22.11.2022

Manipulierte Überweisungen: Zum Einwand der Entreicherung und zum Mitverschulden der Bank

Wer aus einer ihm nicht näher bekannten Quelle eine Banküberweisung erhält, kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass er das Geld nicht behalten bzw. verwenden darf. Alleine der Umstand, dass zwei andere Banken zuvor ähnliche Überweisungsaufträge an den Beklagten als gefälscht erkannt haben, reicht für die Erkenntnis, dass ein manueller Prüfvorgang dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung folgt, nicht aus.

OLG Stuttgart v. 17.11.2022 - 2 U 219/21
Der Sachverhalt:
Herr Z. unterhält bei der Klägerin ein Bankkonto. Am 1.8.2018 waren bei der Klägerin drei Überweisungsaufträge eingereicht worden, wonach insgesamt 9.944 € auf ein Konto des Beklagten überwiesen werden sollten. Unter Verwendungszweck waren jeweils Rechnungsnummern angegeben worden. Die Klägerin führte diese Aufträge aus. Da der Kontoinhaber Herr Z. diese Überweisungen jedoch nicht in Auftrag gegeben hatte - seine Unterschriften auf den Überweisungsträgern gefälscht waren - schrieb ihm die Klägerin die Beträge wieder gut.

Die Klägerin verlangte daraufhin vom Beklagten die Rückzahlung des Geldes und stützte ihren Anspruch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, hilfsweise auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 261 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 5 StGB. Dagegen erhob der Beklagte den Einwand der Entreicherung. Er habe über ein in Russland verbreitetes soziales Netzwerk die Anfrage erhalten, im Auftrag der Firma S. in Deutschland mit einer ihm gutgeschriebenen Summe Bitcoins zu erwerben. Er habe den Auftrag zunächst erfüllt. Eine weitere Übertragung von Bitcoins habe der Beklagte nicht mehr vorgenommen, weil er von seiner Bank die Nachricht erhalten habe, dass die Beträge zurückgefordert werden. Er erkenne lediglich die Forderung über 1.445 € an. Nicht er, der Beklagte, sondern die Klägerin habe leichtfertig gehandelt, weil sie mehrere am Tag eingeworfene Verfügungen ungeprüft ausgeführt habe.

Im März 2019 verurteilte das LG den Beklagten zunächst antragsgemäß. Jenes Urteil hob der 9. Zivilsenat am 29.7.2020 (Az. 9 U 308/19) mit der Begründung auf, es handele sich um ein Scheinurteil. In jenem Berufungsverfahren trug der Beklagte streitig vor, es sei ihm in einem Skype-Gespräch am 13.6.2018 mitgeteilt worden, dass die Firma S. noch Kunden in Deutschland habe, die Rechnungen auf ein EU-Konto bezahlen wollten. Mit seinem nun angefochtenen Urteil vom 2.7.2021 verurteilte das LG den Beklagten zur Zahlung des anerkannten Betrags von 1.445 €, im Übrigen wies es die Klage ab. Der Beklagte hafte nicht verschärft gem. § 819 BGB und dürfe sich deshalb auf den Einwand der Entreicherung berufen. Die Begleitumstände seien nicht dubios.

Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG die Entscheidung des LG abgeändert und den Beklagten zur Zahlung von 9.944 € verurteilt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Rückzahlung der überwiesenen Beträge aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 BGB und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Der Beklagte hat Gutschriften auf seinem Bankkonto über insgesamt 9.944 € in sonstiger Weise erlangt. Die Verpflichtung zur Herausgabe bzw. zum Ersatz des Wertes ist nicht wegen Entreicherung des Beklagten gem. § 818 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Die Entreicherung führt nicht zum Wegfall des Kondiktionsanspruches, falls die Voraussetzungen einer verschärften Haftung gemäß § 819 Absatz 1 BGB i.V.m. § 818 Absatz 4 BGB vorgelegen haben. Und wer - wie hier - aus einer ihm nicht näher bekannten Quelle eine Banküberweisung erhält, kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass er das Geld nicht behalten bzw. verwenden darf.

Zwar ließ sich nicht feststellen, dass der Beklagte eine Kenntnis von den Umständen hatte, die für eine nicht autorisierte Überweisung sprachen. Aufgrund der ihm bekannten Umstände war jedoch festzustellen, dass er vor der möglichen Einsicht, das Geld nicht behalten zu dürfen, geradezu die Augen verschlossen hatte, er deshalb wie ein Wissender zu behandeln war und sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen konnte. Nach dem normativen Maßstab redlich Denkender reichten die Umstände aus, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die dem Beklagten überwiesenen Beträge nicht vom Kontoinhaber autorisiert waren und vom Beklagten nicht zu dem eingesetzten Zweck verwendet werden durften.

Die Klägerin musste sich auch kein Mitverschulden anrechnen lassen. Der für die Voraussetzungen des Mitverschuldens darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat nicht ausreichend vorgetragen, dass es im Bankenverkehr dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung entspricht, eingehende Überweisungsträger auf deren Authentizität zu überprüfen. Dass die Zahlungsvorgänge im vorliegenden Fall aus gesetzlichen Gründen der Geldwäschebekämpfung zu überprüfen waren, hat der Beklagte nicht behauptet. Er hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass es den Gepflogenheiten einer Bank zur Abwendung eines eigenen Schadens entspricht, bei drei gleichzeitig eingehenden Zahlungsanweisungen zugunsten eines bestimmten Empfängers eine manuelle Prüfung vorzunehmen. Alleine der Umstand, dass zwei andere Banken zuvor ähnliche Überweisungsaufträge an den Beklagten als gefälscht erkannt hatten, reichte für die Erkenntnis, dass ein solcher Prüfvorgang dem Gebot der eigenen Interessenwahrnehmung folgt, nicht aus.

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Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682

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