05.09.2022

Kfz-Finanzierungsdarlehen: Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf rechtsmissbräuchliches Verhalten

Ein Verbraucher begibt sich durch den Abschluss einer Anschlussfinanzierung nach Widerruf in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch (venire contra factum proprium). Ein Vertragspartner, der nicht mehr an einem Vertrag festhalten will, bestätigt diesen nicht später durch eine Anschlussfinanzierung.

OLG Koblenz v. 1.7.2022 - 8 U 841/21
Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten am 8.11.2017 zur Finanzierung eines privat genutzten Fahrzeugs einen Vertrag über ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 22.550 € zu einem nominalen Festzins von p.a. 2,95 % abgeschlossen. Die Beklagte zahlte das Darlehen gemäß den vertraglichen Konditionen an den Verkäufer des Pkws aus. Der Kaufpreis betrug 24.850 €. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 3.750 €.

Mit Schreiben vom 14.10.2019 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung. Am 10.11.2021 schloss der Kläger zur Finanzierung der Schlussrate und eines Beitrags zum KSB i.H.v. 520 € im Wege einer neuen Darlehensfinanzierung einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 10.500 € und einem für die gesamte Vertragslaufzeit von 48 Monaten festgeschriebenen Sollzinssatz 3,92 % p.a. ab. Die Rückzahlung sollte durch 48 monatlich zu erbringenden Raten i.H.v. 227 € sowie einer Schlussrate von 500 € erfolgen. Als Sicherheit für die Ansprüche der Beklagten vereinbarten die Parteien erneut die Sicherheitsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.

Der Kläger war der Ansicht, er habe den Darlehensvertrag rechtzeitig widerrufen. Die erteilte Widerrufsinformation sei unzutreffend. Aufgrund der kaskadenartigen Verweisung habe die Beklagte falsch zum Beginn der Widerrufsfrist informiert. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen. In dem Darlehensvertrag sei nicht vollständig über die Pflichtangaben belehrt worden.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, dass die erteilte Widerrufsinformation nicht zu beanstanden sei, da sie dem gesetzlichen Muster entspreche. Jedenfalls stelle sich das Berufen auf den fehlenden Musterschutz als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) dar. Das OLG hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Allerdings wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Der Kläger ist wegen seines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, in dem ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) liegt, daran gehindert, seine aus dem Widerruf resultierenden Ansprüche geltend zu machen.

Der Kläger hat sich durch den Abschluss der Anschlussfinanzierung nach Widerruf in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch (venire contra factum proprium) begeben: Einerseits hatte er im Jahre 2019 den Widerruf des streitgegenständlichen Darlehensvertrages erklärt und andererseits im Jahre 2021 diesen Vertrag bestätigt, indem er eine Anschlussfinanzierung abgeschlossen hat. Ein Vertragspartner, der nicht mehr an einem Vertrag festhalten will, bestätigt diesen aber nicht später durch eine Anschlussfinanzierung.

Zudem hat der Kläger der Beklagten im Rahmen der Anschlussfinanzierung ein Sicherungsmittel (Sicherungsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs) angeboten, das ihm bei Annahme eines wirksamen Widerrufs nicht zustehen würde, da mit dem Widerruf die Verpflichtung des Klägers zur Rückübertragung des Eigentums an dem Fahrzeug an die Beklagte einhergeht. Damit hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug, das bei Annahme eines infolge des Widerrufs entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses an die Beklagte zu übergeben gewesen wäre, dieser nicht als Sicherheit für die Ansprüche aus dem Vertrag vom 10.11.2021 anbieten können.

Die Interessen der Beklagten sind auch als vorrangig schutzwürdig anzusehen, weil sie dem Kläger deutlich zu erkennen gegeben hatte, dass sie den von ihm erklärten Widerruf nicht akzeptieren werde und der Kläger sie dennoch um die Einräumung eines weiteren Kapitalnutzungsrechts ersucht hat, welches sie ihm antragsgemäß gewährt hat. Im Hinblick auf dieses widersprüchliche Verhalten des Klägers, das die Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt, erachtet der Senat die Berufung des Klägers auf den Widerruf im vorliegenden Einzelfall als treuwidrig.

Im Hinblick auf die offenen europarechtlichen Fragen zu der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf rechtsmissbräuchliches Verhalten wird die Revision unbeschränkt zugelassen. Zwar wäre die Berufung ‒ jedenfalls soweit es die Zahlungsanträge betrifft ‒ unabhängig von den Ausführungen zum Rechtsmissbrauch jedenfalls auch unbegründet, weil die Klage wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten derzeit unbegründet ist. Allerdings würde das Rechtsmittel bei einer Verneinung des Rechtsmissbrauchs mit der Maßgabe, dass die Klage derzeit unbegründet ist, zurückgewiesen werden, was für den Kläger einen erheblichen Unterschied hinsichtlich des Umfangs der Rechtskraft und der materiell-rechtlichen Entscheidungsweite bedeutet.

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