18.08.2023

Marmelade statt Fruchtaufstrich kann Herabsetzung des Streitwertes rechtfertigen

Die Falschbezeichnung eines Lebensmittels als Marmelade statt Fruchtaufstrich durch einen Kleinstgewerbetreibenden rechtfertigt Herabsetzung des Streitwertes auf 1000 €. Auch wenn die Bezeichnung der Tatbestandsvoraussetzungen in einem gewissen Konflikt mit den Begriffen des Lauterkeitsrechts stehen, ist die Intension des Gesetzgebers, Verstöße von geringem Umfang von Kleinstunternehmern zu erfassen, wie dies auch für die Anwendung des Auffangstreitwertes von 1.000 € gem. § 53 Abs. 3 S. 2 GKG in Fällen mit geringem Unrechtsgehalt wie geringfügigen Verletzungen von Informationspflichten der Fall ist, hinreichend deutlich.

OLG Schleswig-Holstein v. 10.8.2023 - 6 W 12/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist nach entsprechender Abmahnung durch den Kläger durch Versäumnisurteil verurteilt worden, Produkte unter der Bezeichnung "Marmelade" zum Verkauf anzubieten, wenn diese nicht die nach der Konfitürenverordnung vorgeschriebenen Merkmale erfüllen. Konkret handelte es sich um einen Fruchtaufstrich mit Hagebutte eines dänischen Herstellers, den die Beklagte auf dem Portal X. mit der Bezeichnung "Marmelade" zum Verkauf angeboten hatte. Das dänische Originaletikett weist die Aufschrift "Marmelade med Hyben" auf.

Die Beklagte betreibt ihren Onlinehandel für skandinavische Produkte in kleinem Umfang im Nebengewerbe. Über das Portal X. verkaufte sie im gesamten Jahr 2022 lediglich vier Artikel dieses Herstellers. Für das Jahr 2021 hatte sie derartige Produkte im Wert von insgesamt ca. 410 € eingekauft.

Das LG hat im Versäumnisurteil den Streitwert entsprechend den Angaben des Klägers auf 25.000,00 € festgesetzt. Die Beklagte beantragte mit ihrer Beschwerde eine Herabsetzung des Streitwertes auf 1.000 €. Da LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Streitwert bemesse sich nach § 51 Abs. 2 GKG, ein Fall des § 51 Abs. 3 GKG liege nicht vor. Das OLG hat den Streitwert auf 1.000 € festgesetzt.

Die Gründe:
Der Senat ist der Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Herabsetzung des Streitwertes gem. § 51 Abs. 3 S. 1, S. 3 GKG angemessen ist.

§ 51 Abs. 3 GKG lässt in Abweichung vom Prinzip des § 51 Abs. 2 GKG, nach dem bei der Bemessung des Streitwertes grundsätzlich das Interesse des Klägers maßgeblich ist, die Berücksichtigung der Sichtweise des Beklagten zu. Wenn die Bedeutung der Sache für den Beklagten erheblich geringer zu bewerten ist, als der nach Abs. 2 ermittelte Streitwert, ist dieser angemessen zu mindern. Während nach dieser Vorschrift zunächst eine angemessene Herabsetzung des Streitwertes erfolgt, ist ein fester Streitwert von 1.000 € anzusetzen, wenn die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Zuwiderhandlung angesichts ihrer Art, ihres Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern nur in unerheblichen Maße beeinträchtigt, § 51 Abs. 2 S. 3 GKG.

Eine nur unerhebliche Beeinträchtigung liegt etwa vor, wenn ein Abgemahnter nur im geringem Maße wirtschaftlich tätig ist und deshalb nicht in einem nennenswerten Wettbewerb zu Mitbewerbern steht. Auch wenn die Bezeichnung der Tatbestandsvoraussetzungen in einem gewissen Konflikt mit den Begriffen des Lauterkeitsrechts stehen, ist die Intension des Gesetzgebers, Verstöße von geringem Umfang von Kleinstunternehmern zu erfassen, wie dies auch für die Anwendung des Auffangstreitwertes von 1.000 € gem. § 53 Abs. 3 S. 2 GKG in Fällen mit geringem Unrechtsgehalt wie geringfügigen Verletzungen von Informationspflichten der Fall ist, hinreichend deutlich.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Trotz der im Grundsatz großen Reichweite des verwendeten Internetmarktplatzes hat die Beklagte nur einen sehr geringen Umsatz mit den beanstandeten Waren erzielt. Der Verstoß ist zudem von geringem Gewicht, da die verwendete Bezeichnung mit dem dänischsprachigen Originaletikett übereinstimmt und der angesprochene Verkehrskreis der Unterscheidung von Marmelade, Konfitüre und Fruchtaufstrichen ohnehin eine eher geringe Bedeutung beimisst. Angesichts der hier vorliegenden Falschbezeichnung ist nach der Lebenserfahrung nicht anzunehmen, dass die Beklagte über den Verkauf der Waren unter der Bezeichnung Marmelade einen nennenswerten Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern erzielt hätte. Dies liegt auch wegen des bereits angeführten Umsatzes fern.

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Aufsatz:
Das Einheitspatentsystem
Aloys Hüttermann, IPRB 2022, 213

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