18.09.2025

Meinungsfreiheit - Zypern: Verurteilung zu Schadensersatz wegen vorgeblich diffamierenden Presseartikels

Stellen innerstaatlichen Gerichte ihre eigene Ansicht hinsichtlich der im konkreten Fall anzuwendenden Berichterstattungstechnik an die Stelle der Ansicht der Journalisten, vermag dies eine übermäßig restriktive Vorgehensweise darzustellen. (Arvanitis und Phileleftheros Public Company Limited gegen Zypern)

EGMR v. 3.7.2025 - 49917/22
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführer sind ein Journalist (A.) sowie ein nach zyprischem Recht registriertes Unternehmen, das Herausgeber der Tageszeitung Phileleftheros ist. Phileleftheros hatte im Juli 2007 einen von A. verfassten Artikel veröffentlicht, der sich mit der Rückgabe von im Zuge der türkischen Invasion Zyperns im Jahr 1974 geraubter Kunst befasste. Der Beitrag war als Reaktion auf einen in einer großen griechischen Sonntagszeitung erschienenen Artikel eines prominenten zyprischen Anwalts, K., veröffentlicht worden. K. hatte dort erklärt, dass er ein Gemälde seiner Familie gegen die Zahlung einer Geldsumme zurückerhalten habe, während er ein anderes durch eine Fälschung habe ersetzen können. In dem Artikel wurde K. als "Verräter" bezeichnet und dafür kritisiert, dass er sich trotz seiner Tätigkeit als Anwalt für einen illegalen Weg entschieden hatte, um die geraubten Gemälde zurückzuerhalten, und dass er so unbesonnen gewesen sei, einen Artikel darüber zu schreiben. Von der entsprechenden Ausgabe der Phileleftheros waren etwa 24.500 Exemplare verkauft worden. Das erstinstanzliche Gericht befand, dass der Artikel des Beschwerdeführers den K. persönlich angegriffen und seinen guten Ruf in Frage gestellt habe. Die Beschwerdeführer wurden zur Zahlung von 12.000 € Schadensersatz verurteilt. Rechtsmittel blieben erfolglos.

Die Gründe:
Nach Verweis auf seine in der Rechtssache Axel Springer AG gegen Deutschland [Große Kammer] (EGMR v. 7.2.2012 - 39954/08, Rn. 78-95) aufgestellten Grundsätze und die wesentliche Rolle der Presse in einer demokratischen Gesellschaft stellte der EGMR zunächst fest, dass der beschwerdegegenständliche Artikel in die Rechte des K. aus Art. 8 EMRK eingegriffen hatte.

Jedoch habe der Artikel - worin zwischen den Parteien Einigkeit bestand - ein Thema von allgemeinem Interesse behandelt, nämlich die Rückgabe von Raubkunst an ihre rechtmäßigen Eigentümer. Der Tatsache, dass der Artikel als Replik auf einen seinerseits von K. veröffentlichten Artikel, in dem es um die Rückgewinnung geraubter Kunstwerke ging, publiziert worden war, hätten die innerstaatlichen Gerichte nicht hinreichend Gewicht beigemessen. Diese Frage sei auch vor dem Hintergrund des anhaltenden Zypernproblems zweifellos für die zyprische Gesellschaft von Interesse und Bedeutung. Die Veröffentlichung der Beschwerdeführer habe daher einen Bereich betroffen, in dem es wenig Spielraum für Einschränkungen der Meinungsfreiheit gebe.

Mit seinem eigenen Artikel habe K. an einer öffentlichen Debatte teilgenommen, womit er sich Kritik ausgesetzt und mit einer genauen Prüfung seiner Äußerungen habe rechnen müssen. So habe der Artikel des Beschwerdeführers, der überwiegend Werturteile und keine Tatsachenbehauptungen enthalten habe, einen Sachverhalt kommentiert, den K. selbst zuerst aufgeworfen hatte. Das Privatleben des K. sei hingegen nicht Gegenstand gewesen. Zwar sei die verwendete Terminologie übertrieben, doch dürften Journalisten übertreiben und sogar provozieren. Vor dem Hintergrund des Sachverhalts habe die Ausdrucksweise nicht die Grenzen der Pressefreiheit überschritten. Auch sei nicht erkennbar, dass die Beschwerdeführer in böser Absicht gehandelt hätten.

Vielmehr hätten die innerstaatlichen Gerichte in unzulässiger Weise versucht, ihre eigene Ansicht hinsichtlich der im vorliegenden Fall anzuwendenden Berichterstattungstechnik an die Stelle der Ansicht der Beschwerdeführer zu setzen. Dies habe eine übermäßig restriktive Vorgehensweise dargestellt.

Letztlich habe die verhängte Sanktion trotz ihrer zivilrechtlichen Natur aufgrund der Höhe der Entschädigungssumme für die Beschwerdeführer eine erhebliche finanzielle Belastung dargestellt. Somit habe sie eine abschreckende Wirkung auf die offene Diskussion von Angelegenheiten von öffentlichem Interesse haben können.

Der EGMR bejahte einstimmig eine Verletzung von Art. 10 EMRK.
Sebastian Ramelli, LL.M. (Institut für Europäisches Medienrecht e.V. Saarbrücken)