Meinungsfreiheit - Österreich: Strafverfolgung einer Schlüsselfigur in der "Ibiza-Affäre"
EGMR v. 18.9.2025 - 8761/23
Der Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer, Julian Hessenthaler, ist österreichischer Staatsbürger und hat als eine der Schlüsselfiguren in der sogenannten Ibiza-Affäre - auch "Ibizagate" oder "Strache-Affäre" genannt - Bekanntheit erlangt.
Am 17.5.2019 wurde in den Medien ein heimlich aufgezeichnetes Video eines Treffens zwischen zwei hochrangigen österreichischen Politikern und der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf Ibiza veröffentlicht. Das Treffen, eine verdeckte Operation, hatte im Juli 2017 stattgefunden und war unter anderem von Hessenthaler arrangiert worden. Das Gespräch zwischen den beiden Politikern offenbarte deren Bereitschaft, sich an korrupten Aktivitäten zu beteiligen, das Parteienfinanzierungsgesetz zu umgehen und heimlich die Kontrolle über unabhängige Medien zu übernehmen. Die Veröffentlichung des Gesprächs führte am folgenden Tag zum Zusammenbruch der österreichischen Regierungskoalition und letztlich zu Neuwahlen.
Im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen verschiedene Personen eingeleitet. Im Laufe der Ermittlungen wurde Hessenthaler von mehreren befragten Personen des Kokainhandels beschuldigt. In einem anschließenden Strafverfahren wurde er wegen Kokainhandels, der Beschaffung gefälschter amtlicher Urkunden und der Verwendung eines gefälschten slowenischen Führerscheins zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hessenthalers Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos.
Unter Berufung auf Art. 10 EMRK machte Hessenthaler geltend, dass seine Verurteilung politisch motiviert sei und andere davon abhalten könnte, für die Demokratie relevante Informationen offenzulegen. Daneben berief er sich auf Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) allein und in Verbindung mit Art. 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde).
Die Gründe:
Der EGMR stellte einleitend fest, dass der Kern der Beschwerden Hessenthalers in der Behauptung bestehe, dass er zu Unrecht angeklagt worden und das Strafverfahren gegen ihn unfair gewesen sei.
Mit Blick auf Art. 10 EMRK war der Gerichtshof der Ansicht, dass das heimlich aufgenommene Video, das die Ibiza-Affäre ausgelöst hat, ein unangemessenes Verhalten hochrangiger Politiker betroffen habe. Es habe sich zweifellos um eine wichtige Angelegenheit in einer demokratischen Gesellschaft gehandelt, an deren Bekanntgabe die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse habe und die in den Bereich der politischen Debatte falle. Die missbräuchliche oder böswillige Anwendung von Recht und Gerichtsverfahren zur Verhinderung oder Sanktionierung von Beiträgen zur öffentlichen Debatte könne ein Mittel der Einschüchterung und Mundtotmachung von Journalisten und anderen sozialen Kontrollinstanzen darstellen.
Jedoch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Strafverfahren gegen Hessenthaler als repressive Maßnahme in Reaktion auf die Veröffentlichung des Videos eingeleitet worden war. Seine Verurteilung sei aufgrund einer Straftat erfolgt, die in keinem Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der heimlichen Aufzeichnung und Veröffentlichung des Videos gestanden habe. Somit falle das Verhalten, für das Hessenthaler bestraft worden war, bereits nicht in den Anwendungsbereich von Art. 10 EMRK.
Hinsichtlich der anderen vorgetragenen Konventionsrechte stellte der EGMR fest, dass kein Anhaltspunkt dafür vorliege, dass das Strafverfahren gegen Hessenthaler unfair oder willkürlich gewesen war.
Der EGMR erklärte die Beschwerde mit Blick auf alle gerügten Konventionsrechte einstimmig für unzulässig.
