvenzbeschlag.

Rechtlich durchgreifende Bedenken bestehen auch nicht gegen die Annahme des OLG, die Drittschuldnerin sei durch die Zahlung an den Beklagten nicht von ihrer Schuld gegenüber der Schuldnerin frei geworden, sie habe mithin ohne Rechtsgrund an den Beklagten geleistet. Die Drittschuldnerin wäre nur dann frei geworden, wenn die Schuldnerin sie vor der Zahlung angewiesen hätte, das Geld auf das Anderkonto des Beklagten zu überweisen (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB), die Schuldnerin die Zahlung nachträglich genehmigt (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 2 BGB) oder sie den Beklagten ermächtigt hätte, die Forderung einzuziehen, oder die Drittschuldnerin gutgläubig in Unkenntnis von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an den Beklagten geleistet hätte. Keiner dieser Fälle lag hier vor.

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