Sebastian Ramelli, LL.M. (Institut für Europäisches Medienrecht e.V. Saarbrücken)
Der Beschwerdeführer, Julian Hessenthaler, ist österreichischer Staatsbürger und hat als eine der Schlüsselfiguren in der sogenannten Ibiza-Affäre - auch "Ibizagate" oder "Strache-Affäre" genannt - Bekanntheit erlangt.
Am 17.5.2019 wurde in den Medien ein heimlich aufgezeichnetes Video eines Treffens zwischen zwei hochrangigen österreichischen Politikern und der vermeintlichen Nichte eines russischen Oligarchen in einer Villa auf Ibiza veröffentlicht. Das Treffen, eine verdeckte Operation, hatte im Juli 2017 stattgefunden und war unter anderem von Hessenthaler arrangiert worden. Das Gespräch zwischen den beiden Politikern offenbarte deren Bereitschaft, sich an korrupten Aktivitäten zu beteiligen, das Parteienfinanzierungsgesetz zu umgehen und heimlich die Kontrolle über unabhängige Medien zu übernehmen. Die Veröffentlichung des Gesprächs führte am folgenden Tag zum Zusammenbruch der österreichischen Regierungskoalition und letztlich zu Neuwahlen.
Im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen verschiedene Personen eingeleitet. Im Laufe der Ermittlungen wurde Hessenthaler von mehreren befragten Personen des Kokainhandels beschuldigt. In einem anschließenden Strafverfahren wurde er wegen Kokainhandels, der Beschaffung gefälschter amtlicher Urkunden und der Verwendung eines gefälschten slowenischen Führerscheins zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hessenthalers Rechtsmittel dagegen blieben erfolglos.
Unter Berufung auf Art. 10 EMRK machte Hessenthaler geltend, dass seine Verurteilung politisch motiviert sei und andere davon abhalten könnte, für die Demokratie relevante Informationen offenzulegen. Daneben berief er sich auf Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) allein und in Verbindung mit Art. 13 EMRK (Recht auf wirksame Beschwerde).
Die Gründe:
Der EGMR stellte einleitend fest, dass der Kern der Beschwerden Hessenthalers in der Behauptung bestehe, dass er zu Unrecht angeklagt worden und das Strafverfahren gegen ihn unfair gewesen sei.
Mit Blick auf Art. 10 EMRK war der Gerichtshof der Ansicht, dass das heimlich aufgenommene Video, das die Ibiza-Affäre ausgelöst hat, ein unangemessenes Verhalten hochrangiger Politiker betroffen habe. Es habe sich zweifellos um eine wichtige Angelegenheit in einer demokratischen Gesellschaft gehandelt, an deren Bekanntgabe die Öffentlichkeit ein berechtigtes Interesse habe und die in den Bereich der politischen Debatte falle. Die missbräuchliche oder böswillige Anwendung von Recht und Gerichtsverfahren zur Verhinderung oder Sanktionierung von Beiträgen zur öffentlichen Debatte könne ein Mittel der Einschüchterung und Mundtotmachung von Journalisten und anderen sozialen Kontrollinstanzen darstellen.
Jedoch gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass das Strafverfahren gegen Hessenthaler als repressive Maßnahme in Reaktion auf die Veröffentlichung des Videos eingeleitet worden war. Seine Verurteilung sei aufgrund einer Straftat erfolgt, die in keinem Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der heimlichen Aufzeichnung und Veröffentlichung des Videos gestanden habe. Somit falle das Verhalten, für das Hessenthaler bestraft worden war, bereits nicht in den Anwendungsbereich von Art. 10 EMRK.
Hinsichtlich der anderen vorgetragenen Konventionsrechte stellte der EGMR fest, dass kein Anhaltspunkt dafür vorliege, dass das Strafverfahren gegen Hessenthaler unfair oder willkürlich gewesen war.
Der EGMR erklärte die Beschwerde mit Blick auf alle gerügten Konventionsrechte einstimmig für unzulässig